Die Chambre des salariés sieht durch die Reform die paritätische Mitbestimmung bei der Pflegeversicherung bedroht. Und ganz generell sieht man die Reform als überflüssig an.
Was die Angestelltenvertreter zum Thema Pflegeversicherung an Neuem zu sagen haben, brachte Jean-Claude Reding auf den Punkt: „Es besteht die Tendenz, das Mitspracherecht der Versichertenvertreter zurückzudrängen.“ Er habe den Eindruck, das Ministère de la Sécurité sociale wolle den Partnern nur noch ein „droit de garder“ einräumen, während die Entscheidungen selbst unter der Ägide des Ministeriums getroffen werden, so der Präsident der Chambre des salariés Luxembourg (CSL) auf einer Pressekonferenz an diesem Mittwoch.
Was Reding beschreibt, lässt sich mühelos auf den bisherigen Fortgang der Reform der Pflegeversicherung beziehen. Reding hat dabei jedoch auch die geplante Evaluation der jeweils zu erbringenden Pflegeleistungen im Blick. Die hierfür künftig zuständige Verwaltung soll dem Ministerium anstatt, wie von der CSL gefordert, der Krankenkasse CNS zugeordnet sein.
Ansonsten führt die Kritik der CSL bei der Vorstellung ihres Kommentars zum Gesetzesprojekt im wesentlichen nur aus, was zuvor bereits die Patientevertriedung (woxx 1390) und der Dachverband der Pflegedienstleister COPAS (woxx 1393) bemängelt hatten.
Ein Problem sieht die CSL insbesondere bei den geplanten 15 Pflegestufen, die die bisherige Abrechnung individuell abgestimmter Leistungen vereinfachen sollen. Während das Ministerium darauf beharrt, dass die Pflegedienstleister auch weiterhin jede tatsächlich erbrachte Leistung zu registrieren haben, sieht man bei der CSL die Gefahr, dass Qualitätssicherung und Kontrolle durch die angestrebte Pauschalisierung erschwert werden. „Die Pflegestufen können auch dazu führen, dass die Betroffenen stigmatisiert werden“, so CSL-Vizedirektor Sylvain Hoffmann hinsichtlich des sich aus den Pflegestufen ergebenden Betreuungsbedarfs.
Gefahr der Stigmatisierung
Wie andere Kritiker ist auch die CSL davon überzeugt, dass es bei der Reform allein um Einsparungen auf Kosten der Betroffenen geht. Dies trotz der Tatsache, dass die finanzielle Situation der Pflegeversicherung – auch in der Vorausschau auf die nächsten Jahre –keineswegs als besorgniserregend anzusehen sei. So stünden im Jahr 2015 Ausgaben in Höhe von 668 Millionen Euro Einnahmen von 680 Millionen gegenüber; die insgesamt gebildeten Rücklagen lägen mit 138,4 Millionen Euro sogar um mehr als 80 Millionen über dem gesetzlich festgelegten Minimum. Statt also eine wirtschaftlich überflüssige Reform in Gang zu setzen, sollte die gegenwärtige Pflegepraxis in ganz anderer Hinsicht unter die Lupe genommen werden, so Jean-Claude Reding: „Es stellt sich die Frage, ob die heute möglichen Leistungen überhaupt auf dem Niveau sind, das die Leute brauchen.“ Der CSL-Präsident betonte hierbei unter anderem die Wahrung einer möglichst weitgehenden Autonomie der Betroffenen.
Die weitgehende Ausgliederung maßgeblicher Detailbestimmungen in eine größere Anzahl von Règlements grand-ducaux, die in der Reform vorgesehen ist, wirft nach Ansicht der CSL sogar die Frage der Verfassungsmäßigkeit auf.
Zumindest der viel kritisierte Plan eines Inkrafttretens der Reform zum Jahreswechsel ist unterdessen vom Tisch. Erst zwei von insgesamt acht geplanten Ausführungsbestimmungen – der wichtigere von ihnen bezieht sich auf die Definition der Pflegenormen – liegen der Commission consultative zur Beratung vor, so COPAS-Präsident Marc Fischbach gegenüber der woxx. Das Reformprojekt wird daher laut Ministerium frühestens im Sommer den Weg in die Chamber und zur Abstimmung finden.