USA: Redefreiheit als Währung

Seit über zwei Jahren können so genannte „Political Action Committees“ im US-Wahlkampf unbegrenzt Geld sammeln um damit zum Beispiel Werbespots zu finanzieren. Das Resultat ist verheerend.

Eines der höchsten Güter der US-Demokratie ist „freedom of speech“, die Redefreiheit. Sie wird mit allen Mitteln verteidigt, auch gegen vermeintliche Zensur aus Washington. Dies hat mitunter bizarre Auswirkungen. So etwa im Jahr 2010, als zwei Lobbyistengruppen die nationale Wahlkommission verklagten. Eine von ihnen, die Gruppe „speechnow.org“, forderte, dass einzelne Personen unbegrenzte Summen für politische Zwecke ausgeben dürfen. Dies gehöre zur Redefreiheit, und wer nicht unbegrenzt spenden dürfe, dem werde ein Grundrecht verweigert. Die Gruppe „Citizens United“ ging sogar noch einen Schritt weiter: Das gleiche gelte auch für Unternehmen, schließlich bestünden auch sie letzten Endes aus Menschen. Beide bekamen Recht, was, nun vereinfacht dargestellt, bedeutet, dass Unternehmen als Menschen angesehen werden und Geld mit Redefreiheit gleichgestellt wird. So entstand ein Schlupfloch, welches die US-Politik nachhaltig verändert hat.

Zwar dürfen die Kandidaten persönlich noch immer keine unbegrenzten Spenden annehmen. Für formal unabhängige Organisationen wie die „Political Action Committees“, wegen ihrer monetären Schlagkraft kurz „Super-Pacs“ genannt, ist dies jedoch vollkommen legal. Seither haben die Organisationen mit klangvollen Namen wie „Make Us Great Again“ oder „Restore our future“ schwindelerregende Summen für den Wahlkampf ausgegeben. Bereits jetzt haben sie über 240 Millionen Dollar gesammelt – und die Wahlen sind erst im November. Einer rezenten Schätzung zufolge könnten allein die republikanischen „Political Action Committees“ bis zum Wahltag eine Milliarde Dollar ausgeben.

Dabei müssen die Namen der Spender nicht einmal offengelegt werden, denn auch hier gibt es so manche gesetzlichen Schlupflöcher. Einige Super-Pacs veröffentlichen zwar die Namen der Geber, viele jedoch erst nach vier Monaten und andere überhaupt nicht. Der Ursprung des Geldes ist also in vielen Fällen nur schwer zurückzuverfolgen. So erhielt „Restore Our Future“, welches den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney unterstützt, Spenden in Höhe von drei Millionen Dollar von dubiosen Briefkastenfirmen, die nur zu diesem Zweck gegründet und kurz nach der Überweisung wieder aufgelöst wurden.

Die einzige wirkliche Auflage der Super-Pacs besteht darin, sich nicht mit den Kandidaten abzustimmen. Doch in der Realität besteht auch diese Regel nur pro forma: Jeder Kandidat hat sein eigenes Super-Pac, das ihn unterstützt und meist von engen Vertrauten und Weggefährten geleitet wird. Rechtlich gesehen sind die Kandidaten für dessen Aktionen daher nicht verantwortlich, was die ohnehin sehr lockeren Regeln im US-Wahlkampf noch weiter aufweicht.

Bis zum Tag der Präsidentenwahlen werden die „Super-Pacs“ geschätzt eine Milliarde Dollar ausgegeben haben.

Mitt Romneys „Restore Our Future“ zum Beispiel verbreitete Lügen über seinen innerparteilichen Konkurrenten Rick Santorum. Als dieser ihn dann in einer Fernsehdebatte zur Rede stellte, meinte Romney schlicht: „Ich habe diese Werbung nicht bestellt. Wie Sie wissen, ist es Kandidaten untersagt sich mit einem Super-Pac zu verständigen“. Überhaupt fließt das meiste Geld nicht in Werbung, die versucht, den favorisierten Kandidaten positiv darzustellen. Stattdessen werden fast ausschließlich so genannte „Attack Ads“ finanziert, um die Konkurrenz mit Dreck zu bewerfen: „Restore Our Future“ gab bislang 88 Prozent seines Geldes für negative Werbung aus, Barack Obamas „Priorities USA Action“ gar 100 Prozent.

In den USA ist die neue Regelung heftig umstritten. So weigerte sich beispielsweise der nordwestliche Bundesstaat Montana sie umzusetzen. Bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hatte der Staat, der reich an Bodenschätzen und arm an Einwohnern ist, große Korruptionsprobleme aufgrund des übermäßigen Einflusses der damaligen Kupfer-Barone gehabt. Durch die neue Regelung fühlt man sich dort nun um ein Jahrhundert zurückversetzt.

Montanas Weigerung wurde von 22 Bundesstaaten, sowie dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten von 2008, John McCain, unterstützt ? vergeblich. Ende Juni erklärte der Supreme Court der Vereinigten Staaten Montanas restriktives Wahlspendengesetz für verfassungswidrig. „Das oberste Gericht hat das Gesetz unseres Bundesstaates blockiert, weil sie sagen, Unternehmen seien Menschen“, so der Gouverneur des Staates, Brian Schweitzer. „Das glaube ich erst, wenn man in Texas eines zum Tode verurteilt“. Was kafkaesk klingt, ist in Wirklichkeit bitterer Ernst: Der Verein „Common Cause“ fordert deshalb eine Verfassungsänderung, die festlegt „wer Menschen sind (Menschen) und wer keine Menschen sind (Unternehmen)“.

Um seinen Zuschauern die Absurdität der Super-Pacs vor Augen zu führen, gründete der Late-Night Komiker Stephen Colbert kurzerhand sein eigenes „Pac“. Als er dann auch noch ins Präsidentschaftsrennen einsteigen wollte, überschrieb er seine Organisation einfach einem anderen Komiker – denn Kandidaten dürfen ja offiziell nichts mit Super-Pacs zu tun haben. Eine Unterschrift genügte, und der Name wurde umgeändert. Er lautete nun: „Das definitiv nicht mit Stephen Colbert koordinierende Super-Pac“.


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