ETHAN UND JOEL COEN: Tribute to Bob Dylan

„Inside Llewyn Davis“ ist eine Hommage an den US-amerikanischen Folk-Song der 1960er Jahre und zugleich ein einfühlsames Porträt eines zum Scheitern verurteilten Musikers.

Zu geschniegelt, um gute Musik zu machen? Sogar Justin Timberlake hat einen Kurzauftritt in „Inside Llewyn Davis“ …

Nur den wenigsten gelingt der Durchbruch. Die meisten Musiker leben von der Hand in den Mund – immer in der Hoffnung auf Erfolg und Ruhm. So auch Llewyn Davis (Oscar Isaac), der (Anti-)Held der neuen Coen-Brüder-Produktion. Der Film, der eine Woche im Leben des Folk-Musikers Llewyn Davis nachzeichnet, ist trotz Starbesetzung intimer als ihre früheren Produktionen. Auf den 66. Filmfestspielen in Cannes gewann er den „großen Preis der Jury“ – kein Wunder, denn seit den Brüdern mit „Barton Fink“ (1991) in Cannes international der Durchbruch gelang, hagelt es förmlich Auszeichnungen für das Kult-Duo.

Das neue Werk der Coen-Brüder spielt 1961 in der Übergangsphase zwischen den Beatnik und dem gesellschaftlichen wie musikalischen Umbruch der 1960er Jahre. Es ist stiller und feinsinniger als ihre früheren Filme. Ein bisschen wirkt es so, als könnten sich die Beiden mit zunehmendem Erfolg besser auf Details konzentrieren, und zelebrierten diesen nun. Kauzige Gesang-Szenen wie in „O Brother, where art thou?“, in dem drei Häftlinge den Blues der 1930er wiederaufleben lassen, werden in „Inside Llewyn Davis“ ausgebaut zu einem bunten Tableau aus Folksong-Auftritten in Cafés und Ton-Studios.

„Inside Llewyn Davis“ lebt von Details aus der Musik(er)szene und gewährt dem Zuschauer so einen Einblick in die Underground-Folk-Szene der 1960er Jahre. Gedreht wurde in Greenwich Village, jenem berühmt-berüchtigten Stadtteil New Yorks, in dem auch Bob Dylan seine Karriere als Folkmusiker begann. Die Auftritte finden in verrauchten „Coffeehouses“ statt – als Sessions unter einigen versprengten Kennern. Dort sucht auch Llewyn Davis sein Glück und scheitert. Von der ersten Kameraeinstellung an folgt man dem Helden, der ebenso verloren durch die windigen Straßen New Yorks streunt wie die getigerten Katzen, die ständig seinen Weg kreuzen. Es ist eine Odyssee der Erniedrigungen, die Davis, Prototyp des verträumten Musikers, durchläuft. Vom Sofa eines Bekannten zum nächsten, über Cafés, Parkbänke und verwaiste, windige Landstraßen. Irgendwann wagt er den Schritt und schlägt sich per Anhalter im Wagen eines übergewichtigen, lethargischen Jazzmusikers (John Goodman) bis nach Chicago durch. „Du spielst Folk? Ich dachte, du wärst Musiker“, ist dessen vernichtender Kommentar. In Chicago angekommen, stapft er mit durchnässten Stiefeln durch den Schnee bis ins Studio eines berühmten Produzenten. Die letzte Hoffnung, so scheint es. Llewyn legt sich ins Zeug, spielt und singt so leidenschaftlich, dass man erschaudert, um am Ende kühl abgefertigt zu werden: „Ich sehe kein Geld darin“ konstatiert der Produzent und kehrt ihm wieder den Rücken zu. Für die tägliche Dosis an Erniedrigungen sorgt außerdem seine Ex-Freundin Jean (Carey Mulligan), die ihn unentwegt als Arschloch und Versager beschimpft. „Du bist so ähnlich wie König Midas – nur, dass alles, was du berührst, nicht zu Gold wird, sondern zu Shit“, belehrt sie ihn mit Schmollmund. Mulligan ist in ihrer Rolle vor allem hübsch anzusehen. Ähnlich wie zuletzt in „Der große Gatsby“ an der Seite Leonardo DiCaprios. Mit halb geöffneten Lippen schaut sie stets empört aus der Wäsche. Eigenständige Frauen hatten bei den Coen-Brüdern noch nie einen Platz. Eher sind es Prototypen und schräge Gestalten wie „der Dude“, auf die das Gespann seit jeher setzt. Ob „Inside Llewyn Davis“ aber das Potenzial zum Kultfilm im Stile von „The Big Lebowski“ hat, ist fraglich. Er ist zwar, wie alle ihre Filme, ein Männerfilm – der, abgesehen davon, von feinen satirischen Seitenhieben auf die Gesellschaft nur so strotzt – doch ist er dabei weniger Mainstream als vielmehr stille Innenansicht des Lebens eines melancholischen Musikers und notorischen Losers.

Trotzdem schwingt in allen Szenen die typisch Coen’sche Ironie mit – wenn etwa Llewyn spontan in einem Dreier mit Justin Timberlake Slapstick-artig einen Folk-Song in einem Tonstudio einsingt, oder wenn er mal wieder auf der Couch einer Musikerbekanntschaft übernachtet, diskret seinen Karton unverkaufter Platten unter den Wohnzimmertisch schieben will und dort schon einen anderen Karton unverkaufter Platten vorfindet. Skurrile Gestalten kreuzen seinen Weg, und man weiß nicht, warum. So wie Llewyn Davis selbst nicht zu wissen scheint, was er mit seinem Leben anfangen soll, außer eben zu singen und Gitarre zu spielen. „Was glaubst du eigentlich, was du hier tust?“ fragt ihn ein Halbstarker am Ende des Films im Hinterhof einer Kneipe, in der er gerade einen Auftritt hatte und aus der er in hohem Bogen hinausgeflogen ist. Er selbst scheint es nicht zu wissen. Aber der Zuschauer ist seinem Innenleben am Ende vielleicht etwas näher gekommen.

Im Utopia


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