Integration von Flüchtlingen: Mateneen?

Ohne Hilfe privater Initiativen wäre der Staat an der „Flüchtlingskrise“ gescheitert. Nun jedoch müssen die verschiedenen Integrationsangebote koordiniert werden. NGOs kritisieren, das zuständige Ministerium habe daran weder ein Interesse noch die dafür nötige Strategie.

Ausreichend einbezogen? Diese Frage stellt sich nicht nur angesichts in Luxemburg angekommener Flüchtlinge, sondern auch hinsichtlich des staatlichen Umgangs mit Initiativen, die sich um die NeubürgerInnen kümmern. (Foto: EPA/Julian Stratenschulte)

Es knirscht im Getriebe, das private und öffentliche Flüchtlingshilfe miteinander verzahnt: Zu wenig Gesprächsbereitschaft, zu wenige Ambitionen – so lässt sich knapp zusammenfassen, was bisweilen über das integrationspolitische Management der zuständigen Ministerin Corinne Cahen und die Kooperation mit den NGOs zu hören ist.

Die seit Monaten von verschiedener Seite formulierte Unzufriedenheit war auch zwei „questions parlamentaires“ zu entnehmen, die von déi Lénk und déi Gréng in den vergangenen Wochen gestellt worden sind. In beiden war die Frage, ob die Zivilgesellschaft integrationspolitisch ausreichend einbezogen wird, ein zentraler Punkt. Die Antworten des Familien- und Integrationsministeriums: eher einsilbig. Selbstverständlich stünde man in regelmäßigem Kontakt mit den NGOs, und natürlich würden sie für den gerade entstehenden „Plan d’action national pluriannuel de l’intégration“ (PAN) regelmäßig konsultiert.

„Wir hätten uns gewünscht, dass ein roter Faden erkennbar wird“, sagt Laura Zuccoli über die integrationspolitische Strategie der Regierung. Zwar habe sich unter Cahen im Integrationsministerium auch vieles zum Besseren entwickelt, insbesondere im Bereich des „acceuil“ der Flüchtlinge, so die Präsidentin der „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (Asti). Doch bei der Integration gebe es ein unkoordiniertes „Nebeneinander“ staatlicher und zivilgesellschaftlicher Initiativen: „Das ist schade, denn man verliert so viel Energie.“

Zum Teil dürfte das auch der Situation der vergangenen zwei Jahre geschuldet sein, in denen die Luxemburger Administration mit der sogenannten Flüchtlingskrise von 2015, wie andere europäische Länder auch, völlig überfordert war. Hektisch wurde versucht, Unterkünfte und Erstversorgung für die Neuankömmlinge zu organisieren, ohne das zivilgesellschaftliche und ehrenamtliche Engagement wäre der Staat an dieser Herausforderung gescheitert.

Ungeliebte NGOs?

Dafür wiederum ist nicht allein die amtierende Regierung verantwortlich, denn der Flüchtlingstreck aus dem Nahen Osten und insbesondere Syrien und dem Irak war bereits seit Jahren abzusehen. Mehr noch: „Bereits vor 15 Jahren hat die Föderation der Flüchtlingsorganisationen vom Staat und den Gemeinden gefordert, dass sie einen Plan aufstellen, um für einen solchen Fall Auffangstrukturen und Betreuung zu organisieren“, erinnert der Abgeordnete David Wagner von déi Lénk. „Alle wussten, dass man die dann nötige Infrastruktur nicht einfach so aus dem Hut zaubern kann. Doch es wurde nichts unternommen.“

Zwar wurde im Spätsommer 2015 nichts aus dem Hut gezaubert. Dennoch hat die Zivilgesellschaft in den darauffolgenden Monaten ein kleines Kunststück vollbracht. Dazu hat auch eine kräftige Finanzspritze der „Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte” beigetragen. Über das im Dezember geschaffene Programm „mateneen“ wurden 80 Integrations- und Betreuungsprojekte mit insgesamt zwölf Millionen Euro subventioniert. Im kommenden Jahr jedoch läuft die Finanzierung einiger dieser Projekte aus. Und auch hier meinen manche Kritiker, dass dem Familienministerium die Vielzahl der Initiativen, die koordiniert werden müssen und sich nun zur finanziellen Erblast entwickeln könnten, eher lästig sind.

Am Geld liegt’s nicht

„Das stimmt überhaupt nicht“, weist Corinne Cahen dies gegenüber der woxx zurück. Die Integrationsministerin betont, wie wichtig es ihr sei, gerade auch mit kleineren und, wie sie sagt, „unbequemen“ NGOs zusammenzuarbeiten: „Ich bin froh, wenn die zivilgesellschaftlichen Organisationen uns fordern.“ Allerdings könne der Staat nicht einfach alle von der Œuvre angeschobenen Projekte umstandslos weiterfinanzieren: „So einfach läuft das nicht mit Staatsgeldern“, sagt Cahen, „man muss die Projekte zunächst einmal evaluieren.“

Während die Ministerin versichert, man sei auf Anfrage gerne bereit, einzelne Projekte zu begutachten, wünscht sich etwa Laura Zuccoli, dass der Staat von sich aus aktiv wird und mehr Interesse zeigt.

Yves Piron sieht das anders. „Ich stehe mit der Œuvre in Kontakt; sie selbst machen jetzt eine Evaluierung und haben zu diesem Zweck vor kurzem auch Leute eingestellt“, so der Direktor des „Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration“ (Olai): „Der Ball liegt also nun erst mal bei ihnen im Feld, sie müssen entscheiden, ob sie die entsprechenden Projekte weiterführen wollen oder nicht.“

Darüber hinaus sind sich Piron und Cahen einig, dass man dort, wo die Finanzierung der Œuvre Grenzen habe, für die weitere Finanzierung guter Projekte durchaus offen sei. „Ich gehe davon aus, dass die Betreffenden sich dann an die staatlichen Behörden wenden, ob nun an uns oder an andere, das hängt ja immer auch ein wenig vom jeweiligen Arbeitsschwerpunkt ab“, so Piron.

Zwar macht Cahen deutlich, dass ihre Behörde nicht beliebig die von der Œuvre finanzierten Projekte weiterführen könne. Die Anfang des Monats von der Asti formulierte Kritik, wonach das Budget für Integrationsmaßnahmen im Jahr 2018 zu mager sei, will sie aber nicht gelten lassen. Schließlich sei die dort aufgeführte Summe nicht gedeckelt, es handle sich um einen „credit non-limitatif“, der bei Bedarf aufgestockt werden kann. „Wir wollen nach wie vor massiv investieren.“ Momentan jedoch werden laut Yves Piron gar nicht alle verfügbaren Mittel ausgeschöpft: „Wir müssen uns darum kümmern, die Gemeinden für mehr Integrationsmaßnahmen zu begeistern.“

Laura Zuccoli präzisiert gegenüber der woxx, dass sich die Budget-Kritik vor allem auf jene Neuankömmlinge bezogen habe, die nicht als Flüchtlinge nach Luxemburg kommen und momentan total vernachlässigt würden: „Auch EU-Bürger haben Probleme, sich zu integrieren.“ Angesichts des vom Statec jüngst prognostizierten Bevölkerungswachstums stellten diese MigrantInnen für die Gesellschaft eine größere Herausforderung als die Flüchtlinge dar.

(Foto: Wikimedia)

Anerkennung und Mitverantwortung

Nicht nur Zuccoli wünscht sich indes, dass man im Integrationsministerium mehr Interesse an den Erfahrungen zeigt, die private Initiativen während ihres Engagements gewonnen haben. Etwa durch intensivere Auseinandersetzung mit den Vorschlägen des „Ronnen Desch“. In diesem Gremium sind die NGOs organisiert, die Integrationsprogramme anbieten. Besonders bemängelt Zuccoli den mangelnden Einbezug bei der Planung des seit September angebotenen „parcours d’intégration accompagné“ (PIA). Der ähnelt in vielem Angeboten, wie sie bereits seit geraumer Zeit etwa von Asti und Clae gemacht werden. „Da sind bestimmte Aspekte nicht vorgesehen, von denen wir aufgrund unserer Erfahrungen wissen, dass es wichtig wäre, sie zu integrieren“, sagt Laura Zuccoli und nennt als Beispiel die Förderung der Autonomie der Flüchtlinge.

Deren Selbstständigkeit liege ihr genauso am Herzen, meint Cahen. Sie verweist auf den Staatsrat, der 2015 bei der Reform des Integrationsgesetzes verhindert habe, dass Betroffene künftig etwa Geld statt Einkaufsgutscheine bekommen können. Die zweite Kammer hatte ein in den von Cahen mitverantworteten Gesetzesentwurf integriertes „projet d’accompagnement“ damals als zu unpräzise definiert bezeichnet. Der Passus wurde daher vom zuständigen Parlamentsausschuss gestrichen.

Dennoch sind einigen Kritikern die integrationspolitischen Maßnahmen der Regierung nicht ambitioniert genug. Laut Yves Piron wurde mit dem PIA immerhin ein Anfang gemacht. Er verweist auf die nächsten Schritte, bei der man die Zivilgesellschaft auch in die Arbeit am neuen PAN miteinbeziehen werde.

Bereits vor einem Jahr hatte Piron im woxx-Interview darauf hingewiesen, dass es für seine Behörde „eine völlig neue Herangehensweise“ sei, „so eng mit Freiwilligen“ zusammenzuarbeiten (woxx 1394). Nun, meint er, „ist es schon besser geworden“, er verstehe aber, „dass es der Asti und anderen nicht schnell genug geht“. Deren Ungeduld wiederum ist wesentlich von der Perspektive der Neuankömmlinge bestimmt – und von dem Wissen, dass deren Arbeits- und Lebensperspektive für die gesamte Gesellschaft von existenzieller Bedeutung sind.

Auf unserer Internetseite haben wir in 
den vergangenen Tagen Interviews mit 
Asti-Präsidentin Laura Zuccoli und Olai-Direktor Yves Piron zum Thema veröffentlicht.

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