Raymond Klein
Nicht die Konzerne, die Tintenschwämmchen sind schuld! Wie eine Studie die Industrie zu rechtfertigen scheint und sie dabei bloßstellt.
Man kennt es. Viele Billigdrucker verweigern nach einer vom Hersteller festgelegten Anzahl von Druckvorgängen den Dienst. Obwohl sie noch grundsätzlich funktionsfähig sind, verhindert ein Chip die Weiterverwendung. Bisher galt das als Paradebeispiel für geplante Obsoleszenz, also die durch gezielte Manipulation seitens des Herstellers erzwungene Ausmusterung eines Geräts. Der Wahrheitsgehalt des Begriffs ist umstritten (woxx 1234). Die Konzerne geben den Konsumenten die Schuld, die Konzernkritiker verweisen auf zu schwach dimensionierte Kondensatoren, fest verbaute Akkus und … Tintendrucker mit Countdown.
Doch so einfach ist die Sache nicht. Zumindest die Druckerhersteller sitzen nicht mehr „in der Tinte“ – dank einer vor Kurzem erschienenen Studie des Umweltbundesamts (UBA). Die Billigdrucker verweigern die Arbeit, um die Nutzer zu schützen, wie ein Bericht über die Studie in der Computerzeitung „ct“ (2016/8) erläutert. Bei jeder der regelmäßig programmierten Reinigungen wird nämlich Tinte durch die Düsen gepresst und von einem Schwämmchen aufgesogen. Ist das Schwämmchen voll, läuft man Gefahr, mit der überlaufenden Tinte den Arbeitsplatz zu verschmutzen – der Drucker legt sich deshalb vorsichtshalber selber lahm.
Diese Erklärung mag den Verdacht zerstreuen, der eingebaute Countdown habe nur zum Zweck, den Neukauf eines Druckers zu erzwingen. Sie beantwortet aber nicht die Frage, warum man Tintenschwämmchen statt austauschbarer Resttintenbehälter einbaut.
Schließlich sollten Produkte, so die Forderung der Kritiker, auf maximale Langlebigkeit ausgelegt sein. Sollten sie wirklich? Laut „ct“ sieht die UBA-Studie das anders: „Würde die Industrie ihre Produkte so langlebig wie möglich konstruieren, würde der Ressourcenaufwand in der Herstellung steigen, die Verbraucher würden aber vieles trotzdem wegschmeißen – und das wäre ‚ökologisch kontraproduktiv‘.“ Und sie zitiert das UBA: „Idealerweise wird angestrebt, dass die technische Produktlebensdauer der Produktnutzungsdauer entspricht […] Das Kernprinzip lautet, Produkte so zu gestalten, dass sie so lange wie nötig und nicht so lange wie möglich halten.“ Die leicht ironische Schlussfolgerung der Computerzeitschrift: „Es gibt also nicht nur eine böse geplante Obsoleszenz, sondern auch eine gute.“
Teufelskreis-Wirtschaft
Der ebenfalls von der „ct“ interviewte Ökonom Harald Wieser zeigt sich wenig begeistert: Die Studie betrachte das Problem der Obsoleszenz „aus einer engstirnigen, technischen Perspektive“. Wieser findet durchaus, dass die Konsumenten einen Teil der Verantwortung tragen. Doch wie durchbricht man die „Abwärtsspirale der Erwartungen“ – mit Käufern, die nicht mehr an Langlebigkeit glauben und einfach auf Billigware setzen, und mit einer Industrie, die sich gut mit dem Wegwerfverhalten arrangiert? Wieser plädiert für regulatorische Maßnahmen: Mindestlebensdauer, Informationspflicht, Ersatzteil-Garantie.
Dass in Frankreich geplante Obsoleszenz zu einem Straftatbestand (im Rahmen des Energiewende-Gesetzes) gemacht wurde, hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Allerdings liegt die Beweislast zur Gänze bei den Verbrauchern und ihren NGOs, und die Senkung der Lebensdauer muss eine „gezielte“ sein. In der Praxis wird sich zeigen müssen, ob das ausreicht, eine „Konsum-Wende“ anzustoßen. Auch der Hype um die Kreislaufwirtschaft – in Luxemburg wie auch auf EU-Ebene – müsste eigentlich die Praxis des „Für den Müll produzieren“ in Frage stellen. Doch im überarbeiteten Vorschlag der EU-Kommission vom vergangenen Dezember wird das Thema weitgehend ausgeblendet – regulatorische Maßnahmen wird es wohl sobald nicht geben. Da bleibt nur: Hüte dich vor dem Schwämmchen!