Sechs statt wie bisher angenommen 20 Personen sollen von Luxemburg aus nach Afghanistan abgeschoben werden. An der Tatsache, dass Afghanistan kein sicheres Land ist, ändert das nichts.
Mit keinem einzigen Wort wird in einer Antwort des Außenministeriums auf eine dringliche parlamentarische Anfrage David Wagners die Sicherheitslage in Afghanistan erwähnt. Der linke Abgeordnete hatte wissen wollen, ob an der von Radio 100,7 verbreiteten Information, dass sich 20 afghanische AsylbewerberInnen kurz vor der Abschiebung befinden, etwas dran sei.
Es handele sich bei den Betroffenen nicht um 20, sondern lediglich um sechs Personen, heißt es in der Antwort. Was „andere afghanische Asylbewerber“ betreffe, so befinde sich ein Teil von ihnen noch im Prüfverfahren, während die übrigen bereits als Asylberechtigte anerkannt worden seien.
In seiner Antwort erwähnt das Außenministerium auch das Anfang Oktober geschlossene „Kooperationsabkommen“ zwischen der Europäischen Union und Afghanistan. Dieses sieht schnellere und vereinfachte Abschiebungen vor. Die EU soll Programme für die „Re-Integration“ abgeschobener afghanischer AsylbewerberInnen finanzieren, während Afghanistan sich verpflichtet, für Abschiebungen benötigte Reisedokumente innerhalb von höchstens vier Wochen zu liefern. Außerdem soll durch eine „Informationskampagne“ verhindert werden, dass sich weitere AfghanInnen auf die Flucht begeben.
Laut einem von der britischen Tageszeitung „Guardian“ veröffentlichten Arbeitspapier der Kommission geht man von ungefähr 80.000 Personen aus, die durch das Abkommen nach Afghanistan abgeschoben werden könnten.
Doch Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Abkommen scharf. Die deutsche NGO „Pro Asyl“ spricht beispielsweise von einer „Rückkehr in die Unsicherheit“. Die „EU-Abschiebepläne“ seien angesichts der chaotischen und unsicheren Lage im Land schlichtweg „schierer Irrsinn“. Der Taliban-Angriff auf Kundus Anfang Oktober sei nur eines von vielen Beispielen für die vorherrschende Unsicherheit.
Urlaub für Asselborn
Dass angesichts der Zustände in ihrem Herkunftsland auch in Luxemburg weiterhin Menschen aus Afghanistan ankommen, kann also kaum verwundern. 52 Asylanträge von AfghanInnen zählt die „Direction de l’Immigration“ bereits jetzt für das Jahr 2016 – womit Afghanistan an fünfter Stelle der Herkunftsländer von AsylbewerberInnen steht. 2015 waren es insgesamt 214. Dass die Zahlen dem Augenschein nach rückläufig sind, dürfte zumindest in Teilen auf Grenzschließungen und das EU-Türkei-Abkommen zurückzuführen sein.
Angesichts der Pläne des Außenministeriums, in den nächsten Wochen sechs afghanische AsylbewerberInnen in ihr Herkunftsland abzuschieben, bietet die Piratenpartei Außenminister Asselborn einen „Urlaub in Afghanistan“ an. „Wir laden Herrn Asselborn dazu ein, sich als ‘gemeiner Bürger’ und ohne diplomatische Sicherheitseskorte ein Bild über die Situation in Afghanistan zu machen, bevor er über Rückführungen von Betroffenen entscheidet“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Ein spezifischer Fall eines afghanischen Asylbewerbers, der abgeschoben werden soll, sorgt für verstärktes Aufsehen in interessierten Kreisen. Zwar soll der Betroffene, ein junger Mann aus einem Bergdorf nahe des von den Taliban kontrollierten Gebiets, nicht nach Afghanistan, sondern im Rahmen der Dublin-Rückführungen nach Norwegen abgeschoben werden. Von dort aus drohe dem jungen Mann aber mit ziemlicher Sicherheit die Abschiebung in sein Herkunftsland, so sein Anwalt. Um die Rückführung, die für den 26. Oktober angesetzt ist, noch zu verhindern, haben VertreterInnen verschiedener Menschenrechtsorganisationen einen Brief an Xavier Bettel gerichtet – und fordern alle Informierten auf, es ihnen gleich zu tun.