LuxFilmFest: Once upon a Time in Venezuela

Mit ihrem Dokumentarfilm zeigt Anabel Rodríguez Ríos am Beispiel des Fischerdorfs Congo Mirador eindrucksvoll, wie sich die Spaltung und Verwahrlosung Venezuelas auf das Alltagsleben der Bevölkerung auswirkt.

Die Einwohner*innen vun Congo Mirador müssen auf Boote zurückgreifen, um vun einer Wohnung zur anderen zu gelangen. (Copyright: John Márquez)

An rund 260 Nächten im Jahr wird der Himmel am venezolanischen Maracaibo-See von Gewittern erleuchtet – so oft wie nirgendwo sonst auf der Welt. 2014 wurde das Naturphänomen ins Guinessbuch der Rekorde aufgenommen. Ebenjener Gegend rund um das Fischerdorf Congo Mirador ist der Dokumentarfilm „Once upon a Time in Venezuela“ gewidmet, der von den Bewohner*innen dieses zunehmend unbewohnbaren Orts handelt.

Die Gewitter selbst werden in der Doku zwar nur am Rande thematisiert, dennoch trugen sie wesentlich zu deren Entstehung bei. Ihretwegen waren Regisseurin Anabel Rodríguez Ríos und ihr Team nämlich ursprünglich nach Congo Mirador gekommen. Einmal vor Ort kamen sie ins Gespräch mit den ortsansässigen Kindern, lernten deren Familien kennen und sammelten immer mehr Hintergrundwissen. Was sie nicht geahnt hatten, war, dass Congo Mirador kurz davor stand, in Schlammwasser zu versinken. Zahlreiche Familien hatten ihre Stelzenhütten bereits verlassen, es blieben nur noch wenige Hundert.

Der Titel der Doku suggeriert etwas Märchenhaftes, das auch Kameramann John Márquez einzufangen wusste: Congo Mirador ist ein Wasserdorf, in dem der Temperaturpegel selten unter 20° Celsius fällt. Im Film sind die Bewohner*innen in sommerlicher Bekleidung zu sehen, wie sie sich gegenseitig per Boot Besuche abstatten, im See schwimmen, sich an den wenigen Freuden, die ihnen geblieben sind, festhalten. „Stellen Sie sich vor, wie es sich anfühlt zu sehen, was mit diesem Ort passiert. Wie kann man da nicht Trauer und Nostalgie empfinden“, erklärt der Ortssheriff in einer der ersten Szenen und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Dass das Leben in Congo Mirador mal schön gewesen sein muss, ist jetzt schwer vorstellbar, dennoch gelingt es dem Film, das Gefühl von Verlust und Frust zu vermitteln, das viele der Bewohner*innen teilen. Noch versuchen einige Familien eine gewisse Alltagsroutine aufrechtzuerhalten, ahnend, dass die zunehmende Ölverschmutzung und Sedimentierung sie bald zum Umzug zwingen wird. Die Formulierung „Once upon a time“ hebt ebendiese Vergänglichkeit hervor.

Im Zentrum der Doku stehen zwei Frauen, an denen die Spaltung Venezuelas deutlich wird: Natalie, die einzige noch übrig gebliebene Lehrkraft Congo Miradors, lehnt das Maduro-Regime entschieden ab. Die Geschäftsfrau Tamara hingegen ist eine dezidierte Chavez-Anhängerin und regimetreu. Doch auch andere Aspekte der Gemeinschaft werden gezeigt: die Feste, Versammlungen und Traditionen. In Congo Mirador müssen Kinder von klein auf im Haushalt helfen, an Schönheitswettbewerben teilnehmen, Kinderehen sind keine Ausnahme.

Der Film macht keinen Hehl daraus, wie sehr die Lage Congo Miradors mit der politischen Lage des Landes zusammenhängt. Noch bevor die ersten Bilder zu sehen sind, werden die Zuschauer*innen daran erinnert, dass Venezuela seit dem Tod von Hugo Chavez im Jahr 2013 keinen demokratisch gewählten Präsidenten mehr hatte. Mit Nicolás Maduro hätten Korruption, Drogenhandel, Inflation, Auswanderung und Beschneidung von Menschenrechten stark zugenommen, ruft die Einblendung in Erinnerung. Venezuela sei in eine humanitäre Krise propulsiert worden. Rodríguez Ríos‘ Film mag auf Congo Mirador fokussiert sein, mit einer Verschlechterung von Bildung und Lebensqualität sind die Menschen aber quer durch Venezuela konfrontiert.

Nachdem „Once upon a Time in Venezuela“ im Januar auf dem Sundance Festival Premiere feierte, ist der Film nun auch im Rahmen des Luxfilmfestivals in Luxemburg zu sehen.

„Once upon a Time in Venezuela“ am Samstag, dem 6. und am Mittwoch, dem 10. März im Ciné Utopia sowie am Dienstag, dem 9. März in der Cinémathèque. Er kann außerdem noch bis zum 14. März auf der Online-Plattform des LuxFilmFests gestreamt werden.

Bewertung der woxx : XXX


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