BUDGET 2013: Not macht nicht erfinderisch

Gemessen an den selbstgestellten Ansprüchen ist Luc Friedens Haushaltsvorlage alles andere als ein großer Wurf. Trotz Sparmaßnahmen steigt die Staatsverschuldung um ein Fünftel an; der für 2014 anvisierte Ausgleich des Staatshaushalts wird aufgegeben.

Die Piraten setzen online, was der Minister kaum in Worte fassen konnte: In ihrer grafischen Darstellung lässt sich schnell erkennen, wo das meiste Geld hingeht. Ein besonderes Rezept, wie das 1,5 Milliarden Loch zu stopfen wäre, bietet ihr importiertes Tool allerdings nicht.

Es ist ein eingespieltes Verfahren: Kurz vor Anfang der Chambersession reicht der Budgetminister in der Abgeordnetenkammer seinen Haushaltsvorschlag ein. Da es sich um das „wichtigste Gesetz“ handelt, zu dem die Angeordneten jedes Jahr mehrheitlich ihre Zustimmung geben müssen, findet die Übergabe im Rahmen einer im wahrsten Sinne öffentlichen Sitzung statt: Im Plenarsaal sitzen nicht nur viele Abgeordnete; die Presse und die „forces vives de la nation“ sind ebenfalls geladen. Auch eine möglichst große Delegation der Regierung ist zugegen – darunter zumeist der Premier. Nachdem der Chamberpräsident im Blitzlichtgewitter das telefonbuchstarke Dokument entgegengenommen hat, reicht er es an den Vorsitzenden der Finanzkommission weiter, der es wiederum dem einige Woche vorher designierten Budgetberichterstatter übergibt. Danach lauscht die versammelte Schar einem detaillierten Exposé des zuständigen Ministers. Es folgt ein Frage- und Antwortspiel der Anwesenden.

Formal lief auch bei der diesjährigen Budgetvorstellung alles in großen Zügen wie beschrieben ab. Aber etwas war am vergangenen Dienstag anders: Der Regierungschef glänzte durch Abwesenheit. Das wäre an sich noch nichts, was stutzig machen müsste. Angesichts der Spannung jedoch, mit der das vorletzte Budget der aktuellen Koalition erwartet wurde, hatten wohl alle mit seiner Präsenz und dem einen oder anderen Kommentar gerechnet.

Und auch die Dramaturgie der Präsentation war nicht so, wie viele erwartet hatten. Budgetminister Luc Frieden befand nach gut 20 Minuten Redezeit, dass er jetzt genug gesprochen habe und die Aufnahmefähigkeit der Anwesenden für Zahlen erschöpft sei. Die verblüffte Zuhörerschaft wurde auf dem linken Fuß erwischt und verpasste so auch noch den Einstieg in die Fragerunde. Nachdem der Chamberpräsident sich mit der Bitte nach Fragen an den Saal gewandt hatte und nicht, wie sonst, binnen Sekunden ein halbes Dutzend Hände in die Luft geschnellt waren, erklärte er die Sitzung auch schon für beendet. Es dürfte die wohl kürzeste Budgetvorstellung in der Geschichte unseres Landes gewesen sein.

Es dauerte dann noch einige Minuten, bis die Meute der Abgeordneten, Verbandsvertreter und Journalisten die Kernaussage des lediglich mündlich vorgetragenen Exposés voll begriffen hatten. Hatte man richtig gehört: Wir sparen, und trotzdem steigt die Staatsverschuldung auf 11,8 Milliarden, also 25 Prozent des BIP, an?

Wolter poltert

Ausgerechnet dem CSV-Präsidenten Michel Wolter, der auch Vorsitzender der Finanzkommission ist und noch wenige Minuten zuvor sein breitestes Lächeln aufgesetzt hatte um mediengerecht das dieses Jahr grün gehaltene Budgetdokument weiterzureichen, platzte der Kragen. In die laufenden RTL-Kameras hinein gab er seinem Unmut Luft: „Ich erhalte heute, genau wie Sie, zum ersten Mal von diesem Budget Kenntnis, und ich muss feststellen, dass die Regierung sich vom Ziel des Haushaltsausgleichs im Jahre 2014 verabschiedet. Das entspricht nicht dem, was die Koalition sich vorgenommen hatte.“

Sollte die Intransparenz dieser Regierung tatsächlich so groß sein, dass nicht einmal der Vorsitzende der größten Regierungspartei, der zudem noch die Finanzkommission leitet, im Vorfeld eingeweiht wurde? Oder hat sich Wolter so weit vom Mainstream seiner Partei entfernt, dass man ihn bewusst übergeht? Am Mittwoch hielt sich über mehrere Stunden das Gerücht, Premier Juncker habe wegen der scharfen Attacken aus den eigenen Reihen Wolter und alle CSV-Minister kurzfristig in sein Büro bestellt. Dass eine Sitzung stattfand, wird zwar nicht dementiert, doch soll es dabei nicht um das Budget gegangen sein. Genaueres will Juncker nach dem Regierungsrat am Freitag bekanntgeben.

Frieden spricht derweil von einem Kompromiss-Haushalt. Die wirtschaftliche Lage habe sich 2012 noch schlechter entwickelt als erwartet. Das Sparpaket, das er mit seinen Ministerkollegen geschnürt hat, reiche zwar nicht aus, um das Defizit nominal zu senken, doch würde dieses ohne die Sparmaßnahmen noch weitaus höher anfallen. So verwundert es nicht, dass sowohl die Befürworter als auch die Gegner einer von oben dekretierten Verschuldungsbremse sich unzufrieden zeigen.

Hinsichtlich der Sparmaßnahmen, von denen Frieden die wichtigsten in seiner kurzen, monotonen Rede nur einfach aufgelistet und in ihrer Gesamtwirkung dargestellt hat, bleiben viele Fragen offen. Es handelt sich um zahlreiche Einzelmaßnahmen, denen aber teilweise auch großer Symbolwert zukommt und von denen manche geeignet sind, die bisherige Politik dieser Regierung in Frage zu stellen.

Im Bereich der Verkehrspolitik zum Beispiel. Die Prämien für die Anschaffung besonders sparsamer Autos und Dieselpartikelfilter werden abgeschafft. Lediglich die Bezuschussung für reine Elektromobile wird beibehalten. Damit sollen 17 Millionen Euro eingespart werden. Auch wenn aus ökologischer Sicht die bisherige Vergabepraxis durchaus Fragen aufgeworfen hat, sind die neuen Regelungen nicht weniger bedenklich. Die abrupte Abschaffung der Prämie zum 31.12. wird nicht nur zu einem Nachfragestau am Ende dieses Jahres führen, sondern jene Händler und Marken, die bewusst auf die Sparsamkeitsschiene gesetzt haben, vor einige Probleme stellen. Die Fixierung auf Elektrofahrzeuge läuft auch den Erkenntnissen etwa des Verkehrsclubs Deutschland zuwider, wonach es derzeit wichtiger ist, den traditionellen Fuhrpark auf kleine Verbräuche hin zu trimmen.

Die von vielen Umweltschützern seit jeher bekämpfte Kilometerpauschale für den Weg zum Arbeitsplatz wird gekürzt: Ab 2013 gilt sie erst ab dem fünften Kilometer. Selbst dieser bescheidene Eingriff soll rund 35 Millionen einbringen. Doch dürfte das damit gesetzte Signal die bisher verfolgte Politik ad absurdum führen: Jene Steuerzahler, die sich ganz IVL-konform nahe an ihren Arbeitsplatz angesiedelt haben, werden bestraft, der zersiedlungsfördernde Charakter der Pauschale aber bleibt. Als Abschlag zum zu versteuernden Einkommen ist sie zudem bekanntermaßen unsozial. Doch von sozialer Selektivität spricht in Sachen Steuerabschläge sowieso niemand.

Dass zudem der öffentliche Transport verteuert wird, macht deutlich, wie ziellos die Sparpolitik der Regierung angelegt ist. Es ist noch nicht lange her, dass angesichts der von Pendlern verstopften Straßen von Nulltarif gesprochen wurde. Selbst der Premier hatte diesen Trumpf ausgespielt, als er den Gewerkschaften ein Herausnehmen der Ölprodukte aus dem Indexwarenkorb abringen wollte. Jetzt stehen den Trägern der verschiedenen Verkehrsbetriebe zähe Verhandlungen bevor, da es ja in Luxemburg einen Einheitstarif gibt, der den unterschiedlichen Strategien der lokalen Systeme gerecht werden muss. Überhöhte Einzelfahrscheine für Kurzstrecken können aber ebenso Gift sein wie eine spürbare Anhebung der Pendlerabonnements. Den Umstieg fördern – das war ja einmal das Ziel dieser Regierung – werden die eingesparten 6 Millionen jedenfalls nicht.

Als schmerzhaft wird die CSV-Wahlklientel wohl die teilweise Abschaffung der Mammerent empfinden. Frauen, die eine eigene volle Rente beziehen, werden vom Kreis der Begünstigten ausgeschlossen. Allerdings gilt diese Maßnahme nicht rückwirkend, sodass das Geld allen, denen die Erziehungspauschale bislang bewilligt wurde, erhalten bleibt. Am Ende behalten dennoch die Ultras der Mammerent-Idee Recht: Ursprünglich sollte diese Entschädigung ausschließlich an „Hausfrauen“ ausgezahlt werden, dass auch berufstätige Frauen davon profitieren können, musste seinerzeit dem Koalitionspartner zugestanden werden. Der Spar-effekt bleibt mit 7 Millionen ebenfalls bescheiden.

Bettel wird übel

Eine einzige, dafür umso heftigere Reaktion erhielt Frieden auf seine Ankündigung, künftig die Gemeinden in seine Sparbemühungen einzubeziehen. Vom Staat kofinanzierte Investitionsvorhaben, wie Schul- oder Freizeitkomplexe, sollen nicht mehr automatisch vom Staat mit dem gesetzlich vorgesehenen Maximum bezuschusst werden, sondern nur noch mit dem Betrag, den die jeweilige Gemeinde nicht selber aufbringen kann. „Déguelasse“ entfuhr es dabei unüberhörbar Stadtbürgermeister
Xavier Bettel. Später erläuterte er seine Gemütsstimmung: Kommunen, die in der Vergangenheit ihre Finanzen in Ordnung gehalten haben, würden hierdurch bestraft, während die hochverschuldeten Gemeinden mit ihren „Prunkbauten“ sich auch weiterhin der staatlichen Förderung erfreuen dürften.

Bei vielen Sparvorschlägen aus Friedens Paket fällt auf, dass sie eher vage formuliert sind. Es ist ein bekannter Effekt der Budgetprozedur: in kurzen, energisch durchgezogenen Sitzungen werden die Ressortchefs zu prinzipiellen Einsparungen gezwungen, doch deren Ausführung trifft später auf große Schwierigkeiten. Nicht selten erweisen sie sich im Nachhinein als Fehlgriff, weil sie entweder nicht realisierbar sind oder ganz ohne den erhofften Effekt verpuffen.

Auf der Einnahmeseite sind es vor allem die üblichen schrittweise Erhöhungen der Akzisen und erstmals eine Mindestbesteuerung für Betriebe, die etwas Geld einbringen sollen. Die Erhöhung der Betriebssteuern hilft allerdings nicht über die Tatsache hinweg, dass der Anteil der Betriebe am Steueraufkommen im Vergleich zu den Privathaushalten auch 2013 rückläufig sein wird.

So blass die Vorstellung des Budgets war, so spannend dürften jetzt die Debatten über den Haushalt werden, bei der die Positionen des Berichterstatters Lucien Lux, der ja auch die LSAP-Fraktion führt, und dem Ausschussvorsitzenden Michel Wolter wohl weiter auseinanderliegen dürften als zu diesem oder jenem Oppositionsvertreter. Eine neue Koalition wird uns der Premier am heutigen Freitag trotzdem nicht zu verkünden haben.


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