Auf der Suche nach einem Zeitvertreib bis zum Weltuntergang? Mit den Kulturtipps der woxx steht der nächsten Apokalypse nichts mehr im Wege.
SERIE: The Peripheral
(ja) – In „The Peripheral“ hat der Weltuntergang schon stattgefunden. Oder er wird erst stattfinden. Die Sache ist etwas kompliziert, denn die Serie handelt von einer eher speziellen Art des Zeitreisens. Auf jeden Fall wurde die Multikrise aus Biodiversitätskollaps, Klimakrise, Blackout, Pandemie und Nuklearkrieg „The Jackpot“ getauft. Am Anfang des 22. Jahrhunderts hat im entvölkerten und halbzerstörten London eine Hightechfirma namens „Research Institute“ eine Möglichkeit entwickelt, mit der Vergangenheit zu kommunizieren. Sie rekrutiert Flynne, die im Jahr 2032 lebt und leidenschaftliche VR-Videospielerin ist, für eine Mission. Während Flynne glaubt, sie teste lediglich das neuste und realistischste Spiel aller Zeiten, fungiert sie in Wirklichkeit als Pilotin für einen Roboterkörper, mit dem sie geheime Daten stehlen soll – sie wird jedoch erwischt, was sowohl in der fernen als auch in der näheren Zukunft für Chaos sorgt. Die Serie basiert auf einer Buchvorlage von William Gibson und wird von Jonathan Nolan und Lisa Joy, die bereits mit „Westworld“ eine viel gefeierte Science-Fiction-Serie geschaffen haben, produziert. Ein wahrhaftiger Jackpot. Im Stream auf Amazon Prime.
KONFERENZ-VIDEO: Den Weltuntergang erfühlen
(lm) – Einen Vortrag anhören, weil ich Angst vor dem Klimakollaps habe? Bei den meisten Veranstaltungen zu diesem Thema geht es um Zehntelgrad, Kilowattstunden und Milliarden … Anders gesagt, um die wissenschaftlichen, technischen und ökonomischen Aspekte – Emotionen spielen keine Rolle. Umso schöner, dass der Mouvement écologique eine Konferenz online gesetzt hat, bei der die menschliche Seite im Vordergrund steht. Am 3. Oktober beleuchtete die Psychologin und Autorin Katharina van Bronswijk in Luxemburg, „was die Nachrichten zur Klimakatastrophe mit uns machen“. Direkten Trost, wenn man vor lauter Zukunftsangst nicht schlafen kann, spendet die Konferenz nicht, doch sie liefert Ansätze, um die emotionalen Aspekte der Klimakrise zu verarbeiten. Psychologische Theorie und politische Überlegungen kommen dabei nicht zu kurz und klingen glaubwürdiger als manche zweckoptimistischen „wissenschaftlichen“ Vorträge. Das Video enthält fast eine Stunde des Referats. Leider wurde wohl eine längere Passage zu Klimaangst nicht aufgezeichnet, dafür gibt es fast eine halbe Stunde Austausch mit dem Publikum. Link: woxx.eu/kvb22
MUSEK: Sardonische Hymnen
(tf) – Nein, man muss nicht lange überlegen, welche Band in diesem Jahr den besten Soundtrack für die Apokalypse abgeliefert hat: es war ganz sicher „Ordigort“ aus dem belgischen Gent. Als „fünf Weltuntergangsprognosen“ waren die Songs des ersten Demos angekündigt, das „am Freitag, den dreizehnten Mai anno terra rasa 2022“ veröffentlicht worden ist. Was das Trio selbst als „Malthusian Rock ‘n Roll“ bezeichnet, ist heftig groovender Black Metal, vorgetragen mit einer souveränen Punkattitude. Songtitel wie „No Tomorrow“ und „Pekzwarte Entropie“ („Pechschwarze Entropie“; Entropie ist das physikalische Maß für die Unordnung, die ein System aufweist) geben die Richtung vor, und alles klingt genau so, wie es die Band verspricht: „sardonische Hymnen und Gesänge, die das Ende der Menschheit, so wie sie ist, heraufbeschwören“. Allein der Zorn und die leidenschaftlich-ekstatischen Elemente, die die Musik und Liveshows von Ordigort enthalten, lassen ahnen, dass man sich vielleicht doch nicht das Ende aller Welten, auf jeden Fall aber das der trostlosen Welt der Gegenwart wünscht.
SPILL: Von Seuchen und Sonnenuntergängen
(lm) – Brettspiele, in denen die Welt untergeht, gibt’s wie (tote) Sterne am Himmel. Das bekannteste dürfte „Pandemic“ sein, das bereits 2008 erschien. Die Spieler*innen müssen kooperieren, um zu verhindern, dass eine Seuche die Menschheit ausrottet – die Kritik, das Thema sei zu weit hergeholt, wurde nach 2019 nicht mehr gehört. Spiele über den Kalten Krieg, die wie der Klassiker „Twilight Struggle“ mit einem Atomkrieg enden können, werden dagegen hoffentlich noch lange ihren Exotenstatus behalten. Wer es ökologisch mag, kann in „CO2“ mithelfen, das Klima zu retten – mit dem Bau von Solaranlagen … und AKWs. Zu optimistisch? Dann empfehlen wir „Sol: Last Days of a Star“, bei dem die Sonnenenergie von der Lösung zum Teil des Problems geworden ist. Das massive Anzapfen seiner Ressourcen hat den Stern Sol so transformiert, dass eine Supernova bevorsteht. Die Spieler*innen versuchen, schnell Energie zu tanken, um selber noch davonzukommen – und beschleunigen damit den Fortgang der Katastrophe. Für eine Neuauflage von Sol läuft bis zum 3. Januar ein Kickstarter.
FILM: Falling for Christmas
(tj) – Wenn die Welt untergeht und sowieso alles egal ist, dann ist der Moment gekommen, um Lindsay Lohans Comeback-Film „Falling for Christmas“ zu schauen. Darin spielt der ehemalige Kinderstar die Tochter eines Hotelbesitzers in einem Ski-Resort. Nachdem Sierra bei einem Skisturz das Gedächtnis verliert, erklärt sich der gutherzige Besitzer eines anderen Hotels, der „North Star Lodge“, sie bis auf Weiteres bei sich wohnen zu lassen. Im Kontrast zu vorher, wo Sierras Leben von Materialismus und Oberflächlichkeit bestimmt war, lernt sie nun, was Solidarität, Nächstenliebe und Kundenservice bedeuten. Ja, selbst Kochen und Wäschewaschen entdeckt sie für sich. Der Film entwirft eine weihnachtlich geschmückte Fantasiewelt, in der man vergebens nach konventioneller Logik sucht. Wer sich darauf einlässt, ist für 90 Minuten bestens unterhalten. „Falling for Christmas“ – für alle, die sich den Weltuntergang mit Lindsay Lohan sowie einer gehörigen Portion purem Eskapismus versüßen wollen. Auf Netflix.
SERIE: The Midnight Club
(tj) – In den vergangenen Jahren hat sich Mike Flanagan als Meister des Horrorgenres hervorgetan. Das, wofür der Horror in den von ihm geschaffenen Serien steht, ist sehr spezifisch – Trauer, Depression und Abschied –, das jeweilige Resultat unterscheidet sich dennoch stark. Geht es in „The Haunting of Hill House“ etwa um eine Familie, die wortwörtlich von ihrer Vergangenheit verfolgt wird, so erzählt „Haunting of Bly Manor“ (2020) eine überlebensgroße lesbische Liebesgeschichte. Auch die Handlung der im Oktober erschienenen Serie „The Midnight Club“ ist wieder auf ein Gebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert beschränkt: Hier können tödlich erkrankte Jugendliche unter Leidensgenoss*innen und psychologischer Betreuung ihre letzten Monate verbringen. Neben der Angst vor dem unmittelbar bevorstehenden Tod spielen diesmal zudem Freundschaft und die Kunst des Erzählens eine zentrale Rolle. Mit „The Midnight Club“, beruhend auf dem gleichnamigen Roman von Christopher Pike, meistern Flanagan und sein Team die Herausforderung, uns die verschiedenen Perspektiven einer beachtlichen Anzahl an Figuren nahezubringen, während gleichzeitig eine so packende wie bewegende Geschichte erzählt wird, erneut mit Bravour. Auf Netflix.
LITERATUR: Dix légendes des âges sombres
(ft) – L’apocalypse certes, mais après ? La science-fiction s’est emparée depuis longtemps de cette question, avec un courant postapocalyptique très fécond. Jean-Marc Ligny, tête de file française de la fiction climatique, écrit dans cette veine depuis plus de 20 ans. Il a rassemblé récemment aux éditions L’Atalante dix de ses meilleures nouvelles sur le sujet. « Ces personnages pourraient être vos enfants, voire vous-même si vous êtes assez jeune. Alors, je vous en prie, faites tout votre possible pour qu’ils survivent », dit-il dans la préface. C’est que le monde d’après, selon Ligny, n’est de toute évidence pas enchanteur : les individus y subsistent en solitaire, au mieux en petits clans, menacés par des « Mangemorts » ou des « Boutefeux » ; la moisine, lichen particulièrement toxique et vénéneux, gagne sur la végétation rescapée. Un recueil ténébreux, qui ouvre les yeux et incite à l’action, pour ne pas sombrer dans le pessimisme.