Fairphone 4: Stückchenweise für Fairness

Im Nischenmarkt für „grüne“ Smartphones setzt die Firma Fairphone mit ihrem neuen Modell immer noch Maßstäbe.

Fotos: www.fairphone.com

„Endlich ein neues Fairphone!“, konnte man Ende vergangenen Jahres ausrufen. Doch eine solche Reaktion auf das Fairphone 4 passt nicht wirklich zu dieser auf Langlebigkeit ausgelegten Produktfamilie. Erst Mitte 2019 war das Fairphone 3 erschienen, ein Jahr später war es dann mit einem neuen Kameramodul zum Modell 3+ aufgepeppt worden. „Warum jetzt schon wieder ein neues Fairphone?“, müsste man also eigentlich fragen.

Grünes Allround-Smartphone

Für die Fachzeitschrift für Digitaltechnik „ct“ war dies nicht die erste Frage, sie war aber durchaus Thema im Interview mit Fairphone-Geschäftsführerin Eva Gouwens (siehe letzte Spalte). Die Begutachtung des Modells unter technischen Gesichtspunkten fiel jedenfalls günstiger aus als in der Vergangenheit. Im Beitrag Testbericht auf heise.de (Paywall!) kann man die Details der technischen Ausstattung und der Fairness-Attribute nachlesen. Frei zugänglich sind Video und MP3 der Heiseshow, in der Experten aus der ct-Redaktion über das neue Fairphone diskutieren (woxx.eu/fp4hs).

Zusammengefasst handelt es sich um ein Mittelklasse-Smartphone, das dank eines recht leistungsfähigen Prozessors eine lange Nutzungsdauer für Durchschnitts-Käufer*innen verspricht. Für Power-User*innen oder Gamer*innen empfiehlt sich das Gerät, wie sein Vorgängermodelle, nicht. Auch Hobby-Fotograf*innen mit hohen Erwartungen kommen nicht auf ihre Kosten. Zwar wurden die Kameras noch einmal verbessert und ein Ultra-Wide-Modul ist hinzugekommen. Dennoch warnt die ct: „Unter schwierigen Lichtbedingungen gerät die Fairphone-Kamera gegenüber Smartphones derselben Preisklasse ins Hintertreffen.“

Anderen Hardware-Schwächen kann die Zeitschrift auch Positives abgewinnen: Die bescheidene Laufzeit des austauschbaren Akkus wird dadurch relativiert, dass man einen Ersatzakku in Reserve halten kann; das IPS-Display ist zwar kein High-End, dafür aber als Ersatzteil bei einem Displayschaden billiger. Technologisch abgehängt ist das Fairphone 4 mit Features wie 5G und eSIM jedenfalls nicht. Bei einem Preis von um 600 Euro ist das Gerät allerdings nur konkurrenzfähig für Käufer*innen, denen auch ökologische und soziale Aspekte wichtig sind.

Wie nachhaltig ist es?

Vor fast zehn Jahren ist die Firma Fairphone angetreten, eine Alternative zu den „schmutzigen“ Mainstream-Handys zu bieten. Weil die Herstellung und Vermarktung eines „fairen“ Telefons aber viel schwieriger ist als die von Fair-Trade-Bananen oder -Kaffee, arbeitet sie immer noch daran, diesen Anspruch besser zu erfüllen. „Im Vergleich zum Vorgänger seien es nun 14 Rohstoffe aus fairen Lieferketten anstatt acht“, zitiert die ct das Unternehmen. Das Prinzip, den in der Fertigung beschäftigten chinesischen Arbeiter*innen einen Aufschlag zu zahlen, wurde beibehalten.

Im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit wirbt Fairphone mittlerweile damit, „elektroschrottneutral“ zu sein. Konkret heißt das, dass die Firma für jedes neu verkaufte Gerät ein altes Smartphone recycelt. Doch Käufer*innen zahlen nicht nur „für die gute Sache“, das nachhaltige Design bringt auch handfeste Vorteile. So garantiert das Unternehmen Betriebssystem-Updates für das Fairphone 4 bis mindestens Ende 2025, was die Android-Versionen 12 und 13 einbegreift. Fairphone will sogar versuchen, die Updates bis 2027, mit den Versionen 14 und 15, auszudehnen. Zur Langlebigkeit gehört auch, dass sich, anders als bei Mainstream-Smartphones, wichtige Komponenten leicht ersetzen lassen, unter anderem Akku, Display und Kameramodul.

Diese Austauschbarkeit ermöglicht nicht nur günstige Reparaturen durch die Käufer*innen selber, sondern auch künftige Upgrades. Für das Modell 3 wurde so ein verbessertes Kameramodul angeboten, machbar wären auch ein Display-Upgrade … oder ein Booster-Akku, ein nützliches, früher weit verbreitetes Zusatzteil. Nicht nur für Nostalgiker*innen ist auch der Slot für MicroSDXC-Speicherkarten – so manches Smartphone wurde schon frühzeitig ausrangiert, weil der Speicherplatz ausging. Dem beim Modell 4 verschwundenen Kabelanschluss für Kopfhörer dagegen dürften die wenigsten nachweinen, zu viele Vorteile bietet mittlerweile die drahtlose Anbindung per Bluetooth.

Im ct-Interview setzt Geschäftsführerin Eva Gouwens die Frage nach dem frühzeitigen Modellwechsel in den Kontext: „[Mein Job] ist voller Dilemmata, es gibt nicht den einen richtigen Weg.“ Fairphone sei mit dem schnellen Rhythmus der Zulieferindustrie konfrontiert, der durch den jährlichen Modellwechsel der Mainstream-Hersteller vorgegeben wird. Dabei geht es um die Verfügbarkeit von Ersatzteilen: „Um sicherzustellen, dass wir auch Käufer, die ein Fairphone kurz vor dem Start eines Nachfolgers kaufen, noch fünf Jahre mit Ersatzteilen beliefern können, mussten wir die Abstände zwischen den Geräten verkürzen.“

Mehr als nur ein Telefon

Dass das Projekt Fairphone durch den Verlust seiner Alleinstellungsmerkmale bedroht sei, weist Gouwens von sich. Reparierbarkeit, Software-Update-Garantien und faire Lieferketten sind zwar auf EU-Ebene derzeit Thema. Doch für die Geschäftsführerin gibt es andere Bereiche, wie die Verbesserung des Recyclings oder die Förderung des Datenschutzes, in denen sich ein alternativer Hersteller profilieren kann.

Unterm Strich ist das Fairphone 4 unserer Ansicht nach mindestens so empfehlenswert wie seine Vorgänger. Wer die letzten High-End-Features nicht wirklich benötigt, erhält ein relativ „faires“ Produkt und unterstützt mit dem Kauf ein nachhaltig angelegtes Projekt. Der Aufpreis amortisiert sich – zumindest, wenn man das Gerät wirklich fünf Jahre oder länger einsetzt.


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