ZEITGESCHICHTE: Frauen der Resistenz

Da sind etwa Léonie Schammel-Stoffel und ihre Schwester Aline, Gastwirtinnen aus Mertzig. Die Gastwirtschaft ermöglichte es der Familie während der deutschen Besatzungszeit, heimlich Lebensmittel zu organisieren. Diese verteilten die beiden Schwestern an mehrere Deserteure und Wehrdienstverweigerer, die sich in der Nähe von Mertzig versteckt hielten. Auch halfen sie, in Zusammenarbeit mit der „Lëtzebuerger Vollekslegioun“, Deserteuren über die Grenze. Bis sie am 14. Dezember 1943 verhaftet und in das Frauengefängnis in Luxemburg Grund gebracht wurden. Hier begann ihre Odyssee durch verschiedene Strafanstalten: Zwei Monate später wurden Léonie und Aline in das Frauenstraflager Flussbach verlegt und dann weiter nach Oberemmel bei Konz gebracht, wo sie in der Landwirtschaft und in den Weinbergen arbeiten mussten. Getrennt von ihren Familien – ihre Männer waren mit anderen Luxemburger Resistenzlern exekutiert worden – schrieben die Schwestern in ihrer heimlichen Korrespondenz über den Hunger und die harte Arbeit. Im Herbst 1944 befanden sich sie zusammen mit weiteren Luxemburgerinnen im KZ Ravensbrück. Von dort wurde Aline später nach Schweden evakuiert und Leonie im Oktober 1944 nach Meuselwitz in ein dem KZ Buchenwald unterstelltes Rüstungsunternehmen verlegt. In Meuselwitz arbeiteten zu dieser Zeit über 1.600 mehrheitlich weibliche Häftlinge in Zwölf-Stunden-Schichten und unter katastrophalen Bedingungen. Am Ende des Krieges wurden die Häftlinge auf einem Todesmarsch bis ins Landesinnere der Tschechoslowakei getrieben. Erst Anfang Mai 1945 war mit der Befreiung durch die Rote Armee Léonie Schammel-Stoffels Leidenszeit zuende

In der derzeitigen Ausstellung “ …als glitt ich aus der Zeiten Schoß – vergessene Luxemburger Resistenzlerinnen“ im Foyer des Grand Théâtre wird ein sowohl in Luxemburg als auch in anderen europäischen Ländern lange Zeit unerforschter und oft in seiner Bedeutung unterschätzter Aspekt der Resistenz in den Vordergrund gestellt, nämlich der Anteil und die Leistung der Frauen.

Anhand von Porträts, beruhend auf biographischen Recherchen und Gesprächen mit Familienangehörigen, wird etwas Licht in dieses dunkle Kapitel der Luxemburger Geschichte gebracht: Frauen schufen in vielen Fällen in der Luxemburger Resistenz die Vorraussetzungen, unter denen Widerstand erst möglich war, einerseits, indem sie sich aktiv in männlich dominierten Bereichen engagierten, andererseits, indem sie ihre weibliche Rolle für schwierige heimliche Aktionen nutzbar machten: Neben dem Verstecken und Versorgen von Refraktären betraf das auch das Auskundschaften von Fluchtwegen, die Informationsbeschaffung und die Verteilung von illegalen Druckschriften.

Mit ihrer Entscheidung für ein Leben im Widerstand gingen diese Frauen große Risiken ein, brachten ihr Leben und auch das ihrer Familienangehörigen in Gefahr. Viele wurden in Gefängnisse und Konzentrationslager deportiert. Allein im eigens für Frauen eingerichteten KZ Ravensbrück waren über 2.000 Luxemburger Frauen inhaftiert, fast ein Viertel von ihnen wurde dort ermordet oder ging an den katastrophalen Zuständen zugrunde.

Die Ausstellung beruht weniger auf Dokumentarmaterial als auf deutschsprachigen Biografien, die die Literaturwissenschaftlerin Kathrin Meß zusammengetragen hat (sie hatte bereits – als Thema ihrer Dissertation – das Tagebuch von Yvonne Useldinger wissenschaftlich behandelt). Die Ausstellung gibt den Frauen der Luxemburger Résistance endlich ein Gesicht. Das Ausmaß ihres Beitrags wird dabei jedoch nicht untersucht. Zu bedauern ist auch, dass die Stellwände mit den Biografien der Frauen am unteren Ende des Foyers stehen. Verdient hätten sie einen prominenteren Platz.

Ausstellung im Foyer des Grand Théâtre noch bis 28. Februar 2013. Öffnungszeiten: Montag-Sonntag, 14h – 18h.


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