POLITISCHE KOHÄRENZ: Please Smile!

Zum zweiten Mal veröffentlicht der Cercle de Coopération den Bericht „Fair Politics“, der den Impakt der Luxemburger Politik auf die Länder des globalen Südens bewerten soll. Ein Barometer, dessen Tendenz nicht unbedingt nach oben weist.

Zwischen 2012 und 2014 zeigt das Kohärenz-barometer kaum eine Verbesserung – zudem sind neue Problemfelder hinzugekommen.

Eigentlich sollte die Vorstellung der zweiten Ausgabe des Barometers zur Kohärenz der Luxemburger Politik hinsichtlich einer gerechten und nachhaltigen Entwicklungspolitik bis zum vergangenen Mittwoch aufgeschoben werden, um allen Medien die Gelegenheit zu geben, zeitgleich darüber zu berichten. Doch weil der außenpolitischen Kommission des Parlamentes eine Art Vorrecht eingeräumt worden war, zirkulierte das Dokument schon ab Montag im Internet. Die Chamber hatte es, gleich im Anschluss an die Ausschusssitzung, online gestellt.

Gewöhnlich ist es die Zivilgesellschaft, die (noch) nicht zur Veröffentlichung bestimmte Dokumente leaked. Diesmal traf es die Luxemburger Entwicklungs-ONG (ONGD), die sich so mit Anfragen bombardiert sahen, noch ehe die fein säuberlich vorbereitete Pressekonferenz stattgefinden konnte.

Die verfrühte Veröffentlichung ist wohl auch einer gewissen Begeisterung des amtierenden Chamber-Präsidenten Mars Di Bartolomeo zu verdanken, der nicht nur ein enthusiastisches Vorwort für das Barometer verfasst hatte (neben Premier Xavier Bettel und Kooperationsminister Romain Schneider), sondern sogar persönlich an der Kommissionssitzung teilnahm. Tatsächlich versprach er den VertreterInnen des Cercle den Vorsitzenden aller Kommissionen des Parlaments nahezulegen, sich die Ideen des Barometers zu eigen zu machen und sämtliche Gesetzesverfahren unter dem Aspekt der höheren politischen Kohärenz zu betrachten.

Das „Fair Politics“-Barometer selbst versteht sich allerdings nicht als umfassende Analyse der Luxemburger Politik und ihrer Auswirkungen auf die Länder des globalen Südens. Mit genau 40 Seiten im handlichen DIN-A5-Format wäre das auch ziemlich vermessen. Genau so wie ein Barometer nur andeuten kann, ob die Großwetterlage sich gerade verbessert oder verschlechtert, will „Fair Politics“ anhand einer begrenzten Zahl von Indikatoren feststellen, wie sich die Politikkohärenz hierzulande entwickelt.

2012 waren es sieben Bereiche, die die ONGD genauer analysierten, diesmal sind es insgesamt zehn. Bewertet wird, in welchem Grade Regierung und Behörden ein Bewusstsein von Kohärenzdefiziten in bestimmten Bereich haben, und mit welcher Entschlossenheit sie diesen Defiziten entgegenwirken. Mit roten, gelben oder grünen Smileys wird auch optisch deutlich gemacht, wo es etwa an Bewusstsein mangelt oder wie hoch der Handlungsbedarf ist.

Schlechtes Klima

Ein erster Bereich, der unter die Lupe genommen wird, ist die Klimapolitik. Genau wie 2012 wurde dem Wissen um die Defizite in diesem Bereich ein gelbes Smiley zugestanden, womit gesagt werden soll, dass in einigen Instanzen ein Problembewusstsein vorhanden ist, dieses aber nicht alle Aspekte umfasst.

Für das politische Handeln fällt die Note jedoch wesentlich schlechter aus und liegt irgendwo zwischen einem weinenden und einem neutralen Smiley – eine nur marginale Verbesserung gegenüber 2012, als die ONGD noch vollends rot sahen. Dietmar Mirkes von der Action Solidarité Tiers Monde (ASTM) sieht diese schlechte Benotung durch einen Bericht des Rechnungshofes gerechtfertigt, der den starken Rückgriff auf sogenannte flexible Mechanismen beklagt: Luxemburg erreicht die geforderte Reduzierung des CO2 nicht im Land, sondern durch den Zukauf von Verschmutzungsrechten anderswo. Doch sieht die reelle Bilanz dieser flexiblen Mechanismen bislang ernüchternd aus, weshalb das gesamte System nicht mehr nur von den ONGD in Frage gestellt wird. Die etwas verbesserte Tendenz beruht auf dem Versprechen der aktuellen Regierung, verstärkt auch im Inland auf CO2-Reduzierung zu setzen.

Norry Schneider von der Caritas und Mitgestalter der Internetplattform cerealkiller.lu gesteht der Luxemburger Regierung – anders als 2012 – ein hohes Maß an Bewusstsein bezüglich der Agro-Treibstoffe zu. Doch den Handlungsbedarf erkannt zu haben, ist eines, die Politik neu auszurichten, etwas anderes: Luxemburg verbraucht eine große Menge an Agro-Treibstoffen; für deren Erzeugung ist eine Fläche erforderlich, die ein Mehrfaches derjenigen ausmacht, die der eigenen Landwirtschaft zur Verfügung steht. Wir machen uns mitschuldig am Hungertod vieler im globaler Süden, deren Nahrungsmittelversorgung dem Anbau von Agro-Treibstoffen geopfert wird. Hier bleibt der Handlungsbedarf gegenüber 2012 unverändert groß.

Marc Keup (ASTM) analysierte im Barometer das Verhalten des „fonds de compensation“, der die Rücklagen des Luxemburger Rentensystems verwaltet und investiert. Nur langsam wächst die Einsicht, dass hierbei nicht nur die Rendite wichtig ist, sondern dass auch betrachtet werden muss, wie die mit Luxemburger Geldern arbeitenden Konzerne sich zu Menschenrechten und nachhaltiger Entwicklung stellen.

Zwar wurden einige „schwarze Schafe“ aus dem Portfolio getilgt doch insgesamt spielen Nachhaltigkeit und Menschenrechte immer noch eine untergeordnete Rolle. Beispiele in Skandinavien, zeigen, dass es durchaus möglich ist, strengere Kriterien zur Anwendung zu bringen. Die Note im Vergleich zu 2012 bleibt unverändert gelb. Eine Einschätzung, die auch für den Bereich des Außenhandels und der wirtschaftlichen Promotion gilt, bei der die ONGD auf eine verstärkte Einbeziehung nachhaltiger und menschenrechtlicher Kriterien setzen. Zwar wurden hier seitens der Regierung Versprechungen gemacht, konkrete Ergebnisse konnten jedoch nicht verzeichnet werden.

Hinsichtlich der öffentlichen Beschaffungen verschlechtert sich die Handlungsnote im Vergleich zu 2012 sogar etwas. Obwohl einige Verwaltungen oder Kommunen sich für einen privilegierten Einkauf von fair gehandelten Waren entschieden haben, mangelt es immer noch an einer nationalen Einkaufsstrategie, wie Jean-Louis Zeien von Fairtrade betont. Die Beschaffungsquote fairer Produkte ist demnach immer noch gering und könnte durch die Einführung einer nationalen Einkaufszentrale deutlich ansteigen – bislang lediglich ein frommer Wunsch.

Schwarze Gelder

Der Luxemburger Finanzplatz ist in zweifacher Hinsicht im Visier des Barometers: Marine Lefebvre von SOS-Faim verweist auf die verheerenden Folgen der Spekulation auf Nahrungsmitteln für die Entwicklungsländer. Leider muss sie dabei feststellen, dass solche Spekulationen auch über in Luxemburg beheimatete Fonds erfolgen. Die Forderung der ONGD: Ein Gesetz sollte dies verbieten. Das stieß auch schon 2012 auf taube Ohren, weshalb die Benotung „zweimal rot“ auch 2014 beibehalten werden musste.

Nach Ansicht von Ana Luisa Texeira von der ASTM muss Luxemburg sich auch hinsichtlich des Themas Steuerflucht eine schlechte Benotung gefallen lassen: Einer englischen Studie zufolge verlieren die Entwicklungsländer jährlich zwischen 660 und 840 Milliarden Euro, die ihnen durch legale oder illegale Steuerflucht entgehen. Zwar ist es schwer, diese Ströme im einzelnen nachzuverfolgen, doch verpflichtet allein das Ausmaß dieses Phänomens zum Handeln. Für Luxemburg ergibt sich hieraus die schon vor Jahren erhobene Forderung, durch eine neutrale Organisation erheben zu lassen, in welcher Größenordnung der hiesige Finanzplatz an diesen Mechanismen beteiligt ist. Der Bewussteins- und Aktions-Smiley stehen auch hier unverändert auf Rot.

Neu im Barometer ist der Umgang mit illegalen Importen von Produkten aus israelischen Kolonien in den besetzten Gebieten Palästinas. Hier wird der Regierung zwar ein hohes Problembewusstsein zugestanden, wie Michel Legrand vom CPJPO betont, doch fehle es an Regelungen und Mitteln, solche Importe nach Europa und insbesondere nach Luxemburg zu unterbinden.

Ebenfalls neu dabei ist eine allgemeine Bewertung der Luxemburger Agrarpolitik und ihrer Auswirkungen auf die Dritte Welt. Wie schon bei den Spekulationen auf Lebensmittel sieht Marine Lefebvre gleich zweimal rot: Die vor allem auf Tierzucht ausgerichtete Landwirtschaft ist in höchstem Maße auf den Import von eiweißreichen Futtermitteln aus Drittländern angewiesen. Insgesamt ist der CO2-Fußabdruck der hiesigen Landwirtschaft sehr hoch, auch wenn das in den importierten 15.000 Tonnen chemischem Dünger enthaltene Carbon methodisch bedingt den Produktionsländern angerechnet wird.

Einen bislang kaum beachteten Aspekt hat die Association de soutien aux travailleurs immigrés (Asti) dem Barometer hinzugefügt: Luxemburgs zahlreiche Bürger, die aus Ländern der Dritten Welt stammen, tragen mit Zahlungen an Angehörige nicht unerheblich zur Entwicklung ihrer jeweiligen Herkunftsländer bei. Die Luxemburger Post – ein zu 100% dem Staat gehörendes Unternehmen – wickelt diese Transfers über den höchst profitablen Konzern „Western Union“ ab. Dabei entstehen für afrikanische Länder Transferkosten von durchschnittlich horrenden 12,8%. Einer Studie zufolge entgehen den Ländern des schwarzen Kontinents jährlich zwischen 1,4 und 2,4 Milliarden Euro, die als Überweisungskosten in den Kassen der Finanzinstitute landen.

Christine Dahm, Direktorin des Cercle de Coopération, zeigte sich optimistisch bezüglich der Beachtung, die das Barometer bei der Politik finden wird – auch wenn der Nachholbedarf in einigen Bereichen sehr groß ist. Von den Forderungen der Barometer-Ausgabe von 2012 allerdings wurde nur eine zur Gänze erfüllt: Luxemburg ist inzwischen aus dem Agra-Fonds ausgestiegen. Der hatte für den afrikanischen Kontinent eine Strategie entwickelt, die auf genetisch veränderten Agrarprodukten aufbaute – während Luxemburg sich als genfreies Land verstand.

Der zweite Barometer erscheint nicht zufällig im Vorfeld des „Europäischen Jahres für Entwicklung“, das 2015 stattfinden wird. Da Luxemburg zudem in der zweiten Hälfte des gleichen Jahres die Präsidentschaft der EU übernimmt und seine Kooperationspolitik durchaus auch als Aushängeschild für sein außenpolitisches Standing versteht, ist es für die ONGD eine gute Gelegenheit, der Regierung in Sachen Kohärenz mit etwas Nachdruck auf den Zahn zu fühlen.


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