Mobilität
: Einspurig in die Zukunft?

Eine Petition fordert den Bau einer Einschienenbahn in Luxemburg. Eine Monorail ist jedoch alles andere als ein Wundermittel gegen das Verkehrschaos.

Die Monorail in Toyko verbindet das Stadtzentrum mit dem Flughafen Haneda. (Foto: CC-BY-SA Wikimedia Commons/TC411-507)

Springfield hat ein ungewöhnliches Problem: Der fiktionale Ort aus den „Simpsons“ schwimmt in Geld und weiß nicht wie er es ausgeben soll. Auf einer Bürger*innenversammlung werden Vorschläge wie „die Schlaglöcher reparieren“ gesammelt – bis ein mysteriöser Geschäftsmann namens Lyle Lanley auftaucht, der eine ganz andere Idee hat: den Bau einer Monorail. Mit einem Lied lassen sich die Zeichentrickfiguren davon überzeugen, dass eine solche Einschienenbahn für ihr kleines Städtchen eine prima Sache wäre. Bald zeigt sich, dass das Verkehrsmittel für Springfield nicht nur völlig überdimensioniert ist, sondern auch, dass Lanley bei der Sicherheit gespart und sich mit dem Rest des Geldes aus dem Staub gemacht hat.

Die Simpsons-Episode, und besonders die ohrwurmverdächtige Gesangsgeinlage, ist wohl für viele Menschen das erste, woran sie denken, wenn sie „Monorail“ hören. Nun ist Guy Rollinger sicherlich kein Lyle Lanley und Luxemburg kein Springfield – dennoch sind die Ausgangslagen auf den ersten Blick ähnlich. Ist eine Einschienenbahn in Luxemburg also die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat, oder hat die Idee das Potenzial, das tägliche Chaos des Pendlerverkehrs Richtung Frankreich zu bändigen? Seit dem 18. Januar läuft auf der Website des Parlaments eine Petition, die eine Monorail zwischen Luxemburg und Esch/Alzette fordert. Eingebracht wurde sie von dem Bauunternehmer Guy Rollinger, der seit 2010 immer wieder Pläne für eine Einschienenbahn präsentiert.

Nicht so unfallfrei, 
wie behauptet

Auf einer Schiene über der A4, von Luxemburg-Stadt über Leudelingen, Wickringen, Foetz bis Esch-Belval, soll, nach Rollingers Plan, die Monorail fahren und die Hauptstadt – bzw. einen geplanten Peripheriebahnhof in Cessingen – in einer 15-minütigen Fahrt mit dem Unistandort verbinden. Die Eisenbahn benötigt die doppelte Fahrtzeit – was jedoch nicht an einer geringeren Geschwindigkeit gegenüber der Monorail liegt, sondern an der Streckenführung.

Theoretisch könnte die Strecke auch bis Villerupt in Frankreich verlängert werden. Auch eine Anbindung an das Kirchberg-Viertel und den Flughafen Findel schlägt Rollinger vor. Die Idee, die Autobahntrasse zu nutzen, hätte vor allem den Vorteil, dass keine neuen Grundstücke vom Staat gekauft werden müssten, dass also das Problem umgangen würde, das in letzter Zeit gerade den Bau von neuen Verkehrsverbindungen behindert hat. Bei dem geplanten Google-Datenzentrum in Bissen hat sich allerdings gezeigt, dass solche Grundstückskäufe auch sehr schnell vonstattengehen können.

Ein weiterer Vorteil, den die Petionär*innen anführen, ist die geringe Lärmbelastung – eine Einschienenbahn über der Autobahn würde sowieso vom Autolärm übertönt. Auch die Sicherheit wird immer wieder hervorgehoben – Monorails gebe es seit über 100 Jahren und in dieser ganzen Zeit habe sich noch kein einziger tödlicher Unfall ereignet. Das stimmt allerdings nicht: Bei der ältesten Einschienenbahn der Welt, der Schwebebahn im deutschen Wuppertal, gab es im April 1999 nach Bauarbeiten einen Unfall, der fünf Tote und 47 Verletzte forderte. 2009 starb ein Monorail-Fahrer im Disney World-Vergnügungspark in Florida nach einer Frontalkollision. Die vergleichsweise geringe Unfallzahl mag einerseits der Technik zu verdanken sein – da die Züge bei der am häufigsten vertretenen Bauweise auf einer Schiene hängen, können sie nicht entgleisen – andererseits jedoch auch daran, dass die Zahl der weltweit eingesetzten Monorails sehr gering ist.

Modernitätssymbole und Tourismusattraktionen

Warum aber sind sie so selten? Wie bei jedem Verkehrsmittel stellt sich auch bei einer Monorail die Frage, für welche Situation sie eingesetzt werden kann. Niemand würde auf die Idee kommen, weit entfernte Städte mit einer Straßenbahn zu verbinden – oder die innerstädtische Feinerschließung einem Hochgeschwindigkeitszug zu übertragen. Einschienenbahnen eignen sich im Prinzip für zwei verschiedene Gegebenheiten: Sie sind vorteilhaft dort, wo relativ kostengünstig zwei Punkte miteinander verbunden werden sollen, und andererseits in Situationen, in denen eine ebenerdig fahrende (Stadt)Bahn keinen Platz hätte. In den dicht bebauten Großstädten Südostasiens, Chinas und Japans finden sich deswegen neben Hochbahnen auch Monorails, die auf Stelzen über den Straßen fahren.

Eine japanische Studie von Shinya Kikuchi und Akira Onaka aus dem Jahr 1988 erläutert, dass Monorails dort auch deswegen gerne gebaut wurden, weil sie – im Gegensatz zu traditionellen schienengebundenen Verkehrsmitteln – Modernität verhießen. Außerdem wurden die Stelzen der Einschienenbahnen rechtlich als Teil der Straßeninfrastruktur behandelt, sodass Budgets, die für den Ausbau der Straßen vorgesehen waren, für den Bau von Monorails verwendet werden konnten.

Einschienenbahnen sind also eher Nahverkehrsmittel – und häufig Touristenattraktionen, wie das Beispiel Disney World gut zeigt. Vom „Groupe Guy Rollinger“ wird auch dieser Punkt ins Feld geführt. Abgesehen davon, dass den Einwohner*innen des Großherzogtums der Reiz des Luxemburg-Tourismus wohl auf ewig ein Rätsel bleiben wird, ist schwer vorstellbar, dass Tourist*innen Gefallen daran finden könnten, mit einer Monorail nach Foetz zu fahren.

Ein Grund, weshalb Einschienenbahnen eher für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen eingesetzt werden, ist, dass die Anlage von Weichen hier ein Problem darstellt. Anders als bei Eisenbahnen erfordern die Weichen von Monorails einen sehr großen technischen Aufwand. Das erklärt auch, wieso die allermeisten Monorail-Linien sehr kurz sind: Mit 36 Streckenkilometern wäre die luxemburgische Einschienenbahn von Villerupt zum Flughafen Findel die zweitlängste Monorailstrecke der Welt.

Zu hohe Kapazität?

Würde die Errichtung einer Monorail über der Autobahn realisiert, bräuchte der Staat zwar keine Grundstücke zu kaufen, der technische Aufwand für den Bau wäre jedoch enorm. Auch wenn die Befürworter*innen der Einschienenbahn geltend machen, dass Hindernisse wie Brücken kein Problem seien, müssten doch zumindest Teile der Autobahn gesperrt werden. Auch die Frage, ob die für die Haltestellen und technischen Gebäude notwendigen Flächen sich bereits in Staatsbesitz befinden, ist offen. Ein Problem von Monorails ist auch, dass es keine Standards gibt, sondern jeder Hersteller eigene Schienensysteme und Fahrzeuge entwickelt.

Auch im Nachhaltigkeitsministerium ist man von der Eignung der Monorail keineswegs überzeugt: „Wir versuchen natürlich, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Lösungen für eine bessere Mobilität zu finden. Diese müssen aber den Problemen, die sich hierzulande stellen, entsprechen. Wir brauchen eine Kapazität von 100.000 bis 150.000 Personen pro Tag und Richtung, weniger, als eine Monorail transportieren kann.“, teilte uns Dany Frank, die Sprecherin des Ministeriums, mit.

Bei einem Bürger*innenforum der Vertretung der Europäischen Kommission in Luxemburg im Januar erteilte Infrastrukturminister Bausch der Monorail-Idee eine klare Absage: „Eine Monorail ergibt keinen Sinn, wir sollten besser die Kapazität der Eisenbahn ausbauen.“ Allerdings bezog er sich bei seiner Antwort auf die Idee einer Verbindung zwischen Luxemburg und Thionville.

Die Monorail soll jenen Traum erfüllen, den der motorisierte Individualverkehr nicht mehr erfüllen kann: schnell, mühelos, ohne Umwege und Zwischenstops von A nach B kommen. Bisher haben über 1.600 Menschen die Petition unterschrieben – die Chancen, bis 1. März die nötigen 4.500 Unterschriften einzusammeln, um ein Hearing im Parlament zu bekommen, sind gering. Vielleicht muss Guy Rollinger auch ein Lied schreiben, um die Luxemburger*innen von der Idee – die leider nicht so gut ist, wie sie auf den ersten Blick scheint – zu überzeugen.


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