Im Kino: Parasite

Bong Joon-hos „Parasite“ bedient sich zahlreicher Genres, um einen beißenden Kommentar über Klassenunterschiede zu liefern.

Familie Kim braucht dringend Geld – ein Plan muss her. (© Filmcoopi)

„Unerwartet, witzig, global im Lokalen, faszinierend, wichtig“, das sind einige der Begriffe, mit denen Jurypräsident Alejandro Iñárritu bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes Bong Joon-Hos „Parasite“ beschrieb. Zusammen mit seinen Jurykollegen hatte er diesen zum Preisträger der Palme d’Or gekürt. Die Entscheidung fiel einstimmig aus und die Begeisterung lässt sich leicht nachvollziehen. „Parasite“ bricht nicht nur mit Publikumserwartungen, sondern spielt auch mit Ton und Genrekonventionen, ohne aber jemals den roten Faden zu verlieren. Selbst nach der ersten Hälfte des Films ist es unmöglich, eine Vorahnung davon zu haben, was noch auf einen zukommt. In diesem Film scheint alles möglich zu sein. Auch nur eine der ungeahnten Entwicklungen zu verraten, würde den Sehgenuss um einiges schmählern.

„Parasite“ setzt im Zuhause der vierköpfigen Familie Kim an. In der Hoffnung den prekären Lebensverhältnissen ein Ende zu setzen, nimmt Sohn Gi-u (Choi Woo-shik) im wohlhabenden Haushalt der Familie Park einen Job als Tutor an. Zusammen mit seiner Familie heckt er einen Plan aus, um sich sämtlicher Angestellter der Parks zu entledigen und jeden der freigewordenen Posten mit einem Kim zu besetzen. Während sie ihren Arbeitgeber*innen gegenüber vorgeben, sich nicht zu kennen, fühlen sie sich in den eleganten Räumlichkeiten immer mehr zuhause …

Anders als vorangegangene Filme wie „The Host“ (2006), „Snowpiercer“ (2013) oder „Okja“ (2017) entbehrt das neuste Werk des südkoreanischen Filmemachers jeglicher Science-Fiction-Elemente. „Parasite“ einem Genre zuzuordnen, fällt dennoch schwer. Ist die erste Hälfte des Films nämlich eher humorvoll-leicht, so dominieren anschließend packende Spannung und Skurrilität. Thriller-Komödie, Horrorsatire, Tragikomödie – das alles trifft in gewisser Weise zu.

Des einen Glück ist des anderen Leid oder so ähnlich könnte man die Moral von „Parasite“ zusammenfassen. Der Film erweckt zunächst den Anschein einer Sittenkomödie, erinnert anschließend an Michael Hanekes „Funny Games“ (1997), entpuppt sich dann jedoch als etwas gänzlich anderes: Anhand einer kleinen Gruppe von Menschen werden nämlich die Fragilität von Macht und Privilegien aufgezeigt. Sie sind nichts Statisches – ihre Verteilung ist durch unzählige kleine und große Entscheidungen geprägt. Sie sind vor allen Dingen abhängig von Perspektive und Kontext: Wer innerhalb einer bestimmten Gruppe eine Machtposition einnimmt, tut dies nicht unbedingt in einer anderen.

Das alles handelt Joon-ho auf einer metaphorischen Ebene ab. Vordergründig ist der Film von Kontrasten geprägt: Die armen Kims auf der einen, die wohlhabenden Parks auf der anderen Seite. Am deutlichsten werden die Unterschiede anhand der jeweiligen Wohnsituationen aufgezeigt. Das Haus der Parks ist hell, großräumig, modern, sauber. Die Kims dagegen wohnen im Untergeschoss. Ihre Wohnung ist eng, unaufgeräumt und schäbig. Wie schon in Jordan Peeles „Us“ zeigen sich Privilegien daran, wer über der Erdoberfläche wohnen darf und wer unten bleiben muss.

Mit „Us“ verbindet „Parasite“ zudem die Schwierigkeit zu unterscheiden, wer die Guten und wer die Bösen sind. Weder die Parks noch die Kims lassen sich in eine Schublade stecken. Demnach ist auch die Frage, wer der titelgebende Parasit ist, nicht so einfach zu beantworten, wie man anfangs meinen könnte.

In der Cinémathèque.

Bewertung der woxx : XXX


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