LuxFilmFest: Selfie

Der nur mit Smartphones gedrehte Dokumentarfilm „Selfie“ handelt von Verlust, Freundschaft und dem Leben in einer von Kriminalität geprägten Stadt.

© cineuropa.org

„Selfie“ beginnt mit einem Lied. Ein junger Mann filmt sich mit einem Handy während er singt. Irgendwann bricht er in Tränen aus. Diese sind, wie das Publikum wenig später erfährt, seinem Freund Davide Bifolco gewidmet, der 2014 von der Polizei mit jemandem verwechselt und erschossen worden war. Mit dem Ziel, einzufangen, was es bedeutet, seither in besagter Stadt zu leben, gab Regisseur Agostino Ferrente zwei im Stadtteil Rione Traiano in Neapel lebenden 16-jährigen Kindheitsfreunden Pietro Orlando und Alessandro Antonelli, ein Smartphone mit der Bitte, ihren Alltag zu filmen.

„Selfie“ zeigt den ungeschminkten Alltag dieser Jungen: wie sie essen, mit dem Moped durch die Stadt fahren, schwimmen gehen, Familienangehörige besuchen, zum Spaß in die Luft ballern, rumhängen. Die Auswirkung, die Davides Tod auf sie hat kommt immer wieder mal mehr, mal weniger explizit zum Vorschein. Alessandro brach kurz danach sein Studium ab, in welchem er in Anbetracht der sich ereigneten Tragödie keinen Sinn mehr sah, der arbeitslose Pietro, dem die Trauer, die er empfindet, durch den ganzen Film hinweg förmlich ins Gesicht geschrieben steht, hat seit dem Tod Davides stark zugenommen. Die beiden Jungen leisten sich gegenseitig durchgängig Gesellschaft, die Unterstützung und Aufmerksamkeit, die sie einander geben, scheinen eine unerlässliche Voraussetzung zu sein, damit sie mit ihrem Alltag zurechtkommen.

Und so ist „Selfe“ genau so sehr ein Film über Trauer und das Leben in Rione Traiano, als auch über eine enge, Halt gebende Freundschaft. Die Handhabe darüber, was im Film zu sehen ist, lag in erster Linie bei Alessandro und Pietro. „Ich will sowohl das Schöne als auch das Hässliche zeigen“, erklärt letzterer an einer Stelle seinem Freund gegenüber eine Filmentscheidung.

Weniger gelungen sind sporadische Interviews mit weiteren Teenagern der Stadt. Die zwei Mädchen, die nur darüber reden, ihrem potenziellen Partner auch dann treu zu bleiben, wenn er hinter Gittern säße oder die 12-jährigen Jungen, die einen auf hart machen und ständig nach einer Zigarette fragen, vermitteln einen recht oberflächlichen Eindruck dieser Menschen, der in starkem Kontrast zu dem komplexen Bild von Alessandro und Pietro steht, das der Film uns vermittelt.

Alles in allem ist „Selfie“ eine authentische und bewegende Momentaufnahme des Lebens in einer von Kriminalität geprägten Stadt.

„Selfie“ läuft während des Luxembourg City Film Festivals am Montag, dem 11. März um 21 Uhr im Ciné Utopia und am Dienstag, dem 12. März um 16 Uhr in der Cinémathèque.


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