Neil Young Archives: Rockin’ (almost) for free

Großherzig und detailverliebt wie er nun mal ist, setzte die kanadische Rocklegende Neil Young kürzlich seine gesamten Archive online. Die woxx hat einen Streifzug gewagt.

Trotzt den Stürmen nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Internet: Neil Young. (©Wikimedia)

Obwohl er öfter öffentlich an der Klangqualität des Mediums CD herummäkelte, brachte Neil Young trotzdem 2009 einen Teil seines umfangreichen Archivs mit dem Material der Jahre 1963-1972 auf acht Silberscheiben auf den Markt. Unzufrieden mit den verlustbehafteten AAC- und MP3 Kompressionsformaten der Streamingdienste entschied er 2015, seine Musik von diesen Plattformen zu entfernen, nachdem er Anfang des gleichen Jahres mit dem Ponoplayer ein eigenes Abspielgerät für große verlustfreie FLAC-Dateien auf den Markt gebracht hatte. Trotz guter Kritiken, konnte das gelbe, dreieckige Gerät sich nicht auf dem Markt durchsetzen und so wurde das Projekt im April dieses Jahres offiziell für beendet erklärt.

Aber so einfach gibt Young seine schon fast besessene Suche nach besserem Sound nicht auf – und hat nun mit einem Team an Mitarbeitern und einer kleinen in Singapur ansässigen Firma das Programm Xstream entwickelt – das auf eine adaptive Technik setzt. Es gibt nur einen Stream, dessen Qualität sich stets nach dem Wiedergabegerät und der verfügbaren Übertragungsbandbreite ausrichtet. Um seinen neuesten Streich zu promoten kleckert Young nicht sondern klotzt gewaltig: Mit einem intimen unplugged Konzert in seiner Heimatstadt in der kanadischen Provinz North Ontario, das gleichzeitig via Facebook in alle Welt gestreamt wurde, hat der 70-Jährige am 1. Dezember sein gesamtes Archiv mit (fast) allem jemals von ihm produzierten – ob veröffentlicht oder nicht – Material online gestellt.

Nachdem man sich mit E-Mailadresse und Passwort in der Website eingeschrieben hat, wird man von einem Grußwort des Meisters empfangen und erhält Infos wie man diese irrsinnig große Sammlung am besten nach Un- oder lange nicht Gehörtem durchforstet. Die benutzerfreundliche Homepage der Neil Young Archives (NYA) ist einem angenehm antiquierten – und gut aufgeräumten – Aktenschrank nachempfunden. Man wühlt sich wahlweise entweder durch die chronologisch archivierte Schublade, kann alle Aufnahmen auf ebenfalls dem Zeitablauf nach sortierten Karteikarten mit detaillierten Infos zur Aufnahme des jeweiligen Songs finden, oder gleich auf einer Zeitschiene nach den Alben suchen und dort dann in der dazugehörigen Akte durch eine Fülle an Fotos, Songtexten, Infos zu Tourneen und sonstigen wichtigen Ereignissen, Büchern, Videos und Filmen surfen.

Beim Abspielen der Dateien zeigt ein Aussteuerungsmesser genau die Auflösung des gerade in Anspruch genommenen Streams an. Zur Verfügung stehen wahlweise nicht komprimierte Masterdateien, für langsamere Internetverbindungen kann per digitalem Kippschalter auf 320kbps umgestellt werden. Also geradezu paradiesische Zustände für wahre Fans. Ob die Masterdateien die zwischen 700kbps und 6000kbps gestreamt werden können, das auch bei dee*dem Anwender*in tun, hängt von Equipment und natürlich von der Internetverbindung ab. Die gute Klangqualität wird es wohl nicht auf Smartphones schaffen, sondern eher nur auf Computern und Tablets zu genießen sein.

Bei der Suche nach dem Soundtrack zum Film „Journey through the Past“, den die Autorin im zarten Alter von 15 Jahren solange in einer Endlosschleife auf dem Plattenspieler ließ, bis das Vinyl davon keinen anständigen Ton mehr herausgeben konnte, wird einem allerdings bei den meisten Tracks beschieden, sie seien momentan noch nicht verfügbar, es werde an ihrer Bereitstellung gearbeitet. Doch dann stößt man beim weiteren Stöbern auf eine bislang unveröffentlichte Version des Songs „Soldier“ aus dem gesuchten Album und die Welt ist wieder fast in Ordnung.

Bis Ende Juni 2018 steht das Archiv umsonst zur Verfügung und kann auf Herz und Nieren geprüft werden. Doch Neil Young ist nicht plötzlich zum Wohltäter geworden, fast alle Songs ziert ein Buy-Sticker, und manche Lieder können sogar überhaupt nicht gehört werden, sondern stehen nur zum Verkauf. Ein Versprechen hat der Ausnahme-Musiker beim Start seines Online-Streamingdienstes aber gegeben: Die Preise die ab 1. Juli nächsten Jahres gelten werden, sollen für die hochaufgelöste Soundqualität niedrig sein und das Angebot soll nicht auf sein eigenes Material  beschränkt bleiben.


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