Energieknappheit im Kultursektor: The Heat Is On

Die drohende Energieknappheit durch die angespannte Weltlage betrifft auch den Kultursektor. In Deutschland ziehen Museen deshalb jetzt den Stecker und wollen Energie einsparen. Was plant die luxemburgische Kulturszene?

Wer im Kultursektor Energie sparen will, sollte nicht nur wahllos Klimaanlagen aussortieren. (Foto: Pexels/Tom Fisk

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Es war eine etwas ungewöhnliche Ankündigung, die das saarländische Museum vergangene Woche in einer Pressemitteilung machte: „In Anbetracht der anstehenden Energieknappheit in diesem Winter möchte auch das Historische Museum Saar seinen Beitrag zum Energiesparen leisten.“ Von September bis April werde unter anderem auf die Beleuchtung der Gebäudefassade verzichtet und die Klimatisierung der Ausstellungshallen um einen Grad angepasst. Das Museum kam damit einem Aufruf des Deutschen Museumsbundes zuvor: Dieser hat am Montag Handlungsempfehlungen zur Reduzierung des Energieverbrauchs in Museen herausgegeben. Hintergrund ist die angespannte internationale Lage durch die russische Invasion der Ukraine, infolge derer auch Störungen der Gasversorgung drohen. Luxemburg hat sich Anfang August auf einer außerordentlichen Tagung des EU-Rates der Energieminister*innen solchen Sparbemühungen angeschlossen: Bis zum 31. März 2023 soll die Erdgasnachfrage in einer ersten Phase um 15 Prozent gesenkt werden. Anders als in Deutschland, hat sich der luxemburgische Kultursektor aber bisher nicht öffentlich zur Energiekrise geäußert.

Der International Council of Museums Luxembourg (Icom Luxembourg) habe bislang auch intern keine konkreten Leitlinien für die nationalen Museen publiziert, so Guy Thewes, der Vizepräsident des Icom, gegenüber der woxx. Er geht davon aus, dass in Deutschland eine größere Furcht vor dem Winter und einer drohenden Energieknappheit herrscht als in Luxemburg. Gleichzeitig verweist er darauf, dass ein reduzierter Verbrauch auch aus ökologischen Gründen schon seit Jahren auf der Tagesordnung der Museen stünde. Tatsächlich widmete der Deutsche Museumsbund im vergangenen Jahr eine komplette Ausgabe des Fachmagazins „Museumskunde“ solchen Themen. Auch auf den Weltkonferenzen des Icom in Paris (2018) und in Kyoto (2019) waren Umweltfragen in aller Munde. Eine Arbeitsgruppe von Icom International arbeitet seit 2018 einen Strategieplan aus, auf der Website des Netzwerkes gibt es Richtlinien zur Nachhaltigkeit in Museen zum Herunterladen. Dass das Historische Museum Saar mit seinem Energiesparplan an die Presse geht, hält Thewes deswegen für eine PR-Aktion.

Die steigenden Energiepreise stellen manche Kulturinstitutionen vor finanzielle Herausforderungen und erfordern Sparmaßnahmen. (Foto: Pexels/La Miko)

Von PR-Aktionen und kleinen Schritten

Thewes, der das Lëtzebuerg City Museum und die Villa Vauban leitet, plädiert für nachhaltige Konzepte statt punktueller Kampagnen. Eine Bestrebung, die er in mehreren luxemburgischen Museen beobachtet, so etwa auch im Mudam. Darüber hinaus sind das Lëtzebuerg City Museum und das Nationalmuseum für Geschichte und Kunst Mitglied im deutschen „Arbeitskreis Museen für Geschichte”, der im November in Graz zusammenkommen wird, um über Nachhaltigkeit und die Verantwortung der Museen zu diskutieren. Für Thewes ist klar, dass Museen ihren Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten müssen: „Museen sind eine Bildungseinrichtung und in dem Sinne wollen wir das Publikum für Umweltfragen sensibilisieren, zum Beispiel durch Ausstellungsthemen.“ Im Lëtzebuerg City Museum ist daher für nächstes Jahr die Schau „All you can eat. Eine Ausstellung über unsere Ernährung“ geplant: Wie haben sich Essgewohnheiten über die Jahrhunderte verändert? Wie die Landwirtschaft?, diese und andere Aspekte werden dort erörtert. Ein Raum wird dem „Future Food“ und der Frage gewidmet sein, wie wir unsere Ernährung in Zukunft gestalten können. „Bei allen Aspekten schwingt die Frage nach Überfluss und Mangel mit“, präzisiert Thewes.

In den Häusern unter seiner Leitung hat sich inzwischen eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit Energieeinsparung und Nachhaltigkeit in Museen beschäftigt. Zwei Mitarbeiter*innen nehmen daher auch an dem Kongress „Das Grüne Museum” in Frankfurt teil. „Es geht jetzt um die Bewusstseinsbildung und Ausarbeitung von möglichen Schritten, bis zur Umsetzung aller Maßnahmen dauert es vermutlich noch”, räumt Thewes ein. „Museen sind Maschinerien, die viel Energie verbrauchen.“ In den Museen, die er leitet, wurden die Lichter bis auf wenige Ausnahmen auf LED umgestellt, die Klimatisierung der Räumlichkeiten variiert je nach Zweckmäßigkeit.

Es gibt für Thewes viele Punkte, an denen man in Museen ansetzen könnte: klimaneutrale Lagerräume, LED-Beleuchtung, kein Licht in ungenutzten Räumen, weniger Wechselausstellungen, der Einsatz wiederverwendbarer Ausstellungsmaterialien und Grundstrukturen, der Umstieg auf digitale Kommunikation zwischen den Museen, besonders beim Austausch von Leihgaben. Letzteres habe sich während der Pandemie als Alternative erwiesen: „Hätten wir vor fünf Jahren eine Ausstellung wie „John Constable´s English Landscapes“ gemeinsam mit dem Tate organisiert, wären wir sicherlich mehrmals nach London geflogen“, sagt er. „Der Großteil der Vorbereitungen lief aufgrund der Pandemie digital. Das setzt natürlich Vertrauen voraus, wenn man dem Auspacken einer kostbaren Leihgabe beispielsweise nur per Video beiwohnen kann.“

Pexels/Medhat Ayad

Grenzen und Sorgen

Andere Anpassungen seien schwerer umzusetzen, wie etwa die Reduzierung der Klimaanlagen in den Ausstellungsräumen. Dort müssen starke Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen zum Schutz der Exponate vermieden werden. „Ich ziehe es vor, die Klimaanlage in einem Konferenzraum niedriger zu stellen, als in den Ausstellungshallen“, gibt Thewes zu. Die Klimatisierung der Innenräume hänge zudem mit den Wetterbedingungen zusammen: Bei extremer Hitze, wie sie gerade auch in Luxemburg herrscht, sei die Steuerung der Klimaanlagen problematisch. „Unser Hauptdepot liegt in einem halb unterkellerten Geschoss, wo keine Klimaanlage vorhanden ist und die Temperaturschwankungen relativ gering sind“, verrät er. „Dort gibt es aber Probleme wegen der Feuchtigkeit und dem Eindringen von Regenwasser, weshalb wir besonders wertvolle Gemälde im Museum lagern.“

Auch Ainhoa Achutegui, Direktorin des Kulturzentrums Abtei Neimënster, bestätigt im Gespräch mit der woxx, dass es für die Kulturinstitutionen bei Sparmaßnahmen Grenzen gibt. „LED-Lampen für Projektoren haben eine komplexere Elektronik und können nicht einfach eingeschmolzen und wiederverwertet werden, wenn sie defekt sind“, nennt Achutegui ein Beispiel. Die Projektoren seien noch dazu teurer als herkömmliche Geräte. „Es gibt außerdem Veranstaltungen und Projekte, die mit LED-Leuchten alleine nicht möglich wären“, ergänzt sie. „Es wäre aus künstlerischer Sicht absurd, alte Glühbirnen pauschal zu verbieten. Wir können den Künstlerinnen und Künstlern das nicht aufdrängen.“ Die Abtei Neimënster trägt seit neun Jahren als bisher einzige Kulturinstitution in Luxemburg das Label „Entreprise socialement responsable“ (ESR) des „Institut national pour le développement durable et la responsabilité sociale des entreprises.“ Das Zentrum, das als öffentliches Gebäude gilt, bezieht seit Jahren Ökostrom. Die Verwaltung für öffentliche Gebäude bemüht sich seit 2009, Staatsgebäude zum Umstieg auf hochwertigen Ökostrom zu bewegen, dessen Zusammensetzung aus verschiedenen Stromquellen geregelt ist (die Mindestwerte liegen bei 50 Prozent Wasserkraft, der nicht älter als 15 Jahre alt sein darf; zehn Prozent Solarstrom; 20 Prozent Windkraft und fünf Prozent Biomasse). Derzeit beziehen neben der Abtei Neimënster zehn weitere Kulturinstitutionen, die öffentliche Gebäude sind, Ökostrom.

Die Abtei Neimënster setzt darüber hinaus zu 80 Prozent auf LED-Leuchten, versucht den Wasser- und Stromverbrauch sowie Papier zu reduzieren. Trotzdem verzeichnet das Zentrum allein aufgrund seiner Bauweise einen hohen Energieverbrauch. Diesen durch Isolation und aufwendige Umbauarbeiten einzuschränken, würde den historischen Charakter der Bauten stark beeinträchtigen, findet die Direktorin. Die Nachhaltigkeit vergleichbarer Gebäude steht übrigens dieses Jahr im Mittelpunkt der „Journées du Patrimoine“ (22. September – 2. Oktober).

Genaue Zahlen zum Energieverbrauch ihrer Häuser können weder Achutegui noch Thewes präsentieren. Achutegui rechtfertigt das mit den variierenden Veranstaltungen, den wechselnden Bedürfnissen der Künstler*innen und der Schwierigkeit, den Energieverbrauch nach Bereichen aufzuschlüsseln. Jahresvergleiche seien trügerisch. Thewes führt ein anderes Argument an: Energie sei lange Zeit nicht als Kostenpunkt betrachtet worden. „Jetzt ist das anders“, sagt er. „Gas ist inzwischen doppelt so teuer wie zuvor. Heute hat die Frage also eine gewisse Dringlichkeit: Wo können wir Energie und somit Geld sparen?“

Eine Frage, die auch die Escher Kulturfabrik (Kufa) beschäftigt. Das Kulturzentrum gilt als nachhaltiges Unternehmen, hält auf seiner Internetseite eine interne Umweltcharta bereit, die über die Verwendung wiederverwertbarer Becher bei Konzerten hinausgeht. Im Mailverkehr mit der woxx zeigt sich Fatima Rougi, Pressesprecherin der Kufa, besorgt: „La crise énergétique est en effet une préoccupation importante en ce moment, et cela, alors que l’hiver n’est pas encore là.“ Rougi legt Zahlen zu den Energiekosten der Kufa vor: 2021 beliefen sie sich auf 70.942 Euro, was eine Steigerung um 48 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeute. Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass 2020 die Corona-Pandemie ausbrach und zahlreichen Veranstaltungen zum Verhängnis wurde. Doch auch dieses Jahr habe die Kufa im Januar und im Februar Rekordsummen für Energie ausgegeben (Januar: 14.013 Euro; Februar: 13.251 Euro), schreibt Rougi. „Face à ces montants, inutile de dire qu’il va falloir agir“, lautet ihr Fazit.

Pexels/Monstera

Und die Regierung?

Die luxemburgischen Kulturinstitutionen sind also dem eigenen Bekunden nach längst für das Thema sensibilisiert – und das Kulturministerium auch. Im Juni diesen Jahres wurde eine „Charte de déontologie“ für kulturelle Einrichtungen veröffentlicht, die inzwischen um die 30 Institutionen unterzeichnet haben. Ein Aspekt davon ist, nachhaltigere Veranstaltungen zu organisieren und umweltbewusst mit nicht wiederverwendbaren Materialien umzugehen. Eine Arbeitsgruppe feilt derzeit „best practices“ aus. So soll im Theaterbereich ein gemeinsamer Fundus entstehen, wo Dekor und Kostüme sowie andere Materialien aufbewahrt und wiederverwertet werden können. Die Theaterfederatioun ist eingebunden.

Im Hinblick auf die aktuelle Energiekrise verweisen das Kultur- und das Energieministerium auf die bereits veröffentlichten Richtlinien der Regierung, die für Gemeinden, Syndikate und ihre öffentlichen Gebäude gelten. Im Herbst soll eine Sensibilisierungskampagne für alle Haushalte und staatliche Gebäude folgen. Während Guy Thewes konkrete Direktiven der Regierung im Verwaltungsbereich begrüßen würde, machen politische Aufforderungen für Ainhoa Achuteguis Engagement keinen großen Unterschied, denn man habe die Notwendigkeit zu handeln längst erkannt. „Die Krise hat null Einfluss auf uns“, sagt sie. „Ehrlich gesagt haben wir nicht erst auf sie gewartet, um Energie zu sparen.“ Alles andere, sagt sie, „wäre angesichts der Klimakrise verantwortungslos.“


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