Das Gedächtnis des Augenblicks

Von „streetphoto.lu“ bis zur Fotografin Vivian Maier: mit einem sechsseitigen Weihnachtsspecial widmet sich die woxx in der kommenden Printausgabe dem Thema Straßenfotografie.

Auf der Suche nach der Perspektive: Straßenszene in Luxemburg, festgehalten von Paul Bintner. (Foto: Paul Bintner)

Spontaneität ist das zentrale Element eines fotografischen Genres, dass sich in den vergangenen Jahren wieder zunehmender Beliebtheit erfreut: die Rede ist von der Straßenfotografie. Derzeit läuft im Städtischen Museum in Luxemburg die Ausstellung „Leit an der Stad – Luxembourg Street Photography, 1950-2017“, die „Klassiker“ der Luxemburger Straßenfotografie wie Batty Fischer und Tony Krier mit zeitgenössischen Arbeiten wie jenen des Kollektivs „Street Photography Luxembourg“ vereint. Für ihr sechsseitiges Weihnachtsspecial zum Thema hat die woxx mit Paul Bintner, einem der Gründer des Kollektivs, über dessen Arbeit und die Besonderheiten der Straßenfotografie in Luxemburg gesprochen. Im Unterschied zu einem von manchen propagierten Katechismus der Straßenfotografie, sagt Bintner: „Man kann heute auch mit dem Smartphone ein Foto machen, das ist meiner Meinung nach kein Tabu.“

„Vivian Maier war der Prototypus dessen, wie wir heute unser Smartphone benutzen“, meint zur Frage der Handy-Schnappschüsse Pamela Bannos im Gespräch mit der woxx: „Wir fotografieren alles Mögliche, weil wir immer eine Kamera dabei haben. Vivian Maier hatte ebenfalls immer eine Kamera dabei, was damals ungewöhnlich war“, so die Professorin, die als Künstlerin arbeitet und an der Northwestern University in Chicago Fotografie lehrt. Soeben ist eine von ihr verfasste Biografie über die von einer Aura des Mysteriösen umgegebene, 2009 verstorbene Vivian Maier erschienen. Die mittlerweile legendäre Fotografin hat ihre Arbeiten zeitlebens nie mit anderen geteilt. Erst nach ihrem Tod wurde ihr Werk allmählich berühmt.

Die woxx hat die Biografie rezensiert und meint, mit ihrem Buch über Vivian Maier bringe Bannos „eine längst fällige Gegenerzählung auf den Markt“. Sie zerstöre das Bild der als „nanny“ arbeitenden Dilettantin, „der wie durch ein Wunder ein genialer Schnappschuss nach dem anderen gelingt. Stattdessen präsentiert sie ihren Leser*innen eine Fotografin, die sich als Autodidaktin die versiertesten Fähigkeiten angeeignet hat. Die also nicht ‚mal eben‘ Kirk Douglas, Salvador Dalí, oder, wie sonst vorwiegend, Menschen auf der Straße fotografiert, sondern sich in den 1950er und 60er-Jahren technisch, künstlerisch und motivisch entlang des ‚state of the art‘ bewegt. Zugleich erzählt Bannos die Geschichte einer selbstbewussten Frau, die ihr Leben gestaltet, ohne sich von ihrer Familie oder wem auch sonst bevormunden zu lassen.“

Im Interview mit der woxx spricht Pamela Bannos nicht nur über Vivian Maiers Familiengeschichte als „Geschichte der Scham“, sondern erläutert auch die Arbeitsweise der Fotografin, die für sich selbst großen Wert auf Privatheit legte: „Sie hat nie eine Zoom-Linse benutzt. Wenn man sich das klar macht, versteht man erst, wie nahe sie den Leuten tatsächlich gekommen ist. Aber so arbeiten Straßenfotografen.“

Neugier, Wissbegierde und sogar Voyeurismus – diese Elemente bezeichnet Bannos in ihrem Buch als die Basis der Straßenfotografie. Über Möglichkeiten, Gefahren und die mit diesem Genre verbundene besondere Verantwortung hat auch der Luxemburger Fotograf Patrick Galbats in einem andernorts publizierten Interview viel Interessantes gesagt. Galbats arbeitet gerade an einem vielversprechenden Projekt mit dem Titel „Hit Me One More Time“. Es versammelt fotografische Beobachtungen in Ungarn, einem post-kommunistischen Land, das, gefangen in seiner eigenen Geschichte, sich nach längst vergangener Größe sehnt. Grund genug für uns, ihn kommenden Februar rechtzeitig vor Beginn seiner Ausstellung am 10. März 2018 im CNA in Düdelingen zu porträtieren.


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