GAZA-KONFLIKT: Darum Israel

Die Luxemburger Linke protestiert einträchtig gegen Israel. Verhältnismäßigkeit und kritische Reflexion bleiben dabei auf der Strecke.

Gebeutelter Süden Israels (Sderot). Über 3000 Raketen feuerte die Hamas seit Beginn des Jahres auf Israel ab
(Foto: Wikipedia)

Außenminister Asselborn spricht den Linken, so scheint es, aus der Seele: „Gaza wird zu einem großen Friedhof“, „die Palästinenser müssten auch eine Chance bekommen, zu existieren, nicht nur zu vegetieren“. Ganz so, als führe die israelische Armee Flächenbombardements durch und als hätte die Hamas nicht trotz angeblicher Totalblockade des Gaza-Streifens geschätzte 7.000 Raketen erhalten und zusammengebaut. „Einen hörbaren Schrei aus Europa“, fordert er, brüllen tun er und die Linke aber schon lange und ohne Unterlass. Und der Feind ist: Israel.

Wer Luxemburger Zeitungen liest, gewinnt einen klaren Eindruck: Der jüdische Staat ist der Aggressor und ein blutrünstiges Monster. Für jeden anderen Konflikt im Irak, in Mali oder Nigeria, gelten andere Maßstäbe. Im Tageblatt kann man täglich lesen, wieviele zivile Opfer es auf palästinensischer Seite gab, israelische Opfer werden einfach ausgespart. Dass seit Beginn des Krieges weit über 2.000 Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert wurden, ist oft keine Zeile wert. Die Hamas lagert Waffen in Schulen (von der UNRWA bestätigt), militärische Ziele, wie Tunnel, wurden bewusst in zivilen Gebieten angelegt, denn die Hamas weiß, dass jeder tote Zivilist ihrer Sache nützt. Dass Israel seine Zivilbevölkerung besser schützt, scheint dann doch ein Beweis gegen Israel: Als würde die Hamas nicht jede Waffe gegen Juden nutzen, wenn sie sie denn hätte.

Dass Israel seine Zivilbevölkerung besser schützt, scheint dann doch ein Beweis gegen Israel: Als würde die Hamas nicht jede Waffe gegen Juden nutzen, wenn sie sie denn hätte.

Doch die Linke bestreitet das Offensichtliche: dass das eine (Israel) wohl mit dem anderen zu tun hat (Antisemitismus). Ja, sagt sie, da gibt es hier wohl ein paar Judenfeinde, aber mit denen haben wir nichts zu tun. Um dann doch gemeinsam mit den Bannerträgern der Hamas, den „Kindermörder Israel“-Rufern und „Boykottiert Israel“-AktivistInnen zu demonstrieren. Ein abstoßendes Konglomerat von „Israel-Kritikern“ aller Couleur zeigt sich auf den Gaza-Soli-Demos in Luxemburg und der Grenzregion. Ist das die analytische Blindheit derjenigen, die sonst immer auf ihre historisch tiefgreifende Analyse stolz sind, oder nicht doch antisemitische Projektion? Die Regelantwort ist vorhersehbar: „Aber Israel hat doch …, Kritik muss doch möglich sein …“. Doch selbst wenn Israel hätte, was es zumeist nicht hat, wäre dies null Komma null Rechtfertigung für irgendeine Gemeinsamkeit von Linken mit Judenhassern und antisemitischen Sprechchören.

Seit Jahrzehnten geht das linke Weltbild so: Israel ist eigentlich ein Fehler, keine wirkliche Nation, imperialistischer Vorposten der USA, kriegswütig, rassistisch, und so weiter. Außerdem nutzen die Juden noch ihre Verfolgung im Nationalsozialismus für ihre Zwecke (oder handeln jetzt genauso). Wer sich auch nur einmal ernsthaft mit Antisemitismus auseinandergesetzt hat, der erkennt in diesen Zuschreibungen unschwer die Wiederkehr der alten antijüdischen Ressentiments. Aber kritische Auseinandersetzung oder Zurückhaltung ist beim Thema Israel offensichtlich zu viel verlangt.

Ist das die analytische Blindheit derjenigen, die sonst immer auf ihre historisch tiefgreifende Analyse stolz sind, oder nicht doch antisemitische Projektion?

Objektiv kann niemand diesen Konflikt beurteilen. Es wird zusätzlich unmöglich gemacht durch die Flut an gefälschten Bildern und die einseitige propalästinensische Berichterstattung. Für den Irak – wo vor den Augen der Welt in den letzten Wochen ein Völkermord stattfand -, oder für Syrien, wo unter Assad über 170.000 Muslime umgebracht wurden, gelten andere Maßstäbe. In vielen Zeitungen wird oft nicht einmal eine Abgrenzung zwischen der amtierenden, rechten israelischen Regierung und der Hamas vorgenommen. So wird die Hamas moralisch mit Israel gleichgestellt.

Israel hat den Medienkrieg längst verloren, doch muss es sich offenbar auch noch dafür rechtfertigen, dass es weniger Opfer vorweisen kann. Dabei hat es nie versucht, durch Vermehrung der Opfer eine Abschreckung zu erzielen; Keine Armee der Welt schießt präziser und hat einen strengeren Wertekodex. Wollte Israel tatsächlich Zivilisten ermorden, wäre es darin ziemlich schlecht. ISIS hat in zwei Tagen mehr Menschen getötet als israelische Soldaten in drei Wochen.

Doch Hamas-Sprecher haben selbst zugegeben, dass menschliche Schutzschilde sich als sehr effektiv erwiesen haben. Wieso aber stellt niemand die Hamas für ihre massiven Menschenrechtsverletzungen an der eigenen Bevölkerung an den Pranger? Wo bleibt die „Solidarität“ mit den zurzeit zu Hunderten Abgeschlachteten im Irak? Während im Gaza-Konflikt jeder Position bezieht, lassen andere Konflikte die Linke in Europa kalt. Zionismus wird als überholtes, reaktionäres Konzept angegriffen und damit überhaupt angezweifelt, dass das jüdische Volk ein Recht auf Selbstbestimmung hat. So scheint die Strategie der Hamas aufzugehen: die Legitimität Israels in der Welt schwindet.

Wieso aber stellt niemand die Hamas für ihre massiven Menschenrechts-verletzungen an der eigenen Bevölkerung an den Pranger?

Doch ist Netanjahu nicht der erste, der sich weigert, mit Terrororganisationen zu verhandeln. Mit ihnen verhandeln kann man, wenn sie sich wirklich gewandelt haben – wie die IRA oder die ETA -, nicht aber, solange sie schießen und mit Vernichtung drohen; oder soll man sich mit dem eigenen Schlächter an den Tisch setzen und freundschaftlich über die Art der Vernichtung plaudern?

Hätte Israel nicht auf die Ermordung dreier Jugendlicher und den Raketenbeschuss reagiert, wäre die nächste Provokation gefolgt. Natürlich wurden prompt Verschwörungstheorien laut, die Israelis hätten die Entführung inszeniert. Doch während in Israel längst bewiesen ist, dass die Hamas an den Attentaten beteiligt war, scheint man das in Europa aus moralischer Überlegenheit heraus besser beurteilen zu können. Gaza hat 2005 eine Chance bekommen. Die Truppen wurden abgezogen, die Siedlungen geräumt, 3.000 Gewächshäuser errichtet; es war eine unilaterale Aktion Israels.

Die Hamas hat aber entschieden, nicht in Schulen oder Handel oder den Schutz seiner Bevölkerung zu investieren. Ihre islamistische Radikalisierung hat dazu geführt, dass die israelische Regierung unnachgiebiger geworden ist. Sie hat auch zum Resultat, dass die Siedlerbewegung erstarkt ist und die Linke in Israel heute schwächer ist denn je. An eine Zweistaatenlösung glauben große Teile der israelischen Linken – und die gibt es! – mittlerweile nicht mehr.

Es ist ein hässlicher, blutiger Konflikt, bei dem viele Menschen sterben, aber – will Israel sich und seine BürgerInnen schützen, muss Gaza entmilitarisiert werden, auch wenn dieser Krieg den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern sicher nicht beenden wird. Doch die Hamas braucht diesen Krieg, weil ihre Kontrolle über den Gaza-Streifen gefährdet ist. Würde Israel die palästinensischen Autonomiegebiete räumen und die Grenzen von 1967 akzeptieren, fände die Hamas andere Gründe, Israel zu bekämpfen.

Wer aber „gerade Israel müsste“ sagt und meint, Israel mit höheren Standards messen zu dürfen, hält sich selbst für moralisch überlegen und diskriminiert auch die Palästinenser. Wer fordert, „tiefgreifende Schritte“ müssten her, und meint, beide Seiten müssten sich nur mal zusammenreißen und der Klügere gäbe nach, offenbart seine Arroganz.

Antisemitismus nimmt gerade in Europa seit dem Gaza-Krieg von Tag zu Tag neue Dimensionen an. Er äußert sich in ständigen moralischen Appellen und in Unterstellungen wie dem, dass die Israelis von Natur aus blutrünstig seien. Wer „linke Israelkritik“ und damit nicht Kritik an den Juden, sondern Kritik an der israelischen Regierung üben will, ohne Judenfeindlichkeit zu schüren oder zu bedienen, sollte jedenfalls ungerechtfertigte Standards und ein einfaches Weltbild hinterfragen. Denn so bläst die Linke beim Gaza-Konflikt laut und einträchtig in ein Horn: Es ist das Horn der in jedem Fall moralisch Erhabenen.


Siehe auch Darum Palästina.


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