HOCHOFEN BELVAL: Industriedenkmal oder Krebsgeschwür?

Einen irreparablen Schaden fürchtet der Méco, wenn auf Belval der Abriss weiter läuft wie bisher.

„Die Art, wie das Dossier zum Erhalt der Hochöfen vom Fonds Belval und somit implizit auch vom Staat gehandhabt wird, wirft Probleme auf. Es wäre viel mehr möglich mit dem Geld, das der Staat bis jetzt bewilligt hat“, so Blanche Weber, Präsidentin des Mouvement écologique, anlässlich einer Pressekonferenz, die unter dem Motto stand: „Ne commettons pas l’irréparable – Osons le futur“. Gerade jetzt, wo es noch nicht zu spät sei – weitere Abrissarbeiten an den Hochöfen stehen an – sei es wichtig, das Ganze öffentlich zu thematisieren.

Im Gegensatz zum Großprojekt Kirchberg sei der Standort der Hochöfen eine gewachsene Struktur mit einmaligem Charakter, die nicht beliebig austauschbar sei. Die Gefahr bestehe, dass diese Vergangenheit zu einer Kulisse degradiert wird. „Bei den Hochöfen geht es nicht nur um Prinzipien, wie mit der Vergangenheit umgegangen wird, sondern für uns ist die Art des Umgangs mit den Hochöfen mittlerweile zu einer grundlegenden Frage der Demokratie in unserem Land geworden. Der Fonds Belval, der von der Regierung beauftragt wurde, eine Evaluierung der Hochöfen zu machen, und der drei Sanierungsmodelle vorgelegt hat, benimmt sich wie ein Staat im Staate, obwohl er der Öffentlichkeit verpflichtet ist.“ Anstatt dieses Alleinganges hätte eine breite Diskussion stattfinden sollen. Auch basiere das von der Regierung votierte und vom Fonds Belval ausgearbeitete Projekt auf keinem denkmalschützerischen Fachgutachten – sondern sei von Ingenieuren gemacht. „Weder die Meinung der Verantwortlichen von Sites et monuments, noch die Diskussionen in einer für kurze Zeit eingesetzten Arbeitsgruppe und schon gar nicht die im Ausland eingeholten Gutachten wurden berücksichtigt“, so Francis Hengen vom Méco.

Die Kostenaufstellung des Fonds Belval erweise sich als kaum nachvollziehbar – auch weil auf das Know-how der unterschiedlichen Spezialisten verzichtet wurde. Dagegen habe es den Anschein, dass das jetzige Vorgehen auf einem rein technischen Kostenvoranschlag der Firma Paul Wurth beruhe. Hier fließe zwar Erfahrung im Bereich der Einrichtung und Instandsetzung von Hochöfen mit ein, jedoch nicht auf dem Gebiet des denkmalpflegerischen Erhaltes. „Aus den vorliegenden Unterlagen ist nicht zu erkennen, wie der Grad der Schädigung des Bauwerkes, der nur prozentual angegeben wurde, ermittelt worden ist“, so Rolf Höhmann, Betreiber eines Darmstädter Büros für Industriearchäologie, der ebenfalls der Pressekonferenz des Méco beiwohnte. Er war in einer früheren Phase als Gutachter an der Evaluierung des Belval-Areals beteiligt gewesen.

Im Alleingang mit Paul Wurth

Höhmanns Vorwurf: Der Fonds Belval habe den Standard für den denkmalpflegerischen Erhalt sehr hoch angesetzt, quasi als Neubaustandard, was sehr hohe Unterhaltskosten ergebe. „Dabei enthalten die vom Fonds Belval entwickelten Konzepte keine genaue Definition, was eigentlich mit dem Erhalt der Hochöfen erreicht werden soll“, so Höhmann. Unklar sei, ob die Hochöfen als Denkmal fungieren, ob eine museale Nutzung anvisiert werde oder ob die Anlage nur den Hintergrund für die Stadtentwicklung bilde. Insgesamt fehle eine Diskussion über denkmalpflegerische Grundprinzipien. „Es ist wichtig, dass der Stand der denkmalpflegerischen Erhaltung früh festgelegt wird. Sowohl vom Aufwand als auch von den Kosten her, ist es ein Unterschied, ob man ein Hochofenwerk im Sinne einer Inbetriebnahme herrichtet oder ob man es als stillgelegtes Areal an die nächste Generation weitergibt“, so Höhmann. Auch Möglichkeiten einer Umnutzung scheinen vom Fonds Belval kaum in Betracht gezogen zu werden. „Teile des Hochofens könnten gastronomisch von Uni-Studenten genutzt werden“, meint Denis Scuto. Der Historiker war Mitglied der Arbeitsgruppe, die am Anfang der Evaluierungsphase vom Fonds Belval eingesetzt worden war.

Der von der Regierung zurückbehaltene Kompromissvorschlag, der 49 Millionen Euro für die Instandsetzung des Areals inklusive der auf 30 Jahre ausgelegten Unterhaltskosten vorsieht, wird von der Umweltgewerkschaft im Ansatz gutgeheißen. Jedoch würde der Vergleich, etwa mit den Hochöfen von Phoenix Dortmund, die vom Volumen her durchaus ähnlich gelagert sind, zeigen, dass auch das komplette Werk, so wie es existiert, erhalten werden könnte, ohne höhere Kosten zu verursachen.

Für die Fonds Belval KritikerInnen steht fest: „Die augenblickliche Vorgehensweise des Fonds muss kritisch hinterfragt werden und es muss über andere Valorisierungskonzepte nachgedacht werden.“ Deshalb fordert der Méco ein Moratorium für die geplanten Abrissarbeiten. Das weitere Vorgehen soll öffentlich diskutiert und eine entsprechende Debatte in der Chamber eingleitet werden. „Wir haben den Eindruck, hier wollen Leute mit dem Kopf durch die Wand, anstatt einen Moment zu überlegen.“ Zu den Kostenrechnungen des Belval-Fonds müssten Gegenexpertisen erfolgen; unter Federführung der zuständigen Ministerien und unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Kriterien.

Wille der Regierung

Alex Fixmer, Direktor von Fonds Belval, versteht die ganze Aufregung nicht. Die Regierung habe den Fonds Belval mit der Evaluierung von drei Szenarien beauftragt. Die anfangs gebildete Arbeitsgruppe, bestehend aus VertreterInnen von Sites et monuments, dem Historiker Denis Scuto und anderen, habe irgendwann nicht mehr mitgearbeitet. Die Kritik des Alleingangs weist er zurück: Das gewählte Szenario sei Resultat einer Regierungsentscheidung und liege nicht in der Verantwortung des Fonds Belval. „Wir haben die Arbeit gemacht, die von uns verlangt wurde. Wenn die Regierung sagt abreißen, dann reißen wir ab. Wenn die Regierung meint, alles behalten, dann machen wir das“, so Fixmer. „Die Umweltschützer werfen uns Konzeptionslosigkeit vor, dabei sind sie einfach mit der Regierungsentscheidung unzufrieden. Wir können doch nicht die Demokratie bis aufs Äußerste treiben und auch noch den Fischereiclub von Hosingen in dieser Sache um Rat fragen.“ Auch habe der Fonds Belval nicht den Masterplan entworfen, der den Kontext definiere und die Art und Weise der Instandhaltung.

Allgemein könne man sich über den Standard der Erhaltung streiten. „Etwa die Kathedrale in Luxemburg – welcher Zustand soll denkmalschützerisch erhalten werden? Der Zustand vor dem Brand oder danach?“ fragt Fixmer. Es gebe keine Wahrheit in Punkto Denkmalkriterien. „Unser Ziel ist es, den Regierungsauftrag auszuführen, den Schmelzvorgang zu dokumentieren unter der Berücksichtigung, dass das Ganze stadttauglich ist und kein Sicherheitsrisiko für die Leute darstellt“, so Fixmer.

Was die Kostenrechnung des Fonds Belval betrifft, sei nichts „Okkultes“ dran. „Wenn Dinge als nicht transparent erscheinen, dann weil sie nicht verstanden werden“, erklärt der Fonds Belval Direktor. Dabei reiche es nicht aus, die Stätten mit dem Fernglas zu betrachten. Völklingen etwa sei zu 80 Prozent eine Ruine: „Schauen sie sich die Bilanz von Völklingen an, das rechnet sich nicht. Das einzige Stahlmonument, das sich selbst trägt, ist der Eifelturm.“

Auch müsse der Stahl behandelt werden, der Rost sei wie ein Krebsgeschwür. Hochofenerhalt sei kein Romantismus, sondern harte Ingenieurarbeit. Bei Paul Wurth wisse man, wo die Probleme liegen. Beim Fonds würde professionell gearbeitet, dagegen betreibe der Mouvement sein Engagement nur hobbymäßig. Was eine andere Nutzung betrifft, sei der Hochofen in Esch problematisch. „Man kann eben ein Fußballfeld nicht mit einem gepflegten Familiengarten vergleichen“, sagt Fixmer.

Keine Gouvernance

Auch wenn dem Fonds Belval Direktor kaum der Vorwurf gemacht werden kann, nicht offen zu sagen was er denkt, so bleibt das für Luxemburg typische Problem, dass die Rahmenbedingungen zwar einigermaßen demokratisch festgelegt wurden, das harte Tagesgeschäft aber in nur wenigen Händen ruht. Wann und wie darf ein einmal als richtig empfundener Masterplan hinterfragt werden, und wer kontrolliert die einzelnen Sachentscheidungen?

Aber selbst in der Konzeptionsphase fühlten sich Leute wie Denis Scuto oder Vertreter von Site et monuments auf eine Alibifunktion reduziert. Seit Juni 2004 hat es keine Sitzung der Arbeitsgruppe mehr gegeben, seither sind nur mehr Fixmer und die Paul Wurth SA mit ihren Ideen zum Zuge gekommen. Die Regierung hat nach der endgültigen Beratung das Heft ganz abgegeben. Geblieben ist ein einseitig technokratischer Ansatz, Expertise in Sachen Denkmalschutz kommt im inner circle des Fonds Belval kaum vor. ExpertInnen, die von Außen hätten einwirken können, haben sich nach und nach zurückgezogen.

Auch wenn Fixmer persönlich in der Kritik des Méco steht, geht es im Endeffekt um das Resultat. Autonome Fonds, wie der von Belval, sollen dazu dienen, Großprojekte, die sonst im Dickicht der Ministerial-Bürokratie versacken, effizient abzuwickeln. Das entbindet ein solches „établissement public“ allerdings nicht von der Verantwortung, im öffentlichen Interesse zu handeln. Instandsetzungskosten und Sicherheitsaspekte müssen dabei genauso einfließen, wie denkmalschützerische Fragestellungen. Dass die Kritik nur von „hobbymäßig“ agierenden Privatorganisationen kommt, macht das Defizit, das beim Fonds Belval vorherrscht, nur noch deutlicher.

Richard Graf, Christiane Walerich


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