Am Dienstag, den 26. März, soll das EU-Parlament über die umstrittene Urheberrechtsreform abstimmen. Nach großen Demonstrationen am Wochenende versuchen Kritiker*innen wie Befürworter*innen jetzt noch einmal, die Abgeordneten zu überzeugen.
Für die einen ist es das Ende des Internets, wie wir es kennen, für die anderen die längst überfällige Reform des Urheberrechts, das Künstler*innen und Kreativen endlich ihren verdienten Anteil am Kuchen bringt. Am 26. März stimmt das EU-Parlament in erster Lesung über die umstrittene Reform ab. Das Parlament hat die Möglichkeit, den aktuellen Vorschlag anzunehmen oder noch Änderungsanträge einzubringen. Wenn der Rat die Version des Parlaments annimmt, muss die Direktive nur noch von den Mitgliedsländern umgesetzt werden.
Anders als manche Kritiker*innen der Reform dies behaupten, geht die legislative Arbeit im EU-Parlament mit dem Ende der Legislaturperiode nicht verloren: „Die Ergebnisse sämtlicher Abstimmungen des Parlaments, die vor der Wahl am Ende einer Legislaturperiode durchgeführt wurden, bleiben für das Parlament der nächsten Legislaturperiode rechtsverbindlich.“
Die Flac (Fédération luxembourgeoise des auteurs et compositeurs) und die Lars (Lëtzebuerger Associatioun vun de Realisateuren an Szenaristen) hatten am 20. März in einer Pressemitteilung davor gewarnt: „Si la Directive ne passe pas lors du prochain vote, toute cette problématique sera remisée pour des années, voire des décennies et les GAFA pourront continuer à se servir librement de nos œuvres à leur convenance et accroître leur influence, non tempérée par une quelconque légitimation démocratique, sur la société toute entière.“
Natürlich könnte es sein, dass das Parlament nach den Europawahlen in einer neuen Zusammensetzung beschließt, den Prozess der Urheberrechtsreform komplett neu zu beginnen oder gar zu begraben – allerdings ist dies kein Automatismus. Die Behauptung, die großen Internetkonzerne Google, Apple, Facebook und Amazon (und nicht etwa deren Nutzer*innen) würden sich an den Werken luxemburgischer Künstler*innen bedienen, hat die woxx dann doch stutzig gemacht, weswegen wir nachgefragt haben.
„Natürlich gibt es jetzt schon ein Urheberrecht, aber uns geht es hauptsächlich um die Vergütung, die nicht, oder fast nicht da ist. In der Realität liegt sie im Centbereich. Mit solchen Einnahmen macht selbstverständlich niemand Google oder Facebook ein Prozess“, war die Antwort von Roby Steinmetzer der Musikautor*innengesellschaft Flac. Die Frage, wie viele Werke luxemburgischer Komponist*innen tatsächlich ohne Bezahlung im Netz landen, blieb leider unbeantwortet.
Yann Tonnar, Mitglied der Lars, antwortete uns: „Ganze Filme online zu haben ist seltener. Ich habe schon integrale „routwäissgro“-Episoden auf YouTube gesehen, die sind jetzt jedoch weg.“ Wie groß das Problem für luxemburgische Kreative wirklich ist und ob sich an ihrer Situation etwas ändert, wenn die großen Internetkonzerne, wie in der Reform vorgesehen, Lizenzen mit großen Rechteinhaber*innen abschließen, ist also eher ungewiss.
Kritiker*innen der Reform warnen, dass weder die großflächige Lizenzierung durch Plattformen, noch die Kontrolle der hochgeladenen Werke (vermutlich durch sogenannte „Uploadfilter“) technisch machbar wären. Am 24. März veröffentlichte das UK Copyright and Creative Economy Centre (Create) nochmals einen offenen Brief. Die Wissenschaftler*innen warnten, dass die umstrittenen Artikel 11 und 13 großen Schaden für Autor*innen und Nutzer*innen anrichten würden sowie die digitale Innovation hemmten. Dass über 200 Wissenschaftler*innen, die sich mit Urheberrecht und Kreativwirtschaft beschäftigten, den Brief unterzeichnet haben, deuten sie auch als Zeichen: „It does not happen often that there is wide scientific consensus on a contested policy issue. This is such a case, and policy makers need to take note.“
In Luxemburg-Kirchberg demonstrierten am Samstag rund 100 Personen, in ganz Europa sollen laut Veranstalter*innen insgesamt 200.000 Personen auf der Straße gewesen sein. Die Meldung, Google habe manche Demonstrierende bezahlt, hat sich indessen als unwahr herausgestellt.