Bio-Aktionsplan: Planlandwirtschaft

In fünf Jahren sollen sich die Bio-Flächen in der luxemburgischen Landwirtschaft vervierfachen. Dafür sollen vor allem höhere Subventionen sorgen.

Im Rahmen der Milchwoche besuchte Landwirtschaftsminister Schneider Kühe aus der „Landwirtschaft plus“. (Foto: MA)

„Die Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft sind wichtige Treiber des Biodiversitäts- und Öko-
systemdienstleistungsverlustes und des Klimawandels.“ Mit diesem Satz beginnt ein wissenschaftlicher Artikel, der grundlegende Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU fordert. Über 3.600 Wissenschaftler*innen haben sich den Forderungen angeschlossen. Subventionen, die bisher nach der Größe der landwirtschaftlichen Betriebe ausgezahlt werden, sollten künftig so vergeben werden, dass zielgerichtet der Erhalt von Biodiversität und Kulturlandschaften gefördert werden könnte. Dazu gehöre auch eine bessere Förderung der Biolandwirtschaft – die in Luxemburg in diesen Tagen ebenfalls diskutiert wird.

Vergangenen Freitag präsentierte Landwirtschaftsminister Romain Schneider (LSAP) den neuen nationalen Bio-Aktionsplan. Der dient der Regierung als Roadmap, mit der sie das ehrgeizige Ziel von 20 Prozent biologisch bewirtschafteter Flächen im Jahr 2025 erreichen will. Knapp 1.316 Quadratkilometer, also etwas mehr als die Hälfte der Fläche Luxemburgs, wird landwirtschaftlich bewirtschaftet. Davon sind allerdings nur knapp 5 Prozent Biolandwirtschaft.

„Damit befinden wir uns im europäischen Mittelfeld. Nicht vorne, aber auch nicht ganz hinten“, erklärte Schneider bei der Präsentation seines neuen Aktionsplans. Im Jahr 2025 werden also noch 80 Prozent der Fläche konventionell bewirtschaftet, wie der Landwirtschaftsminister stets hevorhebt. „Landwirtschaft Plus“ nennt Schneider das – um zu betonen, dass auch die konventionelle Landwirtschaft nachhaltiger werden muss.

Wie aus dem BWL-Lehrbuch

Der europäische Durchschnitt beim Biolandbau liegt bei 7,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. In einer Eurostat-Statistik aus dem Jahr 2018 lag Luxemburg mit 4,4 Prozent biologisch bewirtschafteter Fläche auf dem 20. Platz, also nicht unbedingt im Mittelfeld. Spitzenreiter in Europa ist Österreich, das mit 24 Prozent schon länger das Ziel erreicht hat, das sich die luxemburgische Regierung gesetzt hat. Wenn der neue Aktionsplan sein Ziel erreicht, läge Luxemburg im europäischen Vergleich ebenfalls ganz vorne: Bisher werden neben Österreich nur in Estland und Schweden mehr als ein Fünftel der Fläche biologisch bewirtschaftet. Wie will die Regierung diese Mammutaufgabe also bewerkstelligen?

Der nationale Bio-Aktionsplan soll Abhilfe schaffen. Ausgearbeitet wurde er laut Schneider nicht im stillen Kämmerchen, sondern gemeinsam mit Akteur*innen aus der Landwirtschaft, die in Workshops und Einzelgesprächen ihren Input lieferten. Herausgekommen ist ein Dokument, das knappe 17 Seiten umfasst und mit vielen großen Fotos ansprechend gestaltet ist. In schönstem Projektmanagementjargon wurden vier Achsen definiert, in denen sich wiederum einzelne Maßnahmen wiederfinden. Diese haben jeweils eigene Ziele, Maßnahmen, Erfolgsindikatoren, Akteur*innen und einen sehr groben Zeitplan. Das wirkt alles schön bürokratisch und streng nach dem BWL-Lehrbuch – nur verhindert es an vielen Stellen eine konkrete Vorstellung dessen, was tatsächlich passieren soll.

Die erste Maßnahme, die im Aktionsplan beschrieben wird, ist dann auch eine Zustandsanalyse des Biosektors, deren Daten die Umsetzung des Plans unterstützen soll. Es stellt sich die Frage, ob es nicht schlauer gewesen wäre, diese Daten vor dem Erstellen des Aktionsplans zu kompilieren – aber eine gute Datenlage schadet sicherlich auch im Nachhinein nicht.

Mit neuen Posten im Ministerium und in der Ackerbauverwaltung (Asta), mit Kommunikationsstrategien und Demonstrationsbauernhöfen soll mehr Sichtbarkeit für den Biolandbau geschaffen werden. Letztere sollen interessierten Landwirt*innen die Möglichkeit bieten, sich die Chancen und Risiken des Biolandbaus aus nächster Nähe anzusehen, um sie eventuell von einer Umstellung zu überzeugen.

Hilfe für Bio-Start-ups und Umstellung

Wer von konventioneller auf biologische Bewirtschaftung umstellt, muss sich nicht nur mit komplizierteren, oft auch arbeitsaufwändigeren Methoden beschäftigen, sondern auch eine Umstellungszeit abwarten, bis die Produkte auch das Bio-Label tragen dürfen. In der Regel sind das zwei Jahre, beim Obstbau sind es drei. Da gerade diese Umstellungszeit, in der man für Bioprodukte lediglich konventionelle Preise erhält, viele Landwirt*innen abschreckt, soll ein „Konversionsinstrument“ geschaffen werden. Mit staatlichen Hilfen sollen nötige Investitionen und die Umstellungszeit abgepuffert werden.

Die Überarbeitung und Anpassung staatlicher Prämien für Biolandwirtschaft ist ohnehin ein wichtiger Punkt des Aktionsplans. Neben höheren Beträgen sollen die Kriterien besser an die Realität in Biobetrieben angepasst werden. 2025 will Schneider neun Millionen Euro an Biolandwirt*innen auszahlen. Ein spezielles Programm soll auch kleinen Projekten und „Start-Ups“ unter die Arme greifen. Davon könnte zum Beispiel der in Luxemburg noch sehr kleine Sektor der solidarischen Landwirtschaft, einer Art Crowdfunding für Gemüse, profitieren.

Die Kosten für die Kontrollen, die im Biolandbau notwendigerweise anfallen, will der Staat künftig ebenfalls übernehmen. Vier Beamte sollen künftig bei der Asta für die Beratung von Biolandwirt*innen und für die Kontrolle der Höfe zuständig sein. Aktuell gibt es 148 Biobetriebe, wovon jedoch nicht alle klassische Höfe sind, sondern auch Obstplantagen, Weinberge oder Bienenstöcke. Da sich das Bio-Ziel der Regierung auf die landwirtschaftliche Fläche bezieht, ist es schwierig vorauszusehen, wie stark die Zahl der Betriebe steigen wird.

Daneben sollen Forschung sowie Aus- und Weiterbildungen für Biolandwirtschaft gestärkt werden. In die Landwirtschaftsausbildungen im Lycée technique agricole sollen Bio-Basiskenntnisse integriert werden. Eine separate Ausbildung ist jedoch nicht vorgesehen, wie der Minister bereits im Januar in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Sven Clement verkündete. Ob das Fernziel, bis 2050 die komplette luxemburgische Landwirtschaft auf Biolandbau umgestellt zu haben, ohne eine vollständige Ausbildung überhaupt machbar ist?

Foto: public domain/piqsels

Hühnchen statt Milch

Die Regierung will dem Biosektor auch helfen, neue Absatzmärkte zu schaffen und die luxemburgischen Bioprodukte besser zu vermarkten. Eine einfache Möglichkeit, einen Markt zu schaffen, sind die staatlichen Kantinen: Hier sollen ab 2025 mindestens zur Hälfte regionale Produkte verarbeitet werden, die zu 40 Prozent aus dem Biolandbau stammen. Außerdem sollen konventionelle Produkte aus dem Umstellungsprozess bevorzugt werden. Vier Institutionen testen dieses Beschaffungsprogramm, bevor es landesweit eingeführt wird.

In den Kantinen soll es dann verstärkt Biohühnchen, -kaninchen sowie -obst und -gemüse geben. In diesen Produktsparten sieht Schneider Wachstumspotenzial. Eine Analyse, der die Abgeordnete und Agronomin Martine Hansen (CSV) im Gespräch mit der woxx zustimmt: „Ein Produkt, das wir sicher mehr brauchen können, ist Gemüse.“ Sie gibt allerdings zu bedenken, dass die Wirtschaftlichkeit der Gemüseproduktion stark vom Wasserpreis abhängt, der jedoch regional schwankt – hier müsse die Regierung eingreifen. Die CSV-Politikerin kritisiert außerdem das Fehlen eines allgemeinen Aktionsplans für die Landwirtschaft.

Welche Bioprodukte wie viel Absatz finden, ist ein Punkt, der ohnehin viel diskutiert wird. Hansen argumentiert, ähnlich wie viele Landwirtschaftsvereinigungen, es gebe aufgrund der höheren Produktionskosten nur einen kleinen Markt für luxemburgische Biomilch – und dabei sind 51 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Weideland, das nicht einfach so für andere Produkte benutzt werden kann. Erschwerend hinzu kommt der Druck durch die Klimakrise: Auch Biorinder stoßen große Mengen klimaschädliches Methan aus. Der Bio-Aktionsplan setzt keinerlei Akzente, um Landwirt*innen dazu zu motivieren, ihre Produkte zu ändern. Das macht die reine Umstellung vielleicht einfacher und erlaubt es der Regierung möglicherweise, ihr Ziel zu erreichen – ob die luxemburgische Landwirtschaft dadurch in allen Punkten nachhaltiger wird, ist jedoch fraglich.


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