Sie sollte schnell über die Bühne gehen, François Biltgens Uni-Reform. Doch die legislativen Mühlen mahlen derzeit langsam. Und das ist wohl auch besser so.
Die Defizite des von Hochschulminister François Biltgen im Mai deponierten Gesetzesvorschlags 6283 zur Uni-Reform sind hinlänglich bekannt (siehe woxx 1110), die ersten Avis einzelner Berufskammern liegen vor, und jüngst hat auch die Apul – die Association des Professeurs de l’Université du Luxembourg – eine eingehende Stellungnahme verabschiedet.
Auch das Gutachten des Staatsrates dürfte, dank der Dringlichkeitsvorgaben, die die Regierung den beiden legislativen Kammern gemacht hat, wohl demnächst vorliegen. Nur die Abgeordnetenkammer selbst ist in ihrer legislativen Arbeit etwas in Verzug geraten. Das liegt wohl vor allem am unerwarteten Tod des Vorsitzenden der Chamberkommission für Hochschulbildung, Lucien Thiel, der auch designierter Berichterstatter für die Uni-Reform war.
Bislang hat die Kommission weder einen neuen Präsidenten oder eine Präsidentin bestimmt, noch hat sie erkennen lassen, wer das Dossier „Uni-Reform“ fortan betreuen wird. Dass dies kein Hinterbänkler sein kann, ist angesichts der Kritik aus allen Reihen klar: Die Chamber muss nachbessern, ein Durchwinken der Gesetzesvorlage wie üblich dürfte diesmal allein schon an den zu erwartenden „oppositions formelles“ des Staatsrates scheitern.
Noch steht die Agenda der Kommission nicht fest, doch ist abzusehen, dass es zu einer Verabschiedung in diesem Jahr nicht mehr kommen wird. Und auch das nächste akademische Jahr wird wohl mit den Unzulänglichkeiten des noch geltenden Unigesetzes zurecht kommen müssen.
Zwar hat die Regierung am 14. Oktober den Text des Gesetzes nachgebessert, doch betreffen die Änderungsvorschläge lediglich die Mitgliedschaft der Studierenden bei der Sozialversicherung, die ja im letzten Jahr für einigen Wirbel gesorgt hatte. Nach der ursprünglichen Gesetzesvorlage sollten sich StudentInnen, die nicht krankenversichert sind, zu einem von der Uni-Luxemburg mit einem privaten Versicherer ausgehandelten Tarif selbst absichern. Die zuvor geltende Regelung, nach der Studierende automatisch von der nationalen Krankenkasse (CNS) mitversichert wurden, war ja im Rahmen der 2010 beschlossenen Reform des Gesundheitswesens gestrichen worden (siehe woxx 1112) Die CNS hat nunmehr einen Sondertarif von 33 Euro eingerichtet, der in diesem Punkt den ursprünglichen Reformtext obsolet macht und die Studierenden in der nationalen Versicherung belässt.
Fast zeitgleich mit der Deponierung des Uni-Reformtextes hat sich auch die bereits erwähnte Professoren-Vereinigung konstituiert. Sie will die Solidarität zwischen den akademischen Mitarbeitern der Uni fördern und zu einer Verbesserung der akademischen Kultur und der Bedingungen, unter denen in Luxemburg Forschung betrieben wird, beitragen.
Die Apul will sich aber auch für die akademische Freiheit und ein transparentes Funktionieren der Uni-Luxemburg einsetzen.
In diesem Sinne war eine der ersten „Amtshandlungen“ des Apul-Komitees eine Unterredung (am 20. Juli) mit dem Präsidenten und dem Vize-Präsidenten der Chamber-Hochschulkommission in der die Bedenken gegenüber dem Reformtext zum Ausdruck gebracht wurden. „Lucien Thiel hat ganz genau verstanden, wo unsere Probleme liegen“, so Apul-Vizepräsident Michel Pauly.
Die angestrebte Autonomie wird nach Überzeugung der Apul durch das neue Gesetz nicht gefördert. Zwar wird die direkte ministerielle Kontrolle abgeschafft, aber damit wächst zugleich die Macht des Rektorats und des „Conseil de gouvernance“, einer Art Verwaltungsrat der Uni. „So wie dieses Gremium bislang funktioniert hat, sind es der Rektor und der Regierungskommissar, die alle Entscheidungen getroffen haben, auch wenn sie selber nur über eine beratende Stimme verfügen“, so Michel Pauly.
Unisenat als Gegengewicht
Als Gegengewicht will die Apul die Befugnisse des „Conseil universitaire“ aufgewertet sehen. Ihm werden zwar nach dem Biltgen-Reformvorschlag nun auch Studierende und nicht-akademische Mitglieder angehören, doch das Mitspracherecht des conseil bleibt im Reformtext auf die Studienordnungen begrenzt.
Dagegen fordert die Professorenvereinigung, dass sämtliche den Universitätsbetrieb tangierenden Fragen im Unirat verhandelt werden. Und anders als im Gesetz vorgesehen, solle der Rat seinen Vorsitzenden selbst wählen, und diese Position nicht automatsich dem Uni-Rektor zugesprochen werden. Der Rektor, die Vize-Rektoren und der Verwaltungsdirektor sollen dem Gremium zwar angehören, aber nur mit beratender Stimme. Auch müsse der Rat mehr Eigeninitiative entwickeln können.
Ohne eine solche Neudefinition der Zuständigkeiten und des Aufbaus wird der Unirat nach Überzeugung der Apul nicht funktionieren und schon gar nicht die Funktion eines „Senats“, wie in den Erklärungen zu Biltgens Reformtext optimistisch angekündigt, erfüllen können.
Hinsichtlich der Studienordnungen will die Apul allerdings noch stärker dezentralisieren: Diese sollen Sache der einzelnen Fachbereiche sein, was auch bedeutet, dass sie von einer Fakultät zur anderen variieren können.
Neben der Autonomie- und Transparenzdebatte sieht die Apul aber auch in der täglichen Arbeit der einzelnen Fakultäten Handlungsbedarf. Ein besonderes Problem stellt hier die Rekrutierung von MitarbeiterInnen dar, die in der Konzeption der Reform nicht in der Hand der einzelnen Forschungs- und Lehrbereiche, sondern beim Rektorat liegt.
So soll der Vorsitzenden der jeweiligen Rekrutierungskommission vom Rektor benannt werden, was umso bedenklicher ist, weil die Praxis zeigt, dass er in der Regel sich selber dazu bestimmt. Hier will die Apul das Initiativrecht an den Dekan der jeweiligen Fachrichtung übertragen. Das wirke zentralistischen Tendenzen entgegen, soll aber auch den entstandenen Rekrutierungsstau abbauen helfen.
Ein weiteres Anliegen ist, die stark ausgeprägte Unterscheidung zwischen „Assistants Professeurs“ und „Professeurs“ an der Uni abzuschwächen. Dass es „junior“ oder „senior“ Professuren geben soll, stellt die Apul nicht in Frage. Eine zu starke Uniformisierung der Professorenschaft könnte unter Umständen gerade für jüngere Akademiker ein Nachteil sein, da diese sich dann in jedem Fall mit älteren, erfahrenen KollegInnen messen müssten.
Aber die Bezeichnung „Assistant“, die degradierend wirke, sollte verschwinden. Außerdem sollten die jüngeren KollegInnen ähnliche Bedingungen erhalten wie die „seniors“, etwa die Möglichkeit, zugunsten intensiver Forschungsarbeit für einen bestimmten Zeitraum von Lehrverpflichtungen freigestellt zu werden („Sabbatjahr“).
Die „Assistants-Professeurs“ konnten bislang auch keine akademischen Assistenten beschäftigen oder gar an Rekrutierungskommissionen teilnehmen – alles Diskriminierungen, die für die Apul nicht länger hinnehmbar sind, im neuen Gesetz aber keine Beachtung finden.
Nach geltendem Uni-Gesetz war es bislang auch nicht möglich, vom „Assistant-Professeur“ zum regulären Professor aufzusteigen. Zwar konnte sich jeder auf freigewordene oder neu ausgeschriebene Professuren bewerben, doch standen die internen KandidatInnen in direkter Konkurrenz mit von außen kommenden KollegInnen, was ihre Chancen natürlich stark einschränkte.
Der Reformtext sieht vor 10 Prozent dieser Stellen intern zu vergeben. Das hat aber laut Apul keinen Sinn, da diese Prozentzahl willkürlich ist und weder den Bedürfnissen der Uni, noch den Interessen der Betroffenen gerecht wird. Für die Apul soll die Promotion zu einem Recht werden, das auf wissenschaftlichen Kriterien beruht. Wie bei einer Habilitation sollen die „juniors“ sich durch eine zusätzliche wissenschaftliche Arbeit zu „seniors“ weiterentwickeln können.
Die von Biltgen vorgelegte Reform sollte eigentlich handwerkliche Fehler aber auch halbherzige Dispositionen in dem Uni-Gesetz von 2003 beseitigen. Dass es – nicht nur aus der Sicht der ProfessorInnen – jetzt doch noch zahlreiche Mängel aufweist, liegt wohl auch an der Prozedur seiner Entstehung: Die eigentlich Betroffenen wurden erst gar nicht in die Ausarbeitung des Gesetzes mit einbezogen.
Eher zufrieden gab sich aber der amtierende Rektor in der Chamber-Hochschulkommission, der hervorhob, dass die aktuelle Vorlage sowohl das Rektorat als auch den Conseil de gouvernance stärke ? vor allem auf Kosten der Fakultätsvorsitzenden.
Er gestand bei der gleichen Gelegenheit allerdings auch ein, dass die Abhängigkeit vom Staat in vielfacher Weise bestehen bleibt: Der Regierungskommissar kann per Veto Entscheidungen blockieren, und die Finanzierung der Uni geschieht immer noch in weiten Teilen durch direkte Dotierung aus dem Staatshaushalt. Entscheidend bleiben auch weiterhin die Vierjahrespläne, die im Einvernehmen mit dem Ministerium festgelegt werden.
Für eine junge Uni, so Rolf Tarrach, sei eine starke Bündelung der Macht im Conseil de gouvernance wichtig. Die aktuellen Mitglieder leisteten schließlich seriöse Arbeit. Doch eigentlich soll dieses Organ auch das Rektorat in seiner Ausübung der täglichen Pflichten kontrollieren, aber das, so die Kritiker der gegenwärtigen Konstruktion, könne ein Unirat viel besser.
Die entschieden autokratische Sicht des Rektors und das dezentrale, auf Transparenz angelegte Modell der Apul sind schwerlich miteinander zu vereinbaren. Bislang ist die Gesetzesvorlage eher nach dem Gusto des amtierenden Rektors. Ob die Chamber sich so weit mit dem Hochschulminister anlegen will, und die von den ProfessorInnen vorgeschlagenen Änderungen in den Text einfließen lässt? Noch scheint sich keiner zu trauen. Zeit genug also, Versäumtes nachzuholen.