Ein Jahr bei der woxx

Als ich Mitte Oktober 2001 meinen ersten Blogeintrag verfasste, dachte ich wenig über Journalismus nach. Viel wichtiger war die Möglichkeit, mich persönlich ausdrücken und mit Technologie herumspielen zu können. Wenige Jahre später machte ich, bestärkt durch meine Erfahrungen beim Bloggen, erste Schritte bei Graffiti, den Jugendsendungen von Radio Ara. Es folgten die Queesch und dann beim Studium in Österreich zwei Studierendenmagazine. Ich kam mir immer etwas merkwürdig vor, als Online-Mensch plötzlich für Printmagazine zu schreiben, beziehungsweise diese sogar redaktionell zu gestalten. Der magische Moment, die eigenen Worte auf Papier in der Hand zu halten, ist dennoch etwas Besonderes. Gerade beim „progress“, das österreichweit erschien, war jede Ausgabe durch ein großzügiges Budget für Fotos und Illustrationen ein kleines Kunstwerk.
Die Ausgabe Nummer 1500, mit der wir 30 Jahre GréngeSpoun/woxx feiern, markiert auch das Ende meines ersten Jahres bei der woxx. Ich könnte nun viel darüber schreiben, wie merkwürdig es ist, wieder im einzigen Großherzogtum der Welt zu leben, aber das ist lediglich eine Nebenerscheinung. Der größte, sofort spürbare Unterschied zwischen progress und woxx war die Erscheinungsfrequenz. Wenn ein Magazin lediglich sechsmal im Jahr erscheint, bleibt natürlich viel mehr Zeit für alles – bei der woxx muss der gleichlange Artikel innerhalb einer Woche fertig werden. In den ersten Wochen und Monaten war das dann doch eher anstrengend, bis ich meinen Rhythmus gefunden hatte. Ich habe nun wesentlich mehr Bewunderung für jene Kolleg*innen, die Tageszeitungen machen, und bin umso überzeugter, dass Wochenzeitungen eine gute und richtige Sache sind, die Recherche, gründliches Nachdenken und Analyse erst ermöglichen. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb bei vielen Pressekonferenzen so erstaunlich wenige (gute) Fragen gestellt werden.
In einem selbstverwalteten Redaktionskollektiv wie der woxx hätte es mich vielleicht nicht überraschen sollen: Knapp zwei Wochen nach meinem Arbeitsbeginn durfte ich schon eine Story schreiben, die auf dem Cover landete. Den Artikel über die luxemburgische Perspektive auf das in Deutschland erforschte Insektensterben halte ich immer noch für ziemlich gelungen. Da die woxx keine*n Chefredakteur*in hat, aber im Zeitungsbetrieb dennoch eine Person notwendig ist, die den Überblick behält, gibt es die sogenannte Koordination. Der*die Koordinator*in wechselt im Schnitt alle drei Wochen und hat jede Menge Aufgaben, die ich aus meiner Zeit beim progress schon kannte: den Plan für die nächste Nummer erstellen, Redaktionssitzungen leiten, E-Mails an die jeweiligen Redakteur*innen weiterleiten usw. Ich war dennoch ganz schön froh, als ich die erste Ausgabe, die ich koordiniert hatte, in den Händen hielt, alles in der richtigen Reihenfolge gedruckt und keine Seite unerwarteterweise leer war.
Seit November 2017 ist auch das online-woxx-Projekt gestartet. Das fühlt sich manchmal ein wenig an wie das Bloggen früher, auch wenn es bei der woxx selbstverständlich eine Korrektur gibt. Alles, was nicht in die Printausgabe passt, kann online realisiert werden – zu den Comic- und Games-Rezensionen komme ich dennoch nicht so oft, wie ich es mir wünschen würde. Seit diesem Sommer hat die woxx einen Podcast: „Am Bistro mat der woxx“ produzieren wir gemeinsam mit Radio Ara – das Konzept, einen Einblick in die redaktionelle Arbeit zu geben, gefällt mir richtig gut. Apropos Radio: Bei der woxx darf man auch als neuer Mitarbeiter recht schnell mal in den Presseclub von RTL, was eine enorme Chance ist – und auch bei Zuhörer*innen Anklang findet, die sich über neue Stimmen freuen.
Was mich im letzten Jahr immer wieder positiv überrascht hat, ist die Offenheit, mit der neuen Ideen in der Redaktion begegnet wird. Nicht alles kann sofort umgesetzt werden, aber viele Artikelideen, denen in anderen Medien vermutlich mit Skepsis begegnet wird – die enorme Recherche zum Abstimmungsverhalten im Parlament, die Auflistung der vielen Einweihungen der Regierung im September usw. – waren in der woxx nie Gegenstand einer Diskussion. Das macht Lust, weiterzumachen: on- wie offline!6


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