Pünktlich zur Fußball-EM kommt der letzte linke Kleingärtner so breitbeinig und mit Dampfhammer-Argumenten wie sonst nur Ronaldo bei seinen Freistößen daher: Wen juckt schon der Klimawandel … außer die schönste Nebensache der Welt ist in Gefahr!
Die woxx-Redaktion bekam aus gut unterrichteten Quellen die Information zugespielt, dass in Deutschland aktuell eine Fußball Europameisterschaft (EM) stattfindet. Eine spontane Internetsuche ergab: Fußballplätze sind meist grün. Gestützt auf diese knallharte Investigativ-Recherche, bat man den Experten für Grünzeugs aller Art um Erläuterung und einen sommerlichen Beitrag zum Thema. Der „letzte linke Kleingärtner“ ließ sich nicht zweimal bitten. Was folgt, ist sein wahrer, unverfälschter ohne alternative Fakten auskommender Bericht.
Deutschland ist grün geworden. Dieses grüne Deutschland ist medial in allen europäischen Ländern allgegenwärtig: analog, digital, in den TV-Programmen und auf den Social-Media-Kanälen. Wie kam es dazu? Haben die deutschen Grünen bei der EU-Wahl etwa doch Stimmen hinzugewonnen? Haben sie einen politischen Erfolg gelandet, zum Beispiel ihren Anton Hofreiter, den grünen Superman und Streiter für mehr Waffen an die Ukraine, in Kiew als stellvertretenden Verteidigungsminister installiert?
Nichts von alledem. Es ist Fußball-EM und jede der Rasenflächen in den zehn EM-Stadien von Hamburg über Düsseldorf, Köln, Stuttgart und Frankfurt bis nach München strahlt in einem saftigen Grün. So als gäbe es keinen Klimawandel, keine Wasserknappheit, sondern nur eine gesunde und sich an sich selbst erfreuende Natur im Überfluss. Dass der Rasen das Ergebnis einer hochgefahrenen Züchtung ist und noch dazu in einem Nährstoffbett liegt, wie es nirgendwo in der Natur vorkommt: geschenkt. Was zählt, sind die Bilder vom saftigen Grün, das einen unweigerlich an die glücklichen Kühe rund um die schnuckeligen kleinen Bauernhöfe mit Alm- und Alpenanschluss erinnert, die von glücklichen Bäuerinnen und Bauern auf der Weide von Hand gemolken werden.
Mit dem Sportrasen ist es wie mit den saftig-grünen Bildern auf den Milchpackungen und milchbasierten Produkten. Bei Letzteren kaschieren sie gerne einen Milchanteil von unter einem Prozent. So ist das mit dem Grün in unseren Landen: viel Schein, wenig Sein. Von schönen Bildern lebt nicht nur der real existierende Kapitalismus sondern auch das real existierende Kunstwerk im „Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (Walter Benjamin). Und auch die boomende Esoterikszene weidet sich an den historisch verklärten Bildern heiler Naturlandschaften, die durch den Menschen zerstört worden seien.
Mit dem Sportrasen ist es wie mit den saftig-grünen Bildern auf den Milchpackungen.
Doch etwas stört das Bild von der heilen und heiligen Fußball-Rasenwelt: Es regnet. Es regnet richtig viel. Wer hätte das gedacht? Bei dem Spiel Rumänien gegen die Slowakei am 26. Juni in Frankfurt ballerte es von oben in einem Ausmaß herab, dass selbst der deutsche Reporter – oder war es gar eine Frau, wer weiß – nicht umhinkam, an die legendäre Wasserschlacht von Frankfurt zu erinnern. Die ist schon eine Weile eher und geschah während des Halbfinales bei der Fußball-WM von 1974 am 3. Juli im Spiel Westdeutschland gegen Polen. Da der Platz nicht über eine Drainage verfügte, glich er einer Seenlandschaft und war eigentlich unbespielbar. Polen hatte die bessere Mannschaft, die Deutschen gewannen leider trotzdem und kamen ins Endspiel gegen die Niederlande.
Zurück ins Hier und Jetzt. Die Wassermassen im Spiel Türkei – Georgien am 18. Juni in Dortmund waren ebenfalls nicht ohne. Den Höhepunkt stellte aber zweifellos das Achtelfinalspiel Dänemark gegen Deutschland dar, das am vergangenen Samstag am gleichen Ort über die Bühne ging. Eine Viertelstunde vor dem Ende der ersten Halbzeit donnerte, blitzte und schüttete es derart, dass das Spiel unterbrochen werden musste. Das kommt im Hochleistungsfußball so selten vor wie eine Marienerscheinung oder eine Auferstehung in der Kirche.
Aber warum um alles in der Welt diese Wassermassen? Nun, die Erde wird wärmer, wärmere Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf und folglich regnet es auch manchmal mehr und auf engem Raum so viel, dass es im analogen Leben zu Hochwasser und weggeschwemmten Häusern und Autos kommt. Es wird „uns“ nichts anderes übrigbleiben: Wenn der Klimawandel den Fußball bedroht, müssen wir handeln, damit wir auch zukünftig Fußballspiele geordnet über die Bühne des gesättigten Rassengrüns bringen können. So haben die Fußball-EM und die das Spektakel organisierende UEFA – in deren Jargon bedeutet ‚organisieren‘, dass man den das Turnier ausrichtenden Ländern das Geld aus der Tasche zieht – unfreiwillig gezeigt, dass das heitere Spiel mit den „fröhlichen“ Nationalteams vom Klimawandel bedroht ist. Oh weia.
Drei Praxistipps:
- Nimm keinen Schirm mit ins Stadion. Wenn es regnet, ist das dein Schicksal.
- Da die Klimakrise den Fußball bedroht, müssen wir handeln.
- Bekämpfe die Klimakrise besser ohne die UEFA und du gewinnst.