Erdoğans erodierende Macht

In der Türkei wird am kommenden Sonntag gewählt. Nicht nur wegen der kurdischen Stimmen ist die Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan keinesfalls gewiss.

Könnte mit seiner prokurdisch-linken Partei HDP den Ausgang der Wahlen in der Türkei entscheidend beeinflussen: Der aus der Haft heraus kandidierende Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtaş. (Foto: Wikimedia)

Außer dem Präsidenten wählt die türkische Bevölkerung am 24. Juni auch ein neues Parlament. Wenige Tage vor den Wahlen sieht es aus, als könnten Selahattin Demirtaş und seine prokurdisch-linke HDP zum Zünglein an der Waage werden. Aktuellen Umfragen zufolge könnte Präsident Recep Tayyip Erdoğan die absolute Mehrheit verfehlen. In diesem Falle würde bei einer Stichwahl am 8. Juli über den neuen Präsidenten entschieden.

Zwar liegt das Bündnis „Volksallianz“, das die AKP mit der ultranationalistischen MHP eingegangen ist, bei den anstehenden Parlamentswahlen laut Wahlforscher knapp vor der „Allianz der Nation“ aus der kemalistischen CHP, der MHP-Abspaltung İyi-Parti und der islamistischen Saadet Partisi. Sie kommt aber nicht auf die absolute Mehrheit. Der Hauptgrund dafür ist wohl die HDP.

Bereits 2014 war Demirtaş zu den Präsidentschaftswahlen angetreten und hatte annähernd zehn Prozent der Stimmen erzielt. Nun kandidiert er wieder, dieses Mal aus dem Gefängnis heraus, weil er seit November 2016 wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in Untersuchungshaft sitzt. Sein wichtigstes Wahlkampfmittel ist Twitter. Es ist durchaus möglich, dass es seiner Partei, die an keinem Wahlbündnis beteiligt ist, wieder gelingen wird, bei den Parlamentswahlen die Zehnprozenthürde zu überwinden, wie bereits 2015, als eine parlamentarische Mehrheit der AKP verhindert wurde.

Nationalistische Bündnisse

Neben den Stimmen der Kurden könnten auch jene der alevitischen Minderheit für das politische Schicksal Erdoğans entscheidend werden. Wie unsere Korrespondentin Sabine Küper-Büsch berichtet, werden die Aleviten daher zurzeit vom türkischen Präsidenten umgarnt.

Neben solchen Fragen ist es die wirtschaftliche Lage der Türkei, die für den amtierenden Präsidenten ein Problem bleibt, wie Küper-Büsch betont: „Der dramatische Wertverlust der Lira in den vergangenen Monaten und die hohe Inflationsrate von elf Prozent haben die Wirtschaft für die meisten Menschen zu einem wichtigen Thema werden lassen.“ Nach Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegen die türkischen Auslandsschulden zwar bei nur rund 50 Prozent der Wirtschaftsleistung, steigen jedoch stark an. Mit einer schwachen Lira und steigenden Zinsen könnte eine Schuldenkrise direkt bevorzustehen.

Keines der beiden Wahlbündnisse bietet indes viel Grund zur Hoffnung, wie der Historiker und HDP-Anhänger Mükremin Tokmak, einer von Küper-Büschs Gesprächspartnern, berichtet: „Es gibt zwei Koalitionen bei den Wahlen: eine ist für den starken Präsidenten, die andere für eine starke Nation. Beide sind nationalistisch. Die Partner des Präsidenten sind faschistoid, aber auch die oppositionelle Seite ist ultrarechts.“

Alles über die Situation vor den Wahlen in der Türkei erfahren Sie am kommenden Freitag in der Printausgabe der woxx.

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