NOISEROCK: Schwanensee für Noise-Rocker

Die amerikanische Post-Rock Band Swans hat den Ruf, ihrem Publikum im wahrsten Sinne des Wortes die Ohren wegzublasen. Trotzdem sollte man ihr Konzert keinesfalls verpassen.

31 Jahre Noiserock gehen an niemandem spurlos vorbei.

Als Michael Gira 1982 die Band ins Leben rief, war deren Weg klar: Man wollte zum animalischen Kern der Rockmusik durchstoßen und allen unnötigen Elementen entsagen. Daraus ergaben sich Songs, die oft auf nur einem Riff basierten, das immer wieder geloopt wurde. Die Musik war experimentell, aber vor allem dröhnend laut. Ein Musikkritiker charaktersierte das Debütalbum „Filth“ als den idealen Soundtrack für Massenselbstmorde oder nukleare Holocausts. Auf einer gemeinsamen Tour mit Sonic Youth, so Michael Gira kürzlich in einem Interview, weigerten sich diese, nach Swans aufzutreten – weil das Publikum schon längst geflüchtet war. Es soll öfters vorgekommen sein, dass sich Fans bei Konzerten infolge der extremen Lautstärke übergaben. Die Sache schien eindeutig.

Bis Sängerin und Keyboarderin Jarboe auf der Bildfläche erschien. Ihr Einfluss besänftigte Swans allmählich und inspirierte Gira dazu, andere Elemente, wie Gospel, und klassische Instrumente, zum Beispiel Klavier und Akustikgitarre, einzubauen. Das so entstandene Album „Children of God“ von 1987 war der erste Schritt zu einer facettenreicheren Musik. die Nachfolge-Alben wurden sanfter, „leiser“ und emotionaler.

Eine Coverversion von Joy Divisions „Love Will Tear Us Apart“ katapultierte Swans unerwartet in die College-Radiocharts und brachte ihnen einen Vertrag mit einem Major Label ein. Band und Produzent versuchten zwar, einen gemeinsamen Nenner zu finden, doch das Album verkaufte sich so schlecht, dass die unwahrscheinliche Allianz ein jähes Ende fand. Es folgten weitere Alben, aber der Enthusiasmus, mit dem die Band einst gegründet worden war, war abgeebbt. 1997 gingen Swans auf ihre voraussichtlich letzte Welttournee.

Nach über zehnjähriger Pause erweckte Michael Gira Swans jedoch wieder zum Leben. Er veröffentlichte 2010 ein Album, das an das gesamte Swans-Repertoire anknüpfte. Immer noch drehte sich alles um konstant geloopte, laute E-Gitarren, in deren Klang man sich verlieren konnte, ein Klang, der konstant zu bleiben schien und sich doch ständig veränderte. Die neuen Swans, von denen außer Gira und Gitarrist Norman Westberg keiner aus den ursprünglichen Line-Ups stammte, fanden auf der folgenden Tournee ihren Rhythmus.

Sie arbeiteten jetzt so gut zusammen, dass noch während der Reise die neuen Stücke entstanden, die im vergangenen Jahr als „The Seer“ veröffentlicht wurden. Es ist ein fast zweistündiges Album, dessen längster Titel über 30 Minuten dauert. Aber nicht nur die Länge ist bombastisch, auch die Liste der Kollaborateure ist spannend Und nicht nur wegen des Umfangs ist das Album beeindruckend, sondern auch wegen der an seiner Entstehung beteiligten weiteren Künstler: Jarboe, Karen O, Ben Frost und Mitglieder von Low, Akron/Family und Mercury Rev. Was sie gemeinsam zustande gebracht haben, ist das, was Swans Fans von ihrer Band erwarten: Ein Werk das nicht leicht verdaulich ist, aber seinen besonderen Wert darin hat, dass es neue Barrieren durchbricht.

Liebhabern traditionellerer Rockmusik mag der Einstieg in die Musik bei einem Konzertbesuch leichter gelingen. Obwohl Gira zugibt, dass es bei seinen Auftritten schon aus Altersgründen heute weder bei ihm noch beim Publikum so brutal zugehen kann wie in den 1980ern, bleibt der körperliche Einsatz ein wesentliches Element des Ganzen. Nur mit ihm kann die Musik den psychisch gesteigerten Zustand herbeiführen, den er für sich und das Publikum anstrebt – die komplette Extase. Oder anders gesagt: Schwanensee für Noise-Rocker.

An diesem Freitag, dem 29. März in der Escher Kulturfabrik.


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