Kulturpolitik in Esch-Alzette: FrEsch unter Beschuss

Das Kunstkollektiv Richtung22 und FrEsch, der Kulturverwaltungsverein der Gemeinde Esch, liefern sich mittels Pressemitteilungen Wortgefechte um den Rauswurf aus dem Bâtiment 4. Die Escher LSAP meldete sich ebenfalls zu Wort.

(Foto: Richtung 22)

Richtung22 sei nicht aus dem Bâtiment 4 „rausgeworfen“ worden, der Vertrag des Kollektivs sei lediglich nicht verlängert worden. Das ist zumindest die Sicht des Vorstands des Vereins FrEsch, der viele Kulturaktivitäten der Stadt Esch verwaltet. Am vergangenen Donnerstag erreichte die woxx kurz nach Druckschluss eine Pressemitteilung, in der FrEsch dies betonte. Diese Entscheidung sei nach einer im März 2024 durchgeführten „Analyse“ gefällt worden. Die Kriterien hierfür seien Frequenz und Benutzung der Räumlichkeiten, Beiträge zum Leben des „tiers-lieu culturel“, Teilnahme am kulturellen Leben von Esch, Teilnahme an der Veränderung des Stadtbildes, Respekt der Sicherheit, Sauberkeit und Aufräumen der Küche sowie der Gemeinschaftsräume nach deren Nutzung.

Kulturzentrum oder Student*innen-WG?

Interessant an der Pressemitteilung: Anders als üblich wurde sie nur an drei Medien, statt an alle geschickt. Außerdem ist sie im Namen des Verwaltungsrats geschrieben, obwohl laut woxx-Informationen zumindest einige Mitglieder nichts davon wussten. In einem offenen Brief antwortete Richtung22 auf die Erklärungen und Anschuldigen von FrEsch. Die Künstler*innen betonen darin, dass nicht nur ein Vertrag über den Verbleib im Bâtiment 4 existiert, der Ende Mai 2024 ausläuft, sondern auch einer über eine „Carte Blanche“, mit dem künstlerische Aktivitäten des Kollektivs gefördert werden. Dieser Vertrag laufe bis September 2024, „frEsch versucht also gerade, Richtung22 während eines laufenden Vertrages mit frEsch hinauszuwerfen“, heißt es in dem Schreiben des Kollektivs.

In dem vierseitigen Dokument nehmen die Künstler*innen FrEschs Kriterien – aus ihrer Sicht – auseinander. Vorwürfe über unaufgeräumte Gemeinschaftsräume und Küche weist das Kollektiv nicht gänzlich von sich, gibt aber an, die von ihm benutzte Küche im zweiten Stock des Gebäudes regelmäßig aufzuräumen und keine Beschwerden über den Zustand der Gemeinschaftsräume erhalten zu haben. Die Sicherheitssituation habe man hingegen verbessert, indem man ein Awareness-Konzept ausgearbeitet und sich für das Freiräumen von Notausgängen eingesetzt habe. Allerdings: Richtung 22 beanstandet die Kameraüberwachung des Bâtiment 4 und hat deswegen die Datenschutzkommission eingeschaltet.

Auch die anderen Kriterien, die FrEsch aufführte – die sich auf das kulturelle Leben im Bâtiment 4 und in Esch bezogen –, kommentierte das Kunstkollektiv, vor allem mit Beispielen seiner künstlerischen Arbeit der letzten Jahre. Grundsätzlich beschwert sich Richtung22 auch, dass es keinerlei vorherige Kommunikation oder Verwarnungen gegeben habe und sie nun vor vollendete Tatsachen gestellt worden sei.

LSAP Esch mischt sich ein

Das Kunstkollektiv hatte immer wieder die finanziellen Gebaren von FrEsch kritisiert: Man gebe zu viel Geld für Großevents wie die „Francofolies“ und die „Nuit de la culture“ aus, während die Dotationen für lokale Künstler*innen viel zu klein seien. Dieser Kritik schließt sich nun die Escher LSAP-Sektion an. Die größte Oppositionsfraktion im Escher Rathaus bemängelte in einer Pressemitteilung nicht nur die hohen Summen, die die Stadt Esch an den Verein ausschütte, sondern auch, dass damit die Kontrollfunktion des Gemeinderats außer Kraft gesetzt werde: Der Verein, dessen Vorsitzender der Escher Kulturschöffe Pim Knaff (DP) ist, könne an der Opposition vorbei handeln. Die LSAP Esch kritisierte außerdem den Fokus auf Großevents und den Rauswurf von Richtung22: „In Esch lassen wir wenige Stars kommen, die nichts außer leeren Getränkedosen hinterlassen. Aber Richtung22, die sich in den kulturpolitischen Diskurs in Esch einbrachten, wird plötzlich gekündigt?“

Obwohl es so aussieht, als müsse Richtung22 das Bâtiment 4 demnächst verlassen, kann das Kollektiv einen Erfolg verbuchen: Die Autorité luxembourgeoise indépendante de l’audiovisuel (Alia) meldete am vergangenen Dienstag, sie verfolge 16 verschiedene Dossiers gegen RTL. Seit Anfang des Jahres kritisiert Richtung22 mit Website, Theaterstück und Film das größte Luxemburger Medienhaus (siehe woxx 1773). Die Künstler*innen hatten bei der Alia unterschiedliche Missstände, von versteckter Werbung über plagiierte Artikel bis hin zur Verletzung der gesetzlichen Mission angekreidet. Die Kontrollbehörde der audiovisuellen Medien geht diesen nun nach.


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