Onlineportal für administrative Prozeduren: Mitbestimmung schwer gemacht

Das Portal enquetes.public.lu ist eigentlich eine gute Idee – es soll Transparenz und Mitbestimmung fördern. Doch die aktuelle Umsetzung ist wenig sinnvoll und baut zusätzlich Hürden auf.

Informationen zu geplanten Projekten sind öffentlich verfügbar – doch meist nur ausgedruckt in dicken Papierordnern. Wann sich das ändert, ist bisher nicht abzusehen. (Foto: Jana Schneider/Pixabay)

In Douglas Adams’ Kultroman „Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ erfährt der Hauptcharakter Arthur Dent recht spät, dass sein Haus abgerissen werden soll, um Platz für eine Autobahn zu machen. Nämlich, als der Bulldozer schon vor seiner Tür steht. Dent bekommt dann erklärt, dass die entsprechenden Planungsunterlagen öffentlich auslagen – allerdings im unbeleuchteten Keller des Rathauses, verstaut in einem verschlossenen Aktenschrank, der wiederum in einem längst ungenutzten Klo mit der Aufschrift „Vorsicht, bissiger Leopard!“ steht. Ganz so schlimm sind die Zustände in Luxemburg nicht. Dennoch könnte man sich manchmal ein wenig wie Arthur Dent fühlen, wenn man hierzulande versucht, sein Recht zur Mitbestimmung wahrzunehmen.

Seit dem 13. Januar 2021 gibt es eine digitale Plattform, auf der sämtliche Prozeduren, für die es eine öffentliche Beteiligungsmöglichkeit gibt, publiziert werden. Auf dem vom Digitalisierungsministerium verwalteten Portal enquetes.public.lu werden die verschiedenen Projekte, bei denen es Mitbestimmungsmöglichkeit gibt, angezeigt. Es gibt die Möglichkeit, nach Thema und Gemeinde zu filtern, auch ein Abonnement per E-Mail ist möglich. So bleibt man stets darüber informiert, wenn in der eigenen Gemeinde das nächste Mitbestimmungsprojekt ansteht. Oder immer dann, wenn irgendwo im Land eine Prozedur im Bereich Umwelt anläuft.

Was auf den ersten Blick wie eine gute Idee klingt, entpuppt sich jedoch beim näheren Hinsehen als komplizierter, als man vielleicht denken könnte. Denn wer eine Email mit einer Benachrichtigung bekommt und dann wissen will, was genau in der eigenen Gemeinde geplant ist, wird womöglich schnell enttäuscht sein: Digital und online lässt sich das in vielen Fällen nämlich überhaupt nicht herausfinden. Über das enquêtes-Portal lässt sich lediglich einsehen, was jedes Projekt ungefähr plant und auf welchen Parzellen – mehr nicht. Genaue Pläne, Beschreibungen oder auch nur weiterführende Informationen sucht man auf der Website vergeblich.

Immer verfügbar, meistens nutzlos

Dabei ist die Idee des Portals eigentlich, dass die Mitbestimmungsmöglichkeiten einfacher werden. „Dazu zählt vor allem, dass die Plattform 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche verfügbar ist, sodass niemand Urlaub nehmen muss, um auf die Gemeinde oder zu einer Verwaltung zu gehen, um dort die Akte einer Prozedur einzusehen“, wie eine Sprecherin des Digitalisierungsministeriums der woxx erklärte. Doch in der Realität sieht es anders aus – die meisten Prozeduren, die auf dem Portal zu finden sind, enthalten lediglich die Information, dass gerade eine Prozedur läuft. Wer sie einsehen will, muss sich zum Rathaus oder in ein Verwaltungsgebäude begeben.

Die woxx hat stichprobenartig bei zwei Gemeinden, die auf enquetes.public.lu eine Prozedur zu „établissements classés“ (auch Commodo-Incommodo-Prozedur genannt) angekündigt hatten, nachgefragt, warum die Dokumente dazu nicht online seien. Am Telefon erklärte ein Gemeindebeamter der woxx, die entsprechenden Dokumente seien in mehreren großen Ordnern an die Gemeinde geliefert worden und lägen nun dort zur Begutachtung aus. Es sei nicht möglich, diese Dokumente alle zu scannen und online zu stellen. Eine andere Gemeinde schreibt: „Wir bekamen die Anfrage mit den Unterlagen in Papierform und stellen sie auch so der Öffentlichkeit zur Verfügung.“ Es ist verständlich, dass Gemeindebeamte, die auch andere Tätigkeiten erledigen müssen, nicht den ganzen Tag einen Scanner bedienen können. Doch die Dokumente, die ausgedruckt und fein abgeheftet in einem Ordner zur Begutachtung in der Gemeindeverwaltung stehen, sind weder handschriftlich, noch auf einer Schreibmaschine verfasst. Im Jahr 2025 kann man davon ausgehen, dass diese Unterlagen ihren Ursprung auf einem Computer haben. Irgendwo müssen sie also digital vorhanden sein – doch das heißt im Land der „AI Factory“ wohl noch lange nicht, dass sie auch Bürger*innen so zur Verfügung gestellt werden. Dazu fehlt nämlich noch die gesetzliche Grundlage.

„Verschiedene Gesetze erlauben es überhaupt nicht, neben der Prozedur auf Papier auch eine digitale Prozedur anzubieten und verlangen zum Beispiel, dass eine Beschwerde als eingeschriebener Brief eingeschickt werden muss“, so eine Sprecherin des Digitalisierungsministeriums gegenüber der woxx. Wo die aktuelle Gesetzgebung keine digitale Prozedur erlaube, arbeite das Portal zum Teil mit Zwischenlösungen. „Beispielsweise werden bei verschiedenen Prozeduren wie bei der Commodo-Prozedur anfangs nur die Bekanntmachungen publiziert und erst in der nächsten Phase, wenn das Gesetz überarbeitet ist, auch die ganze Prozedur auf dem Portal durchgeführt“, heißt es weiter aus dem Ministerium.

Unterlagen nur auf Papier

Regelrecht absurd wirkt das Portal aktuell bei Verfahren zu Genehmigungen im Wasserbereich. Das Wasserwirtschaftsamt stellt zwar vorbildlich jedes Verfahren auf das Portal, inklusive einer digitalen Kopie des Schreibens an die Gemeindeverantwortlichen. Mittels Verknüpfung zu guichet.lu kann man sich mit einem digitalen Login wie Luxtrust oder e-Idas dort anmelden und seine Beschwerden, Bedenken oder sonstige Gedanken zu einem Projekt mitteilen. Was auf den ersten Blick wie ein administrativer Prozess klingt, der tatsächlich dem 21. Jahrhundert gerecht wird, hat jedoch einen fatalen Fehler: Die Akten und Informationen, um die es eigentlich geht, sind online nicht aufzufinden. Eine Beschwerde über ein Onlineformular abzugeben, ist selbstverständlich praktischer, als einen eingeschriebenen Brief abschicken zu müssen. Doch um überhaupt eine Beschwerde formulieren zu können, muss man die entsprechenden Informationen ja überhaupt erst einmal einsehen können – wenn diese nur ausgedruckt in einem Ordner irgendwo ausliegen, sind sie zwar theoretisch „für alle verfügbar“, in der Praxis ist diese Verfügbarkeit jedoch stark eingeschränkt.

Dabei begann das Portal eigentlich mit großen Ambitionen. Das Digitalisierungsministerium identifizierte 2019 gemeinsam mit anderen Ministerien und Verwaltungen insgesamt 58 verschiedene Prozeduren aus 20 unterschiedlichen Gesetzen. 15 davon waren gleich beim Start des Portals im Januar 2021 verfügbar. Schaut man sich die Prozeduren an, die bisher über das Portal abgelaufen sind, lassen sich zwei Sachen feststellen: Es handelt sich vor allem um „établissements classés“ und Genehmigungen der Wasserverwaltung. Bei diesen gibt es jedoch nie digitale Unterlagen.

Digitale Mitbestimmung, langsame Prozeduren?

Vergangene Prozeduren gab es es auch zum nationalen Plan für die Umsetzung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik, zum nationalen Plan zur Luftqualität oder zum Inventar des architektonischen Erbes der Gemeinde Mersch. Hier waren sowohl Unterlagen in digitaler Form als auch eine elektronische Möglichkeit der Mitbestimmung gegeben. Zu beobachten ist auch, dass die Blütezeit der digitalen Partizipation in Luxemburg 2021 begann und 2023 jäh endete. Bekanntmachungen, wie etwa Entscheidungen eines Ministerium darüber, wo eine Umgehungsstraße gebaut werden kann, wurden das letzte Mal im Februar 2023 auf die Plattform hochgeladen. Dass der Zeitpunkt, ab dem Ministerien und Verwaltungen aufhörten, das enquêtes-Portal sinnvoll zu befüllen, mit dem sogenannten „Superwahljahr“ 2023 zusammenfällt, ist vermutlich kein Zufall. Zumindest liegt der Verdacht nahe, dass die CSV-DP-Regierung bisher wenig Interesse daran hatte, die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Luxemburger Bürger*innen ins 21. Jahrhundert zu bringen. Das Digitalisierungsministerium betont auf jeden Fall, dass es das Portal lediglich zur Verfügung stellt – mit Inhalt befüllen müssten es die Gemeinden und Verwaltungen selbst.

Im Parlament ist die Debatte ebenfalls angekommen, zumindest in Form einer parlamentarischen Anfrage von David Wagner (Déi Lénk). Darin fragt er den Umwelt- und den Wirtschaftsminister, warum bestimmte Informationen wie Lagepläne und technische Details nicht mehr auf der Plattform zur Verfügung gestellt werden. „Die aktive Mitbestimmung der Öffentlichkeit ist somit erschwert worden“, schreibt Wagner in seiner Frage. Wagner erwähnt auch die Aarhus-Konvention, die Luxemburg unterschrieben und ratifiziert hat. Damit verpflichtete sich das Großherzogtum, umweltrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen und Bürger*innen die Möglichkeit zur aktiven Mitbestimmungen zu geben. Wagner stellt daher die Frage, ob Luxemburg dieser Verpflichtung zu Genüge nachkäme, wenn die nötigen Informationen nicht auf dem enquetes-Portal zur Verfügung stünden.

Eine Reform jenes Gesetzes, das die Verfahren für „établissements classés“ regelt und eine Veröffentlichung der entsprechenden Unterlagen auf enquetes.public.lu vorsieht, liegt seit Ende August 2023 im Parlament. Seit Januar dieses Jahres gibt es eine Stellungnahme des Staatsrats, womit das Gesetz eigentlich demnächst auf die Zielgerade kommen könnte. Dennoch sieht es nicht so aus, als läge der CSV-DP-Koalition besonders viel daran, dies voranzutreiben: Die entsprechende Kommission hat noch keine*n Berichterstatter*in ernannt, auf der Tagesordnung war das Gesetz auch schon länger nicht mehr. „Vielleicht bewirkt meine Frage ja, dass es mit dem Gesetz schneller vorangeht“, sagte David Wagner gegenüber der woxx.

Aktuell dürfte die Nachfrage, Unterlagen zu laufenden Prozeduren zu sehen, wohl eher gering sein: Ein Gemeindebeamter erzählte der woxx, dass in den letzten sechs Jahren nur eine einzige Person für eine solche Akteneinsicht den Weg ins Rathaus gefunden hätte. Das liegt sicherlich daran, dass die Öffnungszeiten der Amtsstuben mit den Arbeitszeiten der wenigsten Menschen kompatibel sind. Einen Akt auf Papier kann man auch nicht einfach nach Schlüsselwörtern durchsuchen – oder sich die Arbeit unter interessierten Nachbar*innen aufteilen.

Die CSV-DP-Regierung zeigt ein großes Interesse an einer besseren Digitalisierung von Genehmigungsprozeduren. Sie verspricht sich davon schnellere Prozeduren. Doch bei Mitbestimmung mit elektronischen Unterlagen und Beschwerdemöglichkeit am Computer oder Smartphone könnten Prozeduren länger dauern, weil dann, ganz einfach, mehr Menschen die Möglichkeit zur Teilhabe nutzen würden. Ob man sich in Luxemburg dennoch demnächst weniger wie Artuhr Dent aus „Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ fühlt, liegt in den Händen des Parlaments.


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