Dilemma Autokauf: Grau oder schwarz?

Welche Farbe das neue Auto haben soll, das war vor dem Abgasskandal die schwierigste Frage. Eine Entscheidungshilfe in der neuen Unübersichtlichkeit bietet die Auto-Umweltliste des VCD – allem Lug und Trug der Autoindustrie zum Trotz.

Demo beim Dieselgipfel (Copyright: VCD / Katja Täubert)

Es ist eine „Liste ohne Sieger“, die der alternative Verkehrsclub VCD vergangenen Donnerstag vorgestellt hat. Das seit 2002 erstellte jährliche Ranking der in Deutschland angebotenen PKW war 2016 durch allgemeine Empfehlungen ersetzt worden. Der Abgasskandal hatte gezeigt, dass die offiziellen Zahlen, insbesondere bei Dieselmodellen, auf Fälschungen beruhten. Für 2017 hat der VCD nun aber beschlossen, wieder eine Umweltliste als Entscheidungshilfe beim Autokauf zur Verfügung zu stellen.

Elektrisch fährt am längsten

„Glücklich ist, wer warten kann“, so lautet trotzdem die wichtigste Empfehlung. Denn obwohl Umwelt-NGOs und Autokonzerne mittlerweile den Schadstoffausstoß auf der Straße (Real Driving Emissions, RDE) gemessen haben, reichen die Daten nicht für einen Vergleich aller Modelle. Der VCD hat deshalb nur PKW ausgewählt, für die sich belegen lässt, dass sie auf der Straße die Euro-6-Grenzwerte einhalten und weniger als 150 Gramm CO2 ausstoßen. Das sind zum jetzigen Zeitpunkt gerade einmal 34 Modelle – eine Positivliste für die BürgerInnen, die mit dem Autokauf nicht warten können oder wollen.

Fast ein Drittel der empfohlenen Wagen sind E-Cars. Bis 2015 hatte der VCD diese Antriebsart aus technischen Gründen vom Ranking ausgeschlossen und in einer separaten Liste aufgeführt. Diesmal werden, wie bereits 2016, die Elektroautos gleichbehandelt. Sie seien „unverzichtbar, um die internationalen Klimaziele zu erreichen“, schreibt der Verkehrsclub, der diese Antriebsart lange verdächtigt hatte, nur eine Alibifunktion zu erfüllen. Uneingeschränkt positiv ist die Bewertung allerdings immer noch nicht. Zwar gibt der VCD beim CO2-Ausstoß einen Wert an, wenn Windstrom getankt wird – fast null. Ein zweiter Wert, basierend auf dem kohlelastigen deutschen Strommix, liegt – kombiniert mit realistischen Verbrauchswerten – jedoch zwischen 89 und 133 Gramm pro Kilometer. Die Modelle reichen vom Citroën C-Zero bis zum Kompakt-Van Mercedes B 250e.

Das Modell S von Tesla hat der VCD nicht aufgeführt – wegen seines „überdimensionierten Akkus“. Über das Modell 3, dessen Akku eine wesentlich höhere Energiedichte erreichen soll, heißt es: „Alle warten auf den Tesla 3. Wir auch.“ Für den VCD ist die Ökobilanz der Batterieproduktion das Hauptproblem bei den E-Cars. Weil sich die mit der Menge der gefahrenen Kilometer verbessert, werden Elektroautos vor allem für Fahrzeugflotten, Carsharing und Pendler mit mindestens 30 Kilometer Fahrstrecke empfohlen.

Benziner ja, aber

Wer häufig lange Strecken fährt, wird eher nach Autos mit Hybridantrieb schielen – eine mittlerweile bewährte Technologie, die das klassische Tankstellennetz nutzt. Der VCD warnt aber vor den Plug-in-Hybriden. Nicht wegen des Prinzips – man kann sie auf kurzen Strecken wie ein Elektroauto benutzen. Aber: „Sie haben (…) keinen Partikelfilter und verbrauchen zu viel Sprit.“ Empfehlenswert sei nur der Prius Plug-in – das bewährte Hybrid-Modell von Toyota mit einem leistungsstärkeren Akku.

Am häufigsten findet sich auf der VCD-Positivliste allerdings eine eher altmodische Antriebsart: der Benziner. Noch dazu in der Ausführung ohne Direkteinspritzung. Grund dieser Einschränkung: Die Direkteinspritzung, eigentlich eine Spitzentechnologie, erzeugt Feinpartikel, die mindestens so schädlich sind wie die vom Dieselantrieb bekannten. Zwar hätte man in diese Autos Filter einbauen können, doch hat die Autoindustrie dies so lange wie möglich hinausgezögert. Der erste Direkteinspritzer-Benziner mit Partikelfilter ist der schwere Mercedes S 500, Kleinwagen „mit“ wird es wohl erst im September 2018 geben – wenn es gesetzlich vorgeschrieben wird.

Die vom VCD ausgewählten Benziner sind sparsam – der „reale“ Verbrauch auf 100 Kilometern liegt zwischen 5,3 und 6,4 Litern. Das ist viel mehr als die Beinah-3-Liter-Werte, die insbesondere Dieselmodelle in den Jahren zuvor erreichten … in den offiziellen Prüfverfahren, also mit Tricks und Betrügereien. Auf der Umweltliste von 2017 findet sich kein einziges Diesel-Modell. „Sicher vor Fahrverboten sind langfristig nur solche Diesel-PKW, die die Schadstoffgrenzwerte auch auf der Straße beim RDE-Test einhalten“, schreibt der VCD. Einzig der Mercedes E 220 d schafft das, bläst andererseits aber viel zu viel CO2 in die Luft. Vermutlich könnten Modelle aus dem VW-Konzern die Bedingungen erfüllen, doch die Firma habe dem VCD die angeforderten Daten nicht übermittelt. Für seine Transparenz gelobt wird dagegen der PSA-Konzern, der Straßenmessungen mit externer Kontrolle durchführt – 9 von 34 ausgewählten Modellen tragen denn auch die Markennamen Peugeot, Citroën und DS.

Alles in allem gemahnt die VCD-Positivliste daran, dass gegenüber der Autoindustrie immer noch größtes Misstrauen angebracht ist. Leider werden Euro-6-Diesel oder Direkteinspritzer-Benziner weiterhin als „sauber“ verkauft, bieten die Spritpreise keinen Anreiz zum Anders- oder Wenigerfahren und lässt die staatliche Förderung eine Übergangstechnologie wie die Hybridautos im Regen stehen. Eine Verkehrswende sieht anders aus.

Anders als die kostenpflichtigen Rankings der Vorjahre, ist die diesjährige Positivliste vollständig online verfügbar.


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