JAMES GRAY: Das Paradies ist anderswo

„The Immigrant“ will exemplarisch das Schicksal von EinwanderInnen in die USA der 20er Jahre und die prekäre Lebensrealität, die sie dort erwartete, zeigen.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Selbst mit einer Oskar-prämierten Schauspielerin wie Marion Cotillard kann es in die Hose gehen, wenn Drehbuch und Regie versagen.

Seine eigene Familiengeschichte zu erzählen, ist ein hehres Vorhaben, zumal, wenn es sich um historischen brisanten Stoff handelt. Im Fall von James Grays ist dieser die Einwanderung seiner Vorfahren in die USA, das verheißene Land, das Millionen europäischer Auswanderer mit dem Versprechen von „Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück“ lockte. Ellis Island, auch bekannt als „Insel der Tränen“, war die erste Station für die aus Europa kommenden „Migranten“. Dort mussten sie eine Flut von Fragen über sich ergehen lassen, bevor die „federal immigrant inspection“ darüber entschied, wer einreisen durfte. Entscheidend dafür waren Geldbesitz und Gesundheitszustand der Betreffenden. Wer ohne einen Pfennig ankam oder unterwegs krank geworden war, wurde abgefangen, im Krankenhaus auf Ellis Island interniert und schließlich abgewiesen. Soweit das Ausgangsszenario des Films, der pathetisch beginnt, wie ein typischer Historienschinken aus Hollywood.

Die Zuschauer blicken wie vom einfahrenden Dampfer auf die Freiheitsstatue und wenig später in eine große Warte- und Empfangshalle, dorthin, wo Ewa Cybulska (Marion Cotillard) zusammen mit ihrer Schwester Magda soeben gelandet oder vielmehr gestrandet ist. Kurz darauf wird Ewa von ihrer Schwester getrennt. Weil bei Magda Verdacht auf Tuberkulose besteht, wird sie in der Krankenstation auf Ellis Island festgehalten, und Ewa muss allein zusehen, wie sie an Land kommt. Da kommt ein starker Mann wie Bruno Weiss (Joaquin Phoenix) gerade zur rechten Zeit. Er befreit sie, mehr oder weniger durch Kauf, worauf sie ihm dankbar und eingeschüchtert folgt. In den Straßen New Yorks florieren Mitte der 1920er Jahre der Schwarzhandel mit Alkohol und die Prostitution, und es bedarf nur einiger weniger Einstellungen, damit jedem klar wird, dass Bruno Weiss Ewa an Land geschmuggelt hat, um sie für sich als Prostituierte Geld beschaffen zu lassen. Ewa, schön und streng katholisch, fügt sich unter Gewissensqualen, um Geld zu verdienen und ihre Schwester von der Insel zu befreien. So weit die Handlung. Aber nicht nur sie ist geradezu unterirdisch seicht, auch die Dialoge sind es. So erklärt Weiss seiner Beute in großmännischer Attitüde, dass man ihn auf den Straßen respektiere, weil er Jiddisch spricht. Ewa ihrerseits will nur „glücklich sein“. Marion Cotillard in der Rolle der Ewa spielt die Schöne, Devote, von ihrem Gönner und Ausbeuter abhängige Frau und blickt dabei immerzu ängstlich aus der Wäsche wie ein gejagtes Reh. Wenn sie nicht im Kabarett-Theater als geheimnisvolle Prinzessin auftritt, muss sie anschaffen, verrichtet Näharbeiten oder rennt in die Kirche, um ihre Sünden zu beichten. So wimmelt der Historienschinken von Stereotypen, und der Fremdschämfaktor ist hoch.

Irgendwann taucht Bruno Weiss‘ Cousin auf und beginnt, um Ewa zu buhlen. Die beiden liefern sich einen Kampf und schlachten sich ab wie Kain und Abel. Das vorprogrammierte Happy End, bei dem sich die Schwestern in die Arme fallen, rundet die überflüssige Schmonzette ab. So ist „The Immigrant“ nichts weiter als ein durch und durch verkitschtes Historien-Melodram, das man nur mit viel Geduld ertragen kann.

Im Utopia


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