STEVEN SPIELBERG: Forever free

„Lincoln“, der neue Film von Steven Spielberg mit einem eindrucksvollen Daniel Day-Lewis als Präsident Abraham Lincoln, zeigt die junge amerikanische Nation auf ihrem beschwerlichen und nicht immer demokratischen Weg zur Abschaffung der Sklaverei.

Lincoln muss die Demokraten mit allen Mitteln dazu überreden die Sklaverei aufzugeben.

Die Vereinigten Staaten im Jahre 1865 sind gespalten; seit vier Jahren bekämpfen sich im Sezessionskrieg die Nordstaaten und die Konföderierten in einem erbitterten Brüderkrieg. Präsident Abraham Lincoln, der einige Wochen zuvor wiedergewählt worden ist, will den Frieden. Er möchte aber auch einen entscheidenden Zusatz in die Verfassung der Vereinigten Staaten einbringen, den das südliche Lager jedoch niemals ratifizieren würde: das verfassungsrechtliche Verbot der Sklaverei. Mit der „Emancipation Proclamation“ hat er bereits die Befreiung der Sklaven verfügt, auf dass diese „fortan und für immer frei“ seien. Der Republikaner Lincoln weiß, dass er die nötige Zweidrittel-Mehrheit im Repräsentantenhaus nicht erreichen wird. Er muss mindestens 20 Demokraten dazu bringen, ebenfalls für den Zusatz zu stimmen. Ein Team wird nun ausgeschickt, um eventuelle Kandidaten mit der Versprechung lukrativer Posten zu locken – Bestechung hat nun mal eine lange Tradition in der Politik. Doch Lincoln geht noch weiter: Er unterbindet Friedensverhandlungen mit Vertretern der Südstaaten, um die Demokraten nicht endgültig gegen sich aufzubringen.

Ein Präsident, den höhere Motive bewegen, der das öffentliche Wohl im Auge hat, muss also manchmal schmutzige Wege gehen, um hehre Ziele zu erreichen? Viele Kritiker legten das Hauptaugenmerk auf diese Aussage des Films und sahen in ihr Parallelen zu Barack Obamas Politik. Ob solche wirklich intendiert sind, sei dahingestellt – Tatsache ist, dass der Blick, den Spielberg auf Lincolns Politik wirft, ein kritischer ist. Die Dramaturgie des Films zeigt, dass der Regisseur diese Sichtweise bewusst gewählt hat und den Zuschauer ebenfalls zu ihr anregen möchte. Dabei spielt Daniel Day-Lewis natürlich eine entscheidende Rolle. Der Schauspieler ist bekannt dafür, sich gründlich auf seine Rollen vorzubereiten, und so präsentiert er einen vielschichtig ausgeformten Charakter: Einen sympathischen, aber zur Durchsetzung entschlossenen Präsidenten; einen Zauderer in den Augen seiner Gegner, einen reflektierten Taktierer in der Wahrnehmung seiner Freunde.

Problematisch an dem Film ist jedoch die Darstellung der Afro-Amerikaner, oder besser gesagt, das Fehlen einer wirklichen Darstellung. Abgesehen von einigen Standfiguren – des tapferen, staatstreuen Soldaten oder der stillen, treusorgenden Haushälterin – und eines überraschenden Auftritts am Ende, wird die Handlung von „Weißen“ dominiert. Man könnte einräumen, dass diese Darstellung die realen Machtverhältnisse widerspiegelt. Aber sie reproduziert doch auch das überholte Bild der völlig fehlenden Selbstbestimmung. Zum Ausgleich entlarvt der Film aber die schein-aufgeklärte Position der Sklavereigegner, die den Sklaven zwar Menschen-, aber keine Bürgerrechte einräumen würden. Nach dem Prinzip, dass einige Menschen nun mal gleicher sind als andere.

Der Film hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck; es handelt sich sicherlich nicht um Spielbergs größtes Werk. Zugutehalten muss man dem Regisseur jedoch, dass er bei seiner Behandlung eines der großen Gründungsmythen der nordamerikanischen Geschichte weder in die Pathosfalle getappt ist noch ein inhaltsleeres Kostümdrama produziert hat. Sein Film lebt von den intensiven Dialogen und starken Charakteren. Die Oscar-Academy wird „Lincoln“ bestimmt nicht leer ausgehen lassen: Daniel Day-Lewis sei eine Auszeichnung jedenfalls gegönnt.

Im Ciné Belval und Utopolis.


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