EUROBAROMETER: Unsaubere Forschung

Diese Woche wurden die ersten Resultate der Eurobarometer-Umfrage vorgestellt. Überraschend sind die Resultate nicht. Die Methoden der europäischen Kommission sind es schon eher.

Im „Joseph Bech“-Saal im „Europahaus“ fand sie statt, die Vorstellung der ersten Resultate aus der aktuellen Eurobarometer-Umfrage. Wie wohl der Namensgeber des Saals, ein „großer Europäer“ mit fragwürdigem Demokratieverständnis ? erinnert sei an sein gescheitertes „Maulkorbgesetz“ -, die aktuelle wirtschaftliche Lage in Luxemburg und Europa einschätzen würde? Das wird selbst das Umfrage-Institut TNS-Ilres nicht mehr herausfinden können.

Doch erst einmal zu den Resultaten der Erhebung, für die 508 Personen in Luxemburg befragt wurden. Georges Bingen, Ökonom und Chef-Vertreter der europäischen Kommission in Luxemburg, interpretierte sie folgendermaßen: „Die Luxemburger sind zufrieden mit der Situation, aber pessimistisch für die Zukunft.“ Für den Chefsoziologen und Meinungsforscher Charles Margue von TNS-Ilres, der den anwesenden JournalistInnen während der fast einstündigen Pressekonferenz seine eigenen Interpretationen geradezu aufdrängte, „steckt die Interpretation nicht in den Resultaten“.

Die derzeitige Wirtschaftslage wird von drei Vierteln der Luxemburger Bevölkerung als „gut“ eingeschätzt. Besser noch scheint es um die finanzielle Situation der Haushalte zu stehen: Die finden nämlich 86 Prozent der Befragten zufriedenstellend, während im EU-Durchschnitt nur 63 Prozent dies tun. Was allerdings die Zukunftsaussichten für die Wirtschaft des Landes angeht, so sind nur 17 Prozent der Befragten in Luxemburg optimistisch, 28 Prozent dagegen pessimistisch. In Bezug auf die anhaltende Wirtschaftskrise sind über die Hälfte der Befragten in Luxemburg der Meinung, dass „das Schlimmste noch kommen wird“.

Bei den wichtigsten Problemen Luxemburgs liegt, wenig überraschend, die Arbeitslosigkeit an erster Stelle. An zweiter Stelle kommt die Wohnraumsituation, die in Luxemburg im Gegensatz zum europäischen Durchschnitt (fünf Prozent) von 38 Prozent der Befragten als Problem angesehen wird. Es folgen die wirtschaftliche Lage (20 Prozent), die Inflation (15 Prozent) und das Schulsystem (13 Prozent). Immerhin 11 Prozent der Befragten aus Luxemburg sehen die „Immigration“ als Problem.

Wissenschaftliche Seriosität?

Wenige Monate vor der Europa-Wahl ist die Frage nach der Meinung der Menschen in Luxemburg zu Europa von einiger Brisanz. Die Antworten sind es ebenfalls: Nur drei Prozent der Befragten haben ein sehr positives Bild der europäischen Union, 37 Prozent ein positives. 15 Prozent haben ein negatives Bild von Europa, fünf Prozent ein sehr negatives. Pikant dabei ist im Kontext der Europawahl, dass 40 Prozent der Befragten keine Meinung zum Thema haben.

„Geschichte“, „Sprachen“ und „Kultur“ machen laut der Mehrheit der Luxemburger Befragten die europäische Union aus. „Frieden“, „Menschenrechte“ und „Demokratie“ sind die Werte, für die die Union steht. Allerdings waren im Fragenkatalog des Eurobarometers nur positive Antworten auf diese Fragen vorgesehen: Neben den genannten Grundwerten standen zum Beispiel noch „individuelle Freiheiten“ oder „Rechtsstaatlichkeit“ zur Auswahl. Sozialabbau, Aufrüstung, Abschottung oder ähnliches blieben dagegen unberücksichtigt. Wenig verwunderlich, wenn man weiß, dass das Eurobarometer von der europäischen Kommission selbst in Auftrag gegeben wird. Allerdings wirft das die Frage nach der wissenschaftlichen Seriosität der Umfrage auf. Die wurde schon öfters angezweifelt, so zum Beispiel von den beiden deutschen Sozialforschern Höpner und Jurczyk. In ihrem Aufsatz „Kritik des Eurobarometers“ konfrontierten sie die Fragen der Eurobarometer von 1995 bis 2010 mit den „zehn Grundregeln einer sauberen Umfrageforschung“ und fanden Verstöße gegen acht dieser zehn Grundregeln. Sie äußerten den „Verdacht strategischer Manipulation“ zu dem Zweck, „die Ergebnisse in eine pro-europäische, integrationsfreundliche Richtung zu lenken“, und bekundeten die Überzeugung, dass „die wissenschaftliche Integrität der Eurobarometer-Befragungen […] mit einem großen Fragezeichen [zu] versehen“ sei. Joseph Bech würde angesichts solcher Methoden wohl vor Neid erblassen.


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