KLASSIK: Alle Neune

Vier Abende hintereinander sich auf Beethovens sinfonische Meisterwerke einlassen. Diese anspruchsvolle, aber lohnende Unterhaltung bietet die Philharmonie ab kommendem Montag.

Royal Concergebouw Orchestra Amsterdam

Wer kennt sie nicht, Beethovens Sinfonien? Ja, die Neunte, „Freude schöner Götterfunke“, die Fünfte „Dadada Daaaa!“, … vielleicht auch noch die Dritte, mit dem Trauermarsch, sie sind kulturelles Allgemeingut. Doch es handelt sich um neun Werke – in ihrer Gesamtheit ein Höhepunkt der Wiener Klassik, in vielem ein Vorbild für die Romantik, hoch geschätzt auch von den Erneuerern des 20. Jahrhunderts. Und um einen wichtigen Teil von Beethovens Schaffen, 37 einzelne Sätze insgesamt, die alle ihren eigenen Charme haben. Eine Gesamtaufführung, wie an vier Abenden der kommenden Woche in der Philharmonie, bietet Gelegenheit, sich all das vor Augen und Ohren zu führen.

Der ungarische Dirigent Iván Fischer hat sich in den vergangenen Jahren eingehend mit dem östereichischen Komponisten beschäftigt. Mit dem Budapest Festival Orchestra spielte er mehrere der Sinfonien und alle fünf Klavierkonzerte ein. In der Philharmonie wird er das berühmte Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam dirigieren, mit dem er 2013 und 2014 die neun Sinfonien bereits aufgeführt hat. Der Herausforderung, die Werke an vier aufeinanderfolgenden Abenden zu spielen, stellen sich Dirigent und Orchester erstmalig in Luxemburg; ab dem 20. April werden sie diese Performance dann in Seoul in Südkorea wiederholen.

Puristen der „historischen Aufführungspraxis“ („historically informed performance“, HIP) werden sicher an Fischers Beethoven was zu mäkeln finden – sein Orchester benutzt moderne Instrumente, und die ultraschnellen „historischen“ Tempi sind nicht strikt beibehalten. Andererseits hat Fischer zuvor mit dem HIP-Dirigenten Nikolaus Harnoncourt gearbeitet und schon einmal, mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment, Beethoven mit Originalinstrumenten aufgeführt. Diese Erfahrungen tragen gewiss dazu bei, dass er nicht in das der historischen Aufführungspraxis entgegengesetzte Extrem verfällt und Beethoven in der oft als schwülstig kritisierten Tradition der Romantik interpretiert.

Beethoven als Revolutionär, das ist einer von Fischer Interpretationsansätzen, wie man aus einem Interview des Dirigenten mit dem niederländischen Radioprogramm VPRO erfährt. Vor Beethoven sei die Musik der Aristokratie zu Diensten gewesen, doch, ähnlich, wie die Guillotine das Ende des Ancien Régime signalisierte, hätten Beethovens Werke der Musik eine neue, volksnahe Funktion erschlossen. Anders als seine klassischen Vorgänger habe Beethoven nicht auf subtile Veränderungen der Stimme, sondern auf starke Kontraste, auf den Wechsel von lyrischen, dramatischen und jubilierenden Passagen gesetzt.

Man darf sich also darauf freuen, dass Fischer uns solche Elemente in den oft als zu klassisch vernachlässigten Sinfonien Nummer 1, 2 und 4 entdecken lässt. Auch die Fünfte hat für ihn mehr zu bieten als das Vier-Noten-Fortissimo des Hauptmotivs: Der Dirigent schwärmt davon, wie am Ende des Scherzos eine Art Herzschlag – Pizzicati zunächst, dann Pauken – eine Spannung aufbaut, die erst durch das orkanartig ausbrechende Finale-Thema aufgelöst wird. Bei Aufführungen der sechsten, der „grünen“, Sinfonie, wie Fischer sie nennt, hat er versuchsweise die Bläser zwischen die Streicher platziert, damit sie ganz in die „Natur-Musik“ eintauchen können. Vielversprechend auch die Aussicht, die über 70 Minuten dauernde Neunte ganz zu hören: Ihr vierter Satz lässt sich keineswegs auf die zweifelhafte Funktion einer „Europa-Hymne“ reduzieren und ihre drei ersten Sätze stellen eine Art grandiose Vorgeschichte für das komplexe Finale dar.

Vom 13. bis zum 16. April in der Philharmonie, jeweils ab 20h. Vor jedem Konzert um 19h Backstage-Veranstaltung mit verschiedenen Konferenzen und Rundtischgesprächen.
www.philharmonie.lu/en/programm/series/un-autre-regard-beethoven/155


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