Lost in Space

90 Minuten Intensität – in Alfonso Cuaróns „Gravity“ kämpfen Sandra Bullock und George Cloony ums Überleben im Weltall und retten dabei das bisher enttäuschende Kinojahr.

Schwerelos in die Katastrophe: „Gravity“ ist mehr als Science-Fiction.

ALFONSO CUARÓN

Eine 13-minutige Sequenz, ohne erkennbaren Schnitt, beraubt uns gleich zu Beginn des Films jeglicher Distanz zu den zwei Hauptdarstellern und den unendlichen Weiten des Alls. Keine langwierige Vorgeschichte, keine komplizierten Raum- und Zeitsprünge sind nötig, um in Weltraumstimmung zu kommen. Auch im weiteren Verlauf verdirbt uns keine schnulzige Romanze den Abend. Von Anfang an greift der Zuschauer ? ganz hineingezogen in den Bann des endlosen Raums – etwas seltener in seine Popcorntüte. Immer wieder überkommt ihn das Gefühl, er müsse sich an seinen Kinosessel festkrallen, um nicht in der unendlichen und angsterregenden Leere des Kosmos zu verschwinden. Die Fragilität des menschlichen Körpers, als Spielball kosmischer Gesetze, wird so eindringlich vor Augen geführt, wie man es kaum je erlebt hat. Seit langem ist kein 3D-Film dem Zuschauer derartig unter die Haut gegangen.

Die Handlung des Films ist schnell erzählt. Drei Austronauten sind damit beschäftigt, am Weltraumteleskop „Hubble“ zu schrauben, als vom Kontrollzentrum Houston plötzlich eine alarmierende Botschaft kommt: Schrotteile eines russischen Satelliten befinden sich auf Kollisionskurs mit dem Team . Nach dem unausweichlichen und in totaler Lautlosigkeit verlaufenden Zusammenprall trudeln die Wissenschaftlerin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock), ein Weltraum-Neuling, und der erfahrene Astronaut Matt Kowalsky (George Clooney) durchs All und kämpfen zunächst vergeblich gegen die Gesetze der Schwerelosigkeit an. Dann stellt sich heraus: Das Unglück haben nur sie beide überlebt. Der lange Nachhauseweg beginnt.

Cuarón beteuerte in einem Interview mit dem Magazin „Der Spiegel“, sein Film sei kein Mainstream-Werk, sondern orientiere sich an Hitchcocks Idee des „puren Kinos“. Pures Kino entwickelt seine Wirkung dadurch, dass der Regisseur eine Einheit von Geschichte, Bild und Technik herstellt. Zweifelsohne ist die technische Leistung von „Gravity“ einzigartig und erzeugt atemberaubende Bilder. Doch gibt es auch ein Aber: Es mangelt leider sowohl an einer erfrischenden Protagonistin als auch an einer wirklich ausgeklügelten Story. Zwar entwickelt man für die Weltraumnovizin Dr. Ryan Stone, die am Ende eine Art Wiedergeburt erlebt, durchaus Sympathien. Doch ihr unangebracht dramatisiertes Psychogramm als Mutter, deren Tochter starb und die seitdem eine buchstäbliche Weltflüchtige ist, bleibt kontrastlos. Es fehlt der Figur die überzeugende Darstellung eines komplexen emotionalen Innenlebens. Mit ihr verglichen wirkt Kowalski als erfahrener Weltraumspaziergänger mit seinen sarkastischen Kommentaren viel plastischer. Auch erreicht der Film nicht die philosophischen Tiefen von Cuaróns Vorgänger „Children of Men“ oder gar Tarkovskys „Solaris“ und Kubricks „Space Odysee 2001“, an die er stellenweise anknüpft. „Gravity“ muss jedoch nicht ausschließlich in die Tradition von Science Fiction-Filmen eingeordnet werden, sondern kann auch als Film gelesen werden, der Agonie und Überlebenskampf schildert – wie „The Way Back“oder „127 Hours“.

Trotzdem: Wer die Erde mal von oben sehen möchte, wer mit dem Geschehen auf der Leinwand verschmelzen und 90 spannende Minuten verbringen möchte, sollte sich diesen potenziellen Oscar-Gewinner nicht entgehen lassen.

Im Utopolis Belval und Kirchberg.


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