DONATO ROTUNNO: Unsere Sache

Donato Rotunnos Dokumentarfilm „Terra Mia Terra Nostra“ ist ein Denkmal für die zerrissenen Biographien italienischer Auswandererfamilien. Obwohl der Fokus auf Rotunnos eigener Familie liegt, zeigt der Film doch den Widerstreit im Leben eines jeden Emigranten: Die notwendige und gewollte Adaptation an das neue Umfeld und die Verbundenheit mit den Wurzeln.

Wo liegt die Heimat, wenn man über ganz Europa verwurzelt ist ?

Wie definiert sich jemand, der in Luxemburg geboren ist und dort aufwächst, dessen Familie aber aus Italien kommt? Ist er Italiener oder Luxemburger? Italo-Luxemburger? Dieser Frage geht Donato Rotunno in seinem zweiteiligen Film nach. Im ersten Teil, der bereits 1998 entstand, nimmt er den Zuschauer mit auf die Hochzeit seiner Cousine im Heimatdorf seiner Eltern, Montemilone in der süditalienischen Basilicata. Es geht aber um mehr, als einen Einblick in die Familiengeschichte des Regisseurs zu geben: Rotunno konfrontiert seine Verwandten, die „Luxemburger“ sowohl wie die „Dortgebliebenen“, mit der Frage nach ihrer Zugehörigkeit. Der zweite Teil spielt 14 Jahre später und ist noch intimer. Rotunnos Kinder kommen zu Wort, Italo-Belgo-Europäer. Sie sind den Ursprüngen noch weiter entfremdet, sind die nächste Generation, die, die eine eigene Tradition aufbauen wird. Wiederum steht eine Hochzeit in der Heimat an, doch Rotunnos Vater wird nicht reisen können, seine Gesundheit lässt es nicht zu. Rotunno findet ein gealtertes Dorf vor. Ein weiteres Familienfest, diesmal in Luxemburg, bringt die Familie noch einmal zusammen – ein freudiger Moment, der dennoch geprägt ist von Trauer und Sehnsucht.

Auch wenn Rotunno in diesem Film seinen ganz persönlichen Migrationshintergrund porträtiert, so erkennt doch jeder, der eine ähnliche Biographie hat, das Setting wieder. Im Zentrum steht immer ein Familienfest als statuierendes Moment, ein Fest des Wiedersehens, bei dem man die Zukunft, aber auch die Vergangenheit der Familie zelebriert. Das Dorf wiederum wird zum mythischen Ort, den das Immigrantenkind aus Erzählungen und den paar Urlaubswochen im Sommer kennt. Die Wiederkehr und das Wiedersehen führen unvermeidlich zu einer Konfrontation der Kulturen. Auch bei den Dortgebliebenen stehen die Traditionsbewussten, die aus Überzeugung bleiben, denen gegenüber, die wegwollen. Diese fühlen sich gefangen in einer archaischen Gesellschaft, die ihnen, trostlos, wie sie ist, nur Perspektivlosigkeit zu bieten hat. Der Emigrant wiederum steht immer etwas abseits, bleibt ein Fremder in beiden Welten. Die Frage nach der eigenen Identität ist elementar und führt zur Infragestellung der Wurzeln. Man wird in einem Land geboren, wächst dort auf, und doch schlägt das Herz für die Squadra Azzura, das kulinarische Erbe und la famiglia. Die Sprache ist natürlich ein inhärentes Element der Identitätsfindung und stellt die kulturelle Chimäre vor das große Dilemma, sich zu einer Muttersprache bekennen zu müssen.

Rotunnos Film ist für Luxemburger mit Migrationshintergrund ein bewegendes Spiegelbild ihrer eigenen Identitätssuche und des Konflikts von Herkunft und Zukunft. Für jeden anderen Luxemburger bietet er die Möglichkeit, einmal über den Tellerrand der Pasta beim Lieblingsitaliener hinauszublicken. Pathos und Emotionalität mögen den Film prägen aber Familiengeschichten sind immer auch traurige Erzählungen von Abschied, von Entwurzelung und neuer Suche. Es bleibt die Erkenntnis, dass niemand seine Wurzeln verleugnen kann und dass „Zugehörigkeit“ eine Frage ist, die durch keinen Personalausweis erschöpfend beantwortet wird.

Im Utopia.


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