Chaotischer Corona-Test: „Domm gaang“

Corona-Symptome an einem Samstag, kein Auto und später keine Benachrichtigung zum Testergebnis: Ist das eine Aneinanderreihung unglücklicher Zufälle oder Ausdruck eines lückenhaften Systems?

Was tun, wenn die Ergebnisse 
des Corona-Tests nicht ankommen: Maske auf und abwarten? (© Isabel Spigarelli)

„Mein Hals kratzt“, sagt Helena* zu ihrer Partnerin. „Ich habe Schüttelfrost.“ Es ist ein Freitagabend. Draußen ist es heiß. Nachbar*innen unterhalten sich lautstark auf dem Bürgersteig. Ein junges Paar will schlafen gehen, doch plötzlich ist sie real: die Angst vor einer Corona-Infektion. Zu den Halsschmerzen und dem Fieber kommen am nächsten Tag weitere Symptome. Helena will schnellstmöglich Gewissheit, auf die sie am Ende über eine Woche warten muss.

Die Praxis ihrer Hausärztin ist samstags geschlossen. „Wenden Sie sich an die Maison médicale“, rät die Frau der Corona-Helpline ihr deshalb. „Andernfalls warten Sie bis zum Montag und lassen sich von ihrer Ärztin einen Test verschreiben.“ Helena lebt mit fünf Menschen in einer Wohngemeinschaft. Sie will nicht abwarten und wählt die Nummer der Maison médicale. Es ist die erste von vielen Erfahrungen mit einem Anrufbeantworter, der ihr gleich die Gretchenfrage des Jahres stellt: Hat sie Symptome einer Covid-19-Infektion? Helena ist ehrlich. Sie drückt die Eins für „Ja“. Der Anrufbeantworter wimmelt sie ab. Patient*innen mit Symptomen sind in der Maison médicale nicht erwünscht. Helena lauscht dem anschließenden Freizeichen, horcht in die stumme Leitung hinein. Und jetzt?

Absurde Ratschläge

Sie wählt die Nummer erneut und lügt den Anrufbeantworter an. Er kauft ihr das Nein ab und stellt sie zu einem Arzt durch. „Wenn Sie am Wochenende einen Test machen wollen, müssen Sie in die Notaufnahme. Wenn Sie kein Auto haben, dann bestellen Sie ein Taxi.“ Es ist kurz still. „Ach nein, das geht nicht – Sie haben ja Symptome. In dem Fall bleibt nur der Krankenwagen.“ Helena legt auf. Ihre Mitbewohner*innen machen Druck. Mit den Öffentlichen ins Krankenhaus zu fahren, hält sie für irrsinnig und genauso absurd, wie mit dem Krankenwagen in die Notaufnahme kutschiert zu werden. Sie ruft auf Anraten des Arztes dennoch beim Notruf an. „Wenn Sie keine andere Möglichkeit haben, müssen Sie einen Krankenwagen rufen“, versichert ihr ein Mitarbeiter dort. Helena schildert ihr Befinden: Ein Notfall ist sie nicht, nur verschlimmern sich ihre Symptome stündlich und Abzuwarten scheint ihr fahrlässig. Sie fragt ein weiteres Mal bei der Helpline um Rat, erhält aber denselben Lösungsvorschlag: Krankenwagen rufen, Notaufnahme, testen lassen.

Wenig später steht ein Krankenwagen vor der Haustür. Einer der Krankenpfleger zieht unter seiner Schutzbrille die Augenbrauen hoch. „Sie sind die Patientin?“, fragt er verwundert. „Das ist doch kein Notfall.“ Das Gespräch findet auf offener Straße statt, dort wo vor wenigen Stunden die Nachbar*innen herumgeschrien haben. Die blauen Lichter des Krankenwagens leuchten noch. „Wir fahren Sie nicht ins Krankenhaus“, sagt der Krankenpfleger. „Wegen so was geraten wir in Rückstand.“ Helena fühlt sich bloßgestellt und schlecht beraten. Sie muss ein Dokument unterschreiben das besagt, dass sie den Krankentransport verwehrt. Das tut sie, auch wenn das so nicht stimmt. Der Krankenwagen fährt ohne sie ab.

Erst später am selben Tag erbarmt sich einer ihrer Mitbewohner*innen, der tagsüber unterwegs war, sie ins Krankenhaus zu fahren, und setzt sich somit einem erhöhten Risiko einer Infizierung aus. Helena hustet zusammen mit anderen potenziell Infizierten im Wartesaal um die Wette, später teilt sie sich mit einem kreidebleichen Mann mit Maske den Aufzug zu den Behandlungszimmern, in denen die Tests durchgeführt werden. „Das Testergebnis erhalten Sie in 48 bis 72 Stunden“, verspricht ihr ein Krankenpfleger. Helena ahnt nicht, dass das erst des Dramas erster Akt war. Der zweite folgt nach 72 Stunden.

Suche: Testergebnis Covid-19

Ein Testergebnis hat Helena bis dahin und bis heute nicht erhalten, zumindest nicht wie erwartet auf ihr Mobiltelefon. Das Krankenhaus kann ihr anfangs keine Auskunft geben. „Rufen Sie das Labor an“, empfiehlt ein Mann, als sie sich vier Tage später nach ihren Ergebnissen erkundigt. Helena wählt die Nummer des Labors und kennt schon bald den Text der Warteschleife auswendig. Auf der Website des Labors heißt es, die Patient*innen sollen nicht anrufen, um Testergebnisse in Erfahrung zu bringen. Die Services seien überlastet. Das leuchtet Helena ein – ihren Telefonpartner*innen von der Direction de la santé, der Corona-Helpline und des Krankenhauses aber nicht. Immer wieder wird sie auf das Labor verwiesen, wo sie niemanden erreicht. Nach sechs Tagen kontaktiert Helena ihre Hausärztin, die zunächst ihre Ergebnisse ausfindig machen will. Sie will zurückrufen, was allerdings nie passiert. Helena hustet sich inzwischen die Seele aus dem Leib und nimmt erneut Kontakt zu ihr auf – die Ärztin erreicht angeblich auch niemanden – und verlangt die Verschreibung eines neuen Tests. Sie hat das Haus seit der peinlichen Aktion auf dem Bürgersteig nicht mehr verlassen, aus Angst, jemanden anzustecken.

Sie versucht ihr Glück ein letztes Mal beim Krankenhaus. Eine Empfangsmitarbeiterin stellt sie wider Erwarten zu einer Filiale des Labors durch – und siehe da: Helenas Testergebnisse werden ihr telefonisch, lediglich nach Angabe ihrer Sozialversicherungsnummer, durchgegeben. Sie ist negativ. „Sie wurden in der Notaufnahme getestet?“, fragt die Labormitarbeiterin. „Die verschicken oft keine Kopie der Ergebnisse an die Patienten, wenn der Test negativ ausfällt, deswegen wurden Sie nicht benachrichtigt.“ Ob das alles ein absurder Fiebertraum war?

CC BY Theo Crazzolara 2.0

Pech oder Lücke?

Nein, denn auf Nachfrage der woxx sagt Jean-Claude Schmit, Direktor der Direction de la santé: „Das Testergebnis wird an den Arzt übermittelt und auf Nachfrage auch an den Patienten. Der Arzt, der den Test verschrieben hat, muss die notwendigen Schritte einleiten, damit der Patient informiert wird. Falls der Covid-Test positiv ausfällt, wird dies der Inspection sanitaire gemeldet, die den Patienten im Hinblick auf das Contact Tracing kontaktiert.“ Da Helena nicht explizit den Wunsch geäußert hatte, über das Testergebnis informiert zu werden, wurde sie nicht kontaktiert – und weil keine Verschreibung im Spiel war, konnte auch ihre Hausärztin nichts ausrichten. Wusste Helena das? Nein. Schmit ist einverstanden, dass es den Patient*innen gegenüber nicht korrekt ist, sie missverständlich über das Prozedere und in Einzelfällen nicht über ihr Testergebnis zu informieren. Ein Risiko für die allgemeine Gesundheit sieht er darin nicht, da das Labor die positiven Ergebnisse ja der Inspection sanitaire melden muss.

Die Annahme, dass Fälle wie der von Helena Ressourcen verschwenden, weil sich Menschen in kürzester Zeit ein zweites Mal testen lassen, bestätigt Schmit nicht: „In den allermeisten Fällen werden die Informationen zu den Testergebnissen korrekt an die Patienten weitergeleitet. Die meisten Labore haben zudem gesicherte Websites, auf denen man sich als Patient einloggen und seine Ergebnisse nachlesen kann.“ Helena konnte das nicht. Technische Panne oder ganz einfach Pech: Die Prozedur klappt nicht einwandfrei.

Die Tatsache, dass Helena von dem Krankenwagenfahrer zurückgewiesen wurde, hält Schmit für nachvollziehbar: „Es bestand in dem Fall keine medizinische Notwendigkeit einen Test zu machen – die Person wollte nur Gewissheit haben, was verständlich ist, aber keinen Notfall bedeutet – andernfalls hätten sie die Person selbstverständlich in die Notaufnahme gefahren.“ Verschiedene Labore würden anbieten, die Betroffenen zuhause zu testen – doch weder die Kontaktpersonen der Corona-Helpline noch der Arzt in der Maison médicale oder die Mitarbeiter*innen der Notrufzentrale hatten das auf dem Schirm.

„Domm gaang“, sagt man auf Luxemburgisch wohl dazu. Ob wir uns aber in Zeiten einer sanitären Krise „Domm gaang“ und solche Kommunikationshürden leisten können? Informationen müssen klar kommuniziert werden. Es ist wichtig, Menschen schnell und problemlos zu testen, wenn sie Symptome entwickeln – besonders diejenigen, die aufgrund eingeschränkter Mobilität, ihres Alters oder anderer Faktoren nicht mobil sind. Darüber hinaus sollte es Standard sein, dass Patient*innen über ihre Testergebnisse informiert werden, anstatt sie bei einem negativen Resultat im Ungewissen zu lassen. Das ist zum einen nicht fair und zum anderen führt es im schlimmsten Fall dazu, dass sie sich bei einer erneuten Erkrankung aus Frust gar nicht erst an Ärzt*innen wenden.

*Name von der Redaktion geändert

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