Anton Corbijn: Die Aura macht’s


„Life“ will durch die Darstellung der Beziehung zu seinem Fotografen hinter die Fassade des Hollywood-Stars James Dean blicken. Ein ambitionierter Versuch, der nicht wirklich funktioniert.

1340_Filmrezension_Life_1Noch bevor er zum Star wurde, machten die Fotografien Dennis Stocks ihn zur Ikone. Es sind die berühmten Bilder: James Dean an einer Wand lehnend, die Zigarette verwegen-lässig im Mundwinkel, im Sessel eines Frisörsalons ausgestreckt oder mit gerunzelter Stirn, den Mantelkragen hochgeschlagen, durch die nassen Straßen New Yorks schlendernd. Die Fotoserie des Fotografen im Trendmagazin „Life“ sollte nicht nur Dean, sondern auch Stock zum Durchbruch verhelfen. Im Film ist Stock zunächst ein mittelloser Fotograf, der auf einer Party in Los Angeles James „Jimmy“ Dean erblickt und von seiner Aura so beeindruckt ist, dass er beschließt, den jungen Mann berühmt zu machen. Wieso er gerade ihn fotografieren wolle, fragt ihn John Morris, Chef-Redakteur von „Magnum“. „Da ist etwas Unbeholfenes – das will ich einfangen“, stottert Stock, zu dieser Zeit in der Foto-Branche ein Nobody. Dass mit Anton Corbijn ein Regisseur den mythenumwobenen Stoff anpackt, der selbst Fotograf ist, macht einen Reiz des Films aus, geht jedoch im Ganzen leider schief. Die leise Annäherung an den Star gelingt zwar – nicht zuletzt, weil Corbijn sich bereits in anderen Filmen ikonischen Männerfiguren, wie etwa Ian Curtis, genähert hat -, doch die fotografische Spurensuche scheitert am Ende an den Originalen.

Eingehender als Deans Hauptrollen in Elia Kazans Filmfassung „Jenseits von Eden“ oder in „Giganten“, für die der Schauspieler postum zwei Oscarnominierungen erhielt, beleuchtet Corbijn in seinem Biopic die Beziehung zwischen Dean und Stock und kommt über diese zerbrechliche Freundschaft zweier ganz unterschiedlicher Männer der Persönlichkeit James Deans näher, ohne damit dessen Mythos zu entzaubern. Der noch etwas milchbubenhafte Dane DeHaan spielt trotz seiner jugendlich-weichen Gesichtszüge den ambivalenten Charakter Deans überzeugend: nuschelnd, verschüchtert und selbstsicher zugleich. Dagegen zeigt der 29-jährige Brite Robert Pattinson in der Rolle des Fotografen die meiste Zeit eine reglose Miene. Emotionen kann der ambitionierte Aufsteiger Stock kaum äußern und versteckt sein Gesicht hinter der Kamera, zerfressen vom Ehrgeiz, die Aura des aufsteigenden Stars einzufangen. So kühl und distanziert sich Stock sogar gegenüber seinem kleinen Sohn verhält, so reserviert gibt er sich auch auf der Farm Deans in Indiana, bei einem Ausflug, auf dem schließlich die intimsten Bilder des Stars entstehen. (Die Bildreportage wurde am 7. Mai 1955 von „Life“ veröffentlicht.) Erleichtert will man aufatmen, als Stock irgendwann nach einer durchzechten Nacht seinen kleinen Sohn ankotzt und völlig die Contenance verliert. Denn seine rigide Selbstbeherrschung und die Bewunderung von Deans Nonchalance stimmen einen irgendwann fast aggressiv. So ist „Life“ auch das Psychogramm einer ungleichen Männerfreundschaft, die aus reinem Opportunismus und Kalkül entsteht. Hier der lässige, alle Konventionen verachtende Star, der Fleisch schon mal mit den Fingern isst und die Filmproduzenten mit seiner Launenhaftigkeit in den Wahnsinn treibt, dort der vom Ehrgeiz zerfressene Fotograf aus kleinen Verhältnissen. Und dann wäre da noch der cholerische Filmmagnat Jack Warner, der meint, den eigenwilligen Außenseiter noch zurechtbiegen zu können – hervorragend gespielt von Ben Kingsley. Doch wirken am Ende alle doch nur wie Komparsen, die den eigenwilligen Star umgarnen. Und obwohl irgendwann die Illusion, der Kultfigur etwas nähergekommen zu sein, zerbricht, weil Corbijn im Abspann Original-Fotos zeigt, so ist sein Biopic doch zumindest ein unterhaltsames Hollywood-Stück im Retrogewand der 1950er Jahre. Vollendet trashig wirkt nur leider das Ende des Films, in dem der von angedeuteten Depressionen geplagte Dean davon träumt, zurückzukehren in den Schoß der Familie auf die Farm in Indiana. So wird der Leinwand-Rebell in den letzten Minuten doch noch zum patriotischen Spießer degradiert.

Im Utopia

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