KI in Luxemburg: Die Revolution lässt auf sich warten

Künstliche Intelligenz soll die Arbeitswelt revolutionieren, heißt es oft. Doch deren Einsatz beschränkt sich überwiegend auf Chatbots, wie eine aktuelle Studie der Industriellenvereinigung Fedil für Luxemburg bestätigt.

KI funktioniert wie ein Fleischwolf: Informationen gehen rein, eine etwas unappetitliche Paste kommt unten raus. (Collage: CC BY 4.0 Janet Turra & Cambridge Diversity Fund / https://betterimagesofai.org)

Werden bald Millionen arbeitslos, weil Computer ihnen die Jobs wegnehmen? Können sich Eigentümer*innen auf unermessliche Gewinne freuen, weil ihre Firmen viel produktiver werden? Seitdem die Firma „OpenAI“ im November 2022 ihrem Large Language Model (LLM) eine nutzer*innenfreundliche Oberfläche verpasste und das „ChatGPT“ nannte, floriert ein Hype um sogenannte künstliche Intelligenz (KI). Regelmäßig ist die Rede von einschneidenden Umwälzungen in der Wirtschaft, gar von einer unmittelbar bevorstehenden „Revolution“ der Arbeitswelt. Eine Studie der Industriellenvereinigung Fedil offenbart jetzt, dass Firmen in Luxemburg jedoch eher zögerlich sind, was den Einsatz von KI angeht. Viele wissen nicht einmal, was sie mit der neuen Technologie anstellen sollen.

Die Fedil selbst präsentiert ihre Resultate hingegen als sehr positiv: „Bemerkenswerte 63 Prozent der Befragten sehen sich selbst in einem fortgeschrittenen Stadium der KI-Reife, was einen proaktiven Ansatz zur Nutzung von KI für den Geschäftserfolg widerspiegelt“, hieß es in der Pressemitteilung, die am vergangenen Dienstag veröffentlicht wurde. Gefragt wurde spezifisch nach „generativer KI“, also Programmen wie ChatGPT, Googles „Gemini“ oder „Copilot“ des Tech-Giganten „Microsoft“, die Texte oder Bilder generieren.

Ein genauerer Blick auf die Zahlen der Fedil-Studie lässt jedoch Zweifel an dieser Betrachtungsweise aufkommen: Lediglich 13 Prozent der Befragten gaben an, in der ganzen Firma KI-Lösungen einzusetzen. Zu den von der Fedil benannten 63 Prozent, die angeblich „in einem fortgeschrittenem Stadium“ seien, wurden auch jene 27 Prozent hinzugezählt, die KI-Anwendungen „in Entwicklung oder Produktion“ haben und auch das knappe Viertel (23 Prozent) der Befragten, in deren Unternehmen mit KI „experimentiert“ wird. Die restlichen der 114 Befragten, in der Mehrheit Manager*innen im hohen oder mittleren Management Luxemburger Firmen, teilen sich auf in 9 Prozent, die „Recherche betreiben“ sowie 16 Prozent, die für die Nutzung von KI „sensibilisieren“, auf. Hinzu kommen 12 Prozent, die überhaupt nicht vorhaben, im nächsten Jahr KI in ihren Firmen einzusetzen.

Chatbots, Chatbots, Chatbots

Selbst bei großzügiger Interpretation der Daten sind es also lediglich 40 Prozent der befragten Industriefirmen, in denen eine Form der generativen KI tatsächlich zum Einsatz kommt. Von diesen sind laut den Studienergebnissen 80 Prozent mit den Resultaten zufrieden. Der industrielle Sektor ist dabei kein Sonderfall in der Luxemburger Wirtschaft, wie ein Blick auf die Studie der Bankenvereinigung ABBL, die vor einem Jahr veröffentlicht wurde, zeigt. 19 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, überhaupt kein Interesse daran zu haben, generative KI einzusetzen. 67 Prozent der Firmen des Finanzplatzes wollen KI einsetzen, wobei die meisten einen „fokussierten Einsatz in einem spezifischen Gebiet“ vorsahen. Da die ABBL nach den langfristigen Plänen fragte, während die Fedil den aktuellen Stand wissen wollte, sind die Ergebnisse jedoch nicht Eins-zu-Eins vergleichbar.

Zwischen den Zeilen lässt sich in der Fedil-Studie ein gewisses Erstaunen darüber herauslesen, dass manche Firmen es wagen, sich nicht näher mit generativer KI zu beschäftigen oder beschlossen haben, diese nicht einzusetzen. Da Werkzeuge jedoch selten nur um ihrer selbst Willen genutzt werden, stellt sich die Frage, wozu die Industrie generative KI braucht. Das Papier der Fedil listet sieben Bereiche auf, die sich jedoch auf den Einsatz von „Chatbots“ beschränken. Chatbots wie „Microsoft Copilot“ sollen als „persönliche Assistenten“ für Mitarbeiter*innen dienen, Chatbots sollen Kund*innenservice durchführen, Chatbots sollen sich um interne und externe Kommunikation kümmern und „Ideen und Lösungen generieren“. Da passt es auch gut ins Bild, dass 72 Prozent der Firmen Lösungen „von der Stange“ nutzt – also Produkte mit bekannten Namen wie ChatGPT, Copilot oder „Claude“. Die Hälfte setzt laut Fedil-Studie aber auch angepasste KI-Produkte ein: entweder Eigenentwicklungen (49 Prozent) oder Produkte externer Entwickler*innen (28 Prozent). Dadurch, dass vor allem Microsoft dazu übergegangen ist seinen Chatbot in quasi all seine Produkte einzubauen, wird es immer schwieriger, dem zu entkommen. Nachdem der Softwaregigant viel Geld in eine Kooperation mit OpenAI gesteckt hat, animiert er die Nutzer*innen, das KI-Produkt auch zu benutzen – in der Hoffnung, dass sich die Investition am Ende lohnen wird. Laut Fedil-Studie dominieren die Produkte von OpenAI und Microsoft, sowohl was die Produkte von der Stange, als auch die Plattformen für Eigenentwicklungen angeht.

In so gut wie allen genannten Bereichen birgt der Einsatz generativer KI durchaus hohe Risiken: sogenannte „Halluzinationen“ gehören zur Funktionsweise von LLMs und werden ein systemisches Problem bleiben. Das, weil die Programme nichts anderes tun, als mit komplizierten statistischen Methoden zu versuchen, das nächste Wort zu erraten – ähnlich wie die Vorschlagfunktion auf der Handytastatur. LLMs können dadurch kein Verständnis von „richtig“ oder „falsch“ haben und somit auch keine Fakten überprüfen. Ob sich das als großes Pro- blem für jene Inhalte darstellt, die PR-Abteilungen von Unternehmen in der Regel – mit oder ohne KI – generieren, sei dahingestellt.

Was soll schon schiefgehen?

(Foto: Hanna Barakat  & Archival Images of AI + AIxDESIGN / https://betterimagesofai.org / https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Auch beim Kund*innensupport stellt sich die Frage, wie weise es ist, diesen an einen Chatbot auszulagern. In einer – methodisch etwas fragwürdigen – Umfrage des Chatbot-Anbieters „Userlike“ berichteten Menschen als negative Erfahrung vor allem davon, dass der Bot ihre Anfragen nicht beantworten konnte. Oft deshalb, weil das Problem ohnehin menschliches Eingreifen erforderte. Generell ist die Motivation, einen Chatbot zu befragen, eher gering: Die meisten tun dies nur, um darüber eine*n menschliche*n Servicemitarbeiter*in zu kontaktieren. Einfache Fragen über Produkte oder Bestellungen werden den Bots hingegen zugetraut. Mit besonders enthusiastischen Reaktionen dürfen Firmen, die Servicemitarbeiter*innen zugunsten von Chatbots entlassen, jedoch nicht rechnen.

Einige Manager*innen nannten der Fedil aber auch hochspezialisierte Anwendungen, wie etwa für die Rechtsabteilung oder für Einstellungsprozesse. Ob diese Lösungen nun auf LLMs oder „nur“ auf maschinellem Lernen beruhen, sie alle haben das Problem des sogenannten „algorithmic bias“, also algorithmische Vorurteile. Dadurch, dass die Entscheidungsprozesse dieser Programme nicht nachvollziehbar sind und sie gleichzeitig jedoch als „neutral“ präsentiert werden, können gerade bei Bewerbungsprozeduren bereits bestehende Diskriminierungen fortgeschrieben werden. Wenn „die KI“ sagt, dass nur weiße, heterosexuelle cis Männer für ein Bewerbungsgespräch in Frage kommen, wer wird ihr dann widersprechen? Erhofft wird sich in allen Fällen ein Produktivitätsgewinn und weniger teure Angestellte.

Angesichts der Tatsache, dass die meisten Anwendungen sich in ihrem Einsatzgebiet ähneln, wundert es vielleicht weniger, dass viele Firmen noch überhaupt nicht wissen, wie sie KI denn nun einsetzen sollen. Unter jenen, die selbst die Fedil als „zurückhaltend“ beschreibt, hat die Hälfte diesbezüglich keine Ideen. Andere Gründe, weswegen generative KI nicht eingesetzt wird, sind das Fehlen von Expertise (71 Prozent) und bei knapp über einem Drittel Bedenken bezüglich des Datenschutzes solcher Anwendungen.

Der Hype um KI ist in der Luxemburger Wirtschaft definitiv angekommen. Ob sich das auch langfristig in konkrete Projekte verwandelt, ist bei einem genaueren Blick auf die Zahlen ungewiss. Denkt man an den Wirbel um „Blockchain“ vor ein paar Jahren, so lassen sich hier gewisse Parallelen erkennen: Auch damals versprachen sich viele Kosteneinsparungen und träumten von großen Produktivitätsgewinnen, die konkrete Umsetzung blieb jedoch selten und wurde nach wenigen Jahren wieder aufgegeben. Über Gespräche mit Chatbots im Kund*innenservice werden wir uns jedoch vermutlich noch länger ärgern müssen.


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