ARBEIT: Auf Kurs bringen

Eine ganze Reihe von Organisationen bemüht sich in Luxemburg um die Wiedereingliederung von Arbeitslosen ins Berufsleben. Naxi ist eine von ihnen.

Das neue Gebäude von Naxi in Mamer bietet mehr Platz für neue Aktivitäten.

Im Juli waren 14.470 Menschen in Luxemburg bei der „Administration de l’emploi“ (Adem) als arbeitslos gemeldet, rund 1.260 mehr als noch vor einem Jahr. Die Arbeitsvermittlung steht vor großen Herausforderungen, da auch die beruflichen Qualifizierungen der Menschen längst nicht mehr geradlinig sind und häufig den Anforderungen der Wirtschaft nicht genügen. Es ist völlig normal geworden, dass jemand im Laufe seines Lebens mehrmals den Arbeitgeber oder sogar den Beruf wechselt – mit allen Chancen und Risiken, die damit verbunden sind.

Um Arbeitslose bei der Suche nach einer Anstellung zu begleiten, haben sich seit den 1980er Jahren die verschiedensten „Centres de réinser-tion“ außerhalb der Adem gebildet. Sie erfüllen eine wichtige Funktion im Bereich der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben, da sie im allgemeinen besser auf die einzelne Person und ihre Kompetenzen eingehen können. So auch Naxi.

Zu Besuch im „Atelier de lavage et de repassage“, das die Organisa-tion in einem ausladenden Industriegebäude am Rande von Mamer betreibt. Ein leises Zischen ist zu hören, wenn die Dampfbügeleisen über die aufgespannten Wäschestücke gleiten; im Hintergrund läuft ein Radio. Rund ein halbes Dutzend Frauen stehen in den weiten Räumen hinter den Bügeltischen. Es riecht nicht nur nach Waschmittel, sondern auch nach Farbe, und eine Reihe Waschmaschinen stehen noch unausgepackt in ihren Kartons da. Denn erst vor rund einer Woche sind die Weiterbildungskurse von „Naxi“, dem „Centre de formation et d’insertion professionnelle pour femmes“, einer Zweigstelle von „Femmes en détresse“, aus einem verwinkelten Einfamilienhaus in Luxemburg-Stadt hierher verlegt worden.

Das orangene Gebäude ist nicht zu übersehen; auch wenn per Bus nun schwieriger als vorher zu erreichen, so bietet es dennoch mehr Platz.

Schon Anfang der 1990er Jahren konnte „Femmes en détresse“ im Rahmen des EU-Programms „New Opportunities for Women“ (NOW) die Naxi-Ateliers gründen, die sich seither bemühen, Frauen, die bei der Adem unter einer „affectation temporaire indemnisée“ registriert sind, wieder zu einer regulären bezahlten Beschäftigung zu verhelfen.

Zu Beginn bestand Naxi vor allem aus einem Nähatelier, das jedoch keine berufsspezischen Zertifikate ausstellen konnte. „Wir hatten viele Kunden, die ihre Kleidungsstücke in die Umänderung gaben. Das Projekt scheiterte jedoch daran, dass es ohne Diplom schwierig ist, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt zu behaupten – selbst wenn die Betreffenden sehr gut schneidern können“, so Anne Pirsch, Verantwortliche des neuen „Atelier de lavage et de repassage“. Das sei denn auch der Grund für die Entscheidung gewesen, eher in Richtung Wäscherei zu gehen. Denn hier gibt es kein vorgeschriebenes Berufsbild.

Die Ausbildung im Wäscheate-lier soll den Frauen helfen, später in privaten Haushalten tätig zu werden – weshalb in der Praxis der Großteil der Arbeit nach wie vor manuell geleistet wird. Die Ausbildung selbst besteht insgesamt aus drei Teilen: Da die meisten Frauen halbtags kommen, wird an drei Tagen gebügelt, gewaschen und sortiert, an einem anderen Tag wird genäht und an einem weiteren finden theoretische Weiterbildungskurse im Bereich der sozialen Kompetenzen statt. Thematisiert werden dort Schwerpunkte der Arbeitssuche, also zum Beispiel die Vorstellungsgespräche und die Gesundheit am Arbeitsplatz.

Bis zu einem Jahr dauert diese Ausbildung und ist verlängerbar, wenn eine Festanstellung in naher Zukunft in Aussicht steht oder eine Person erkrankt war. „Aber wir wollen schon den Druck aufrechterhalten, dass sich die Frauen nicht im Wäscheatelier einrichten. Es ist nur eine Zwischenetappe“, meint die junge Verantwortliche.

Ohne Diplom – keine Zukunft

Im Moment arbeiten 11 Frauen dort. Die zu verarbeitende Wäsche kommt aus verschiedenen Altersheimen und von Privatleuten. Einmal pro Woche wird sie dort mit einem Kleinlaster abgeholt. „Bei den Heimen wird der Preis nach dem Gewicht und bei den Privatpersonen nach der Zahl der einzelnen Kleidungsstücke berechnet“, erklärt Pirsch. Penibel wird auf einem Bestellschein notiert, welche Kleidungsstücke zu welcher Person gehören, die einzelnen Etiketten der Kleider werden mit Namenskürzeln versehen, bevor sie dann nach Farbe und Stoffbeschaffenheit sortiert werden. Große dreisprachige Hinweisschilder – zur Sicherheit noch mit Bild versehen – sollen den Frauen, die oft unterschiedlichster Herkunft sind, das Sortieren der einzelnen Kleidungsstücke vor dem Waschen erleichtern. Die vier Waschmaschinen rotieren rund um die Uhr. Nach den Trocknern lernen die Frauen den sachgemäßen Gebrauch des Bügeleisens, bevor die Wäsche in Regalen, die Namen und Zimmernummern tragen, den einzelnen Personen zugeordnet werden und zur Auslieferung kommen. Die Einnahmen des Wäscheateliers kommen der Finanzierung des gesamten Projektes zugute.

„Während der ganzen Ausbildung werden die Kandidatinnen zudem von einem sozial-pädagogischen Dienst begleitet, der die persönliche und familiäre Situation berücksichtigt und den einzelnen helfen soll, ein realistisches Berufsprojekt zu entwickeln“, so Pirsch. Der Vorteil von Naxi sei, dass flexibler auf den einzelnen Klienten eingegangen werden könne – anders als bei der Adem oder dem Service national d`action sociale (SNAS), wo ein Berater oft viele Klienten zu betreuen habe.

Im Durchschnitt ist die Anzahl der Teilnehmerinnen in den Naxi-Ateliers auf 14 Personen beschränkt. Diese soll auch nicht wesentlich erhöht werden, da es erforderlich sei, ein gewisses Qualitätsniveau der Arbeit garantieren zu können. „Häufig haben Interessenten, die über die Adem oder anderen Sozialdienste hierher vermittelt werden, mehrere Probleme gleichzeitig. Zum Teil müssen sie erst wieder lernen, regelmäßig aufzustehen. Darauf kann die Adem kaum eingehen“, so Pirsch.

Rund 90 Frauen durchlaufen pro Jahr die verschiedenen Naxi-Ateliers.

Das Angebot von Naxi ist breit gefächert. Zum einen gibt es die längerfristigen Projekte, wie das „Atelier de lavage et de repassage“ und den „Service cuisine et service à table“ im Ellergronn. Daneben wird die „Assistance aux personnes“ angeboten, eine Weiterbildung, die einmal auf Französisch und einmal auf Luxemburgisch durchgeführt wird und die dazu befähigen soll, später als „auxiliaire de vie“ bei der Kinderbetreuung, bei älteren Personen oder Menschen mit einer Behinderung zu arbeiten. Projekte wie „Meine berufliche Zukunft“ oder „Le projet professionel“ sollen Frauen aus den unterschiedlichsten Bildungsschichten helfen, ihre Kompetenzen zu erkennen. „Rebondir“ wendet sich dagegen an Frauen, die unter physischen Problemen leiden. „Viele benötigen infolge von Krankheit oder negativen Erlebnissen in der Arbeitswelt eine intensive Hilfe, um wieder auf die Beine zu kommen. Zum Teil besteht dann vordringliche Aufgabe darin, die Gewinnung von Selbstvertrauen im Hinblick auf eine bestimmte Arbeit zu unterstützen“, so Lydie Goergen von Naxi, die unter anderem Kurse in „Sophrologie“, einer Yoga-ähnlichen Entspannungstechnik, anbietet.

Während es sich früher in den Weiterbildungen insbesondere um Frauen handelte, die nach einer Scheidung einen beruflichen Wiedereinstieg wagen wollten, sind es heute junge Uniabgängerinnen, die nicht wissen, wohin sie sich orientieren sollen. Andere stammen aus den ehemaligen Ostblockländern und haben zum Teil Hochschulabschlüsse, die jedoch in Luxemburg nicht anerkannt sind. Manche Frauen haben Suchtprobleme.

Viele Frauen melden sich auf direktem Wege bei Naxi. Das Angebot ist immer freiwillig, niemand wird gezwungen, auch wenn die Vermittlung zum Teil über die Adem erfolgt, die eine Informationsversammlung mit anschließenden Vorstellungsgesprächen veranstaltet.

Coaching und Empowerment

Coaching, Neuorientierung und Empowerment spielen eine große Rolle bei dem Ganzen. „Welche Kompetenzen werden von einem Arbeitnehmer verlangt? Es geht darum, sich und den Markt besser kennenzulernen“, meint Goergen. Wir erstellen mit den Frauen ihren Lebenslauf und verfassen ein Motivationsschreiben. „Viele gehen davon aus, dass sie in ihr Curriculum nur schreiben können, was sie beruflich gemacht haben. Wenn sie jedoch nebenher ihre Eltern gepflegt haben, schreiben sie das nicht hinein“, so Goergen.

Die Kurse sind nicht nur theoretisch orientiert, die Frauen werden auch angehalten, Praktika zu absolvieren. „Die Autonomie der Frauen wird bei uns sehr groß geschrieben. Es ist ihre eigene Aufgabe, sich einen Praktikumsplatz zu suchen“, betont Anne Collazo von Naxi. Durch die Praktika würden die Frauen oft einen Beruf entdecken, den sie gerne ausüben wollen, und eine Reihe von ihnen habe am Ende auch eine Festanstellung gefunden – so konnten erst kürzlich 10 von 14 Teilnehmerinnen an einem Weiterbildungskurs auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.

Hat die Adem also versagt, zeigen diese anderen Initiativen, dass es anderer Verfahren bedarf, um die Unvereinbarkeiten zwischen dem ersten Arbeitsmarkt und den Lebensläufen der Arbeitssuchenden auszugleichen?

Schuldzuweisungen, so Collazo, führten zu nichts. Viel wichtiger sei der Dialog mit den Arbeitgebern, um die Entwicklungen des Arbeitsmarktes voraussehen und auf sie reagieren zu können. Und: „Es kommt vor allem darauf an, Vernetzungen zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern herzustellen und die Zusammenarbeit zwischen der Adem und den einzelnen Dienstleistern zu intensivieren“, betont auch Virginie Coll, Vorsitzende von Naxi.

Das „lifelong learning“ müsse verstärkt gefördert werden, ein einmal erworbenes Diplom reiche heute nicht mehr aus. „Zudem ist das System teilweise zu rigide. Viele haben sich Kompetenzen angeeignet, die nicht durch ein offizielles Dokument beglaubigt wurden. Hier sei ein Umdenken auch bei den Arbeitgebern erforderlich“, betont Collazo.

Die Adem jedenfalls steckt Mitten in der Umstrukturierung nachdem am 15. Dezember 2011 ein diesbezügliches Gesetz vom Parlament verabschiedet worden war.

„Europaweit stellen die Arbeitsagenturen fest, dass es vor allem die kurzen Weiterbildungen sind, die die Betroffenen schnell wieder in Arbeit bringen“, stellt Ginette Jones fest. Nach der laufenden – auch personellen – Umstrukturierung der Adem gehört Jones ab September zu den ehemaligen Beauftragten des „Département des besoins spécifiques“, zuständig für die Weiterbildungen. Dänemark gelte hier als beispielhaft: Dort sei es normal, dass die Menschen öfters ihre Arbeit wechseln. Die Betroffenen seien nicht lange arbeitslos, da sie insgesamt viele Weiterbildungen wahrnehmen. „In Luxemburg gilt es dagegen als persönlicher Mißerfolg, seine Arbeit zu verlieren“, so Jones. Die Rolle der Adem ist eine andere als die des nationalen Erziehungsministeriums, das Initialausbildungen bereitstelle. Die Adem biete Weiterbildungen vor allem im Rahmen der „réinsertion professionelle“ an. „Unsere Rolle ist, Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt aufeinander abzustimmen“, so Jones.

Reform mit neuem Ansatz?

Intern bietet die Adem Workshops zum Beispiel zum Erstellen des Lebenslaufs oder Motivationstraining an. „Das reicht manchmal schon als Hilfestellung. Letztlich hängt es vom Profil des Arbeitssuchenden ab, ob eine Weiterbildung nützlich ist“, erklärt Jones. Viele Arbeitnehmer würden auch an das „Centre national de formation professionnelle continue“ (CNFPC) verwiesen. „Ich hoffe, dass die Reform, so wie wir sie ausgearbeitet haben, schnell umgesetzt werden kann“, meint Jones. Ab Herbst soll eine neue Anleitung für die Arbeitsberater helfen, die Herangehensweise der Arbeitsvermittlung besser zu strukturieren. Zudem ist auch geplant, eine neue Beratungskommission einzurichen, die Empfehlungen zu den von der Adem angebotenen Weiterbildungen abgeben soll. „Dann wäre es auch sinnvoll, die bestehenden Weiterbildungen zu evaluieren“, so Jones. Insgesamt stelle sich die Frage, ob die Adem sich zukünftig nicht wieder verstärkt auf ihre ursprüngliche Rolle als Arbeitsagentur konzentrieren und das „lifelong learning“ an anderer Stelle gezielter angeboten werden sollte.

Jedenfalls erfordern die raschen technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen eine dauerhafte Anpassung und ein ständiges Weiterlernen. Weder die private noch die berufliche Zukunft lassen sich langfristig bis ins Detail planen. Manchmal entscheidet man sich selbst für einen anderen Weg, manchmal wird man gezwungen, sich neu zu orientieren oder sich beruflich weiter zu entwickeln. Damit das gelingt, ist nicht nur eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren gefordert, sondern es dürfen auch die „Problemfälle“ nicht aus dem Erwerbsleben gedrängt werden. Auch für Weiterbildungen und Umschulungsmöglichkeiten müssen zukünftig umfangreichere Mittel zur Verfügung stehen – was bisher längst nicht der Fall ist. Denn schließlich ist die berufliche Qualifizierung das wichtigste Element bei der Bemühung, Arbeitslosigkeit überhaupt zu vermeiden.

Mehr Infos unter: http://www.fed.lu/naxi/


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