BEHINDERTENRECHTE: Kein Paradigmenwechsel

Der vom Familienministerium vorgestellte Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist erst ein Anfang.

Ende März hatte die Ministerin für Familie und Integration, Marie-Josée Jacobs, den Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention der Öffentlichkeit präsentiert. „Den Wünschen der betroffenen Interessengruppen, die zur Ausarbeitung des Aktionsplans maßgeblich beigetragen haben, konnte zum großen Teil entsprochen werden“, heißt es in dem Communiqué des Familienministeriums. Und: „Die Handlungsfelder der UN-Behindertenrechtskonvention, die in dieser ersten Phase nicht aufgegriffen wurden, werden in einer zweiten Umsetzungsphase berücksichtigt werden“.

Schon im Vorfeld der Veröffentlichung hatte es Kritik gehagelt, dass die von Betroffenen eingebrachten Forderungen zu Bildung, Autonomie und Inklusion durch das Ministerium stark verwässert worden seien. So waren die Reaktionen auf die Veröffentlichung auch eher gemischt. „Info Handicap“ immerhin begrüßte die Veröffentlichung des nationalen Aktionsplanes und versprach, dessen Umsetzung kritisch verfolgen zu wollen – „Es gilt nun, den Worten Taten folgen zu lassen“. Ebenso kündigte die Organisation an, in naher Zukunft „Streitgespräche“ zu organisieren, mit dem Ziel, die inhaltliche Debatte weiter voranzubringen.

„Die besagte Konvention ist kein reines Verwaltungsinstrument, welches man halbherzig annehmen oder auch ablehnen kann. Vielmehr handelt es sich um verbindliche Rechte, zu deren Gewährung sich Luxemburg mit der Ratifizierung am 26. September 2011 gegenüber der Weltgemeinschaft verpflichtet hat“, stellt die Behinderten-Selbstvertretungsorganisation „Nëmme mat eis!“ klar, die aktiv am Aktionsplan mitgearbeitet hat, sich nun jedoch enttäuscht zeigt, „dass am Ende viele Maßnahmen verschwunden oder sehr dürftig ausgefallen sind.“ Es sei sehr bedenklich, dass bei diesen fast nie ein Budget angesetzt worden ist. Daher sei zu befürchten, dass die Regierung vieles unrealisiert lassen könnte. Kritisiert wird von „Nëmme mat eis“ insbesondere, dass die Forderung nach persönlicher Assistenz bei Bildungsaktivitäten und bei der Arbeit im Aktionsplan unberücksichtigt geblieben ist. Die mit dieser Forderung im Zusammenhang stehende umfassendere, nämlich Menschen mit Behinderungen nach dem Modell anderer EU-Länder ein persönliches Budget zu gewähren, wurde ebenfalls abschlägig beschieden. Die Idee dabei ist, Personen mit Behinderungen das Geld, auf das sie Anspruch haben, direkt auszubezahlen, so dass sie sich ihre Assistenz selbstbestimmt organisieren können – im Privatleben wie auf der Arbeitsstelle. Auch der Verein für Gehörlose und Schwerhörige „Daaflux“ kritisiert, dass das Modell der persönlichen Assistenz im Aktionsplan nicht vorkommt: „Gehörlose Kinder können nicht zusammen mit anderen Kindern in die Schule gehen, solange die Assistenz nicht gut ist… Auch wir Erwachsene möchten uns gerne weiterbilden.“ Wichtig seien Gebärdensprachdolmetscher und Gehörlosenlehrer an Schulen, am Ausbildungsplatz und an der Universität. „Sonst sind wir isoliert und haben nicht die gleichen Chancen!“, betont Daaflux. Zufrieden ist die Organisation über den Beschluss der Regierung, endlich ein Kommunikationszentrum zu gründen und die Gebärdensprache anzuerkennen ? obwohl auch hier viele Modalitäten unklar sind, so zum Beispiel, ob diese Anerkennung gesetzlich verankert werden soll. Auch die angestrebte Untertitelung der Nachrichtensendungen sei ein begrüßenswerter Schritt, doch müssten die Sendungen eigentlich in Gebärdensprache verdolmetscht werden, um die Kommunikationsprobleme tatsächlich zu beheben. Kritisiert wird der Aktionsplan auch vom Verein „Elteren a Pedagoge fir Integratioun“. Die UN-Konvention verpflichte die Vertragsstaaten in Artikel 24 dazu, die Allgemeine Schule zu einer inklusiven zu entwickeln. Dagegen sehe das Aktionspapier der Regierung vor, dass die „Education différenciée“ für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen zuständig bleibt und die so genannten „classes de cohabitation“ sogar ausgebaut werden. Damit aber werde die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems nicht gefördert, sondern im Gegenteil gehemmt.


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