EHRENAMT: Engagement außer Zeit

Freiwilligen-Engagement ja – auch während der Arbeitszeiten. Die Hilfsorganisationen geraten an ihr Ressourcenlimit, ein „congé associatif“ könnte hier neue Freiräume schaffen, sofern der politische Wille dazu da ist.

Die Teilnahme an den Sitzungen der Räte, die oft während der Arbeitszeiten stattfinden, ist für berufstätige Freiwillige ein Problem.

„Je tiens à vous informer que, conformément à la déclaration gouvernementale de 2009, le Conseil de Gouvernement s’est prononcé contre toute introduction d’un nouveau congé spécial supplémentaire aux congés spéciaux déjà existants“, heißt es lapidar in einer Antwort der Familienministerin Marie-Josée Jacobs vom 30. Januar an jene rund 20 Hilfsorganisationen, die im Bereich von Jugendarbeit, sozialen Dienstleistungen, humanitären, kulturellen und Umweltbelangen tätig sind und seit Mitte 2011 aktiv für die Einführung eines „Congé associatif“ eintreten.

Nicht einmal drei Monate davor, als das europäische Jahr des Ehrenamtes sich dem Ende zuneigte, hatte das alles noch ganz anders geklungen: Damals hatte die Ministerin betont, dass das „Congé associatif“ nicht ausschließlich Sache des Familienministeriums sei, sonden im Rahmen eines Regierungsprojekts realisiert werden müsse ? und einem solchen stehe sie durchaus aufgeschlossen gegenüber.

„Es ist ein Widerspruch, dass die Ministerin bei der Abschlussveranstaltung des Freiwilligenjahres in Niederanven versprach, noch einmal auf den Vereinsurlaub für die Mitglieder von Hilfsorganisationen zurückzukommen, und uns nun eine Absage erteilt“, stellt Serge Kollwelter, langjähriger Vorsitzender der „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (Asti), verärgert fest. „Diese Zurücknahme ist Ausdruck von mangelndem politischen Willen.“

Schon im Mai 2011 hatten die Vereinigungen „Action Solidarité Tiers Monde“, „Amitiés Portugal-Luxembourg“, Amnesty Luxembourg, ASTI, Caritas, CEFIS, „Cercle de Coopération“, CCPL, „Fédération des Associations Africaines“, „Fédération des Associations d`Espagnols“, „Lëtzebuerger Velos-Initiativ, „Mouvéco“, „natur&emwelt“, „Oekozenter Lëtzebuerg“ und UGDA sich zu einer Plattform zusammengeschlossen. Der Zweck dieses Schrittes war, für die Einführung eines „Congé associatif“ zu werben, der den Mitarbeitern der Vereinigungen – die trotz einer gewissen Professionalisierung zum großen Teil weiterhin aus engagierten Freiwilligen bestehen – ermöglichen würde, sich stärker am Dialog mit der Politik zu beteiligen. Lobesbekundungen von seiten der Politik, wie überaus wertvoll der unentgeltliche Einsatz doch sei, reichten nicht aus, monierten die „Congé associatif“-Befürworter schon damals – es komme darauf an, für die Freiwilligen in konkreter Weise die Möglichkeit zur Teilnahme an den Sitzungen der jeweiligen Gremien zu schaffen.

Zu diesen von der Regierung in den letzten Jahren ins Leben gerufenen Gremien, Beiräten etc. gehören, um nur einige zu nennen, der „Conseil supérieur de l’aménagement du territoire“, der „Conseil supérieur de l’environnement naturel“, der „Conseil supérieur concernant les établissements classés“, der „Partenariat climat“ und der „Conseil supérieur des personnes agées“. Teilnahme an den Sitzungen dieser Räte ist für berufstätige Freiwillige aber generell ein Problem, da diese Zusammenkünfte oft während der Arbeitszeiten stattfinden. Will ein Ehrenamtlicher den – für seine Organisation nicht selten sehr wichtigen – Sitzungen beiwohnen, muss er also seine persönliche Urlaubszeit opfern. Zudem nehmen auch die Versammlungen auf europäischer Ebene und im Rahmen der Großregion zu.

Am Politikdialog teilnehmen

Die Einführung eines „congé associatif“ wäre nicht nur ein Signal der offiziellen Wertschätzung der Freiwilligentätigkeit, sie würde auch helfen, den Meinungsaustausch mit der Politik, den Berufskammern und der Öffentlichkeit zu verbessern. Und die kleinen NGOs könnten dank seiner ihre Arbeit professioneller gestalten.

Aber: „Die Absage des zuständigen Ministeriums enthält eine klare Botschaft: Die Akteure der Zivilgesellschaft dürfen agieren – die Regierung jedoch nimmt sie nicht ernst“, kritisiert Kollwelter. Dabei gehe es ja nicht um freie Urlaubsstunden, sondern darum, dass die Zivilgesellschaft in den Arbeitsgruppen der Regierung wirksam vertreten ist.

Wie der „Congé associatif“ konkret ausgestaltet werden soll, haben die Vertreter der Vereinigungen bislang noch offengelassen. Klar ist nur, dass er vor allem für Versammlungen, die von nationalen oder internationalen Instanzen einberufen werden, in Betracht kommt. Der Modus soll dabei der gleiche sein wie bei den bereits existierenden zehn unterschiedlichen congé speciaux: Der „congé associatif“ muss binnen eines bestimmten Zeitraums beantragt werden, der Arbeitgeber, der für den Ausfall der Arbeitskraft von der Regierung finanziell entschädigt wird, muss mit ihm einverstanden sein. Eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses wird durch die Freistellung des Ehrenamtlichen nicht herbeigeführt. „Wir haben bisher noch nicht ausgerechnet, wieviele Stunden der Congé associatif umfassen soll“, so der Vertreter der Asti. Die bereits existierenden Spezialurlaube, die man als engagierter Jugendlicher, Sportler, Akteur in der Entwicklungshilfe oder im kulturellen Bereich beantragen kann, haben jeweils unterschiedliche zeitliche und finanzielle Rahmenbedingungen. „Es geht uns vor allem darum, dass das heiße Eisen des congé associatif noch einmal in der Chamber diskutiert wird“, so Kollwelter.

Die Aussichten dafür sind gar nicht so schlecht. Denn eigentlich ist die Idee nicht neu; schon vor zwölf Jahren, anlässlich des ersten europäischen Freiwilligenjahrs, hatte der LSAP Abgeordnete Alex Bodry einen Gesetzesvorschlag „portant institution d’un congé associatif“ eingebracht. Am 18. März 2010 beschloss die Chamber zu Beginn der neuen Mandatsperiode, diesen alten Enwurf beizubehalten und zur Diskussion zu stellen, auch wenn er noch einiger Änderungen bedarf, um ihn den neuen Gegebenheiten anzupassen. „Hier ist ein Widerspuch festzustellen zwischen der Chamber, die zumindest die Idee weiter verfolgen will, und dem Familienministerium, das ihn ablehnt“, stellt Kollwelter klar.

Schon Ende der 1990er war der Gesetzesvorschlag als Bestandteil des größeren Vorhabens einer „nouvelle volonté politique de définir un cadre de soutien global à l’engagement volontaire“ konzipiert worden. „Das Projekt wurde damals nicht umgesetzt, da die Regierung – meine Partei befand sich in der Opposition, aber die Ministerin war dieselbe – keinen neuen congé spécial genehmigen wollte“, so der Autor des Gesetzesprojekts, Alex Bodry auf Nachfrage der woxx. Die heutige Zurückhaltung habe sicherlich unter anderem finanzielle Gründe, auch seien einige Betriebe nicht froh über die Pläne. Andererseits stelle gesellschaftliches Engagement ein Bürgerrecht dar, und den Nutzen von ihm hätten alle.

Ungleich behandelter Freiwilligensektor

„Zudem bin ich der Meinung, dass der Sektor ungleich behandelt wird. Egal, ob es der soziale Bereich, der Umwelt- oder Sportbereich ist, in dem sich jemand engagiert – der Freiwilligendienst verdient in allen seinen Formen Unterstützung“, betont der LSAP-Politiker. In der Tat haben etwa Kulturvertreter ein Anrecht auf 20 Tage binnen 2 Jahren (unter Umständen sogar bis zu 60 Tagen), um an großen Kulturereignissen teilzunehmen, und der „Congé de formation“ für Weiterbildungen und Prüfungen kann bis zu 80 Tagen umfassen.

„Ich habe auf jeden Fall vor, das Ganze noch einmal in der zuständigen Kommission zur Sprache zu bringen. Und da der Gesetzesentwurf erst kürzlich in einer Stellungnahme des Staatsrates kommentiert wurde, wird der Text theoretisch auch in der Chamber diskutiert werden, und dann muss die Regierung definitiv Farbe bekennen“, so Bodry, der auch die Überlegungen des Staatsrates, den „congé associatif“ in den „congé de fomation“ zu integrieren, um so keine neue Maßnahme schaffen zu müssen, vertretbar findet. Einer solchen Einfügung stehen Vertreter der Vereinigugen aber eher kritisch gegenüber, da sie nicht wollen, dass Äpfel mit Birnen vermischt werden. „Keiner der bestehenden Vereinsurlaube – der Congé volontaire für Rettungsdienste, der Congé sportif für die Freizeitsportler oder der congé politique für die Kommunalpolitiker – deckt diesen Flügel ab“, betont Kollwelter.

Eine neue Regelung würde auch Gelegenheit geben, den Wildwuchs der verschiedenen congés spéciaux einmal grundsätzlich zu überdenken und eventuell eine neue Konzeption für sie zu entwickeln.

Im Übrigen teilen nicht alle CSV-Politiker die Auffassung von Familienministerin Marie-Josée Jacobs. „Sie können nicht immer von den Menschen verlangen, sich einzubringen, ohne ein Dankeschön der Gesellschaft“, so der Abgeordnete Marcel Oberweis. „Wenn wir die ganzen Vereine lebensfähig erhalten wollen, dann muss man den Menschen auch eine gewisse Sondervergütung zugestehen.“


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