Oper über Amelia Earhart: Eine tollkühne Pilotin

„Queen of the Air“ bringt das Schicksal von Amelia Earhart zum ersten Mal auf eine Luxemburger Bühne. Die Oper rückt dabei eine bisher kaum bekannte Facette des verunglückten Ausnahmetalents ins Rampenlicht.

In einer Zeit, in der Frauen im Cockpit stark unterrepräsentiert waren, machte sich Amelia Earhart als Pilotin einen Namen. (Foto: Gemeinfrei)

Flugpionierin und feministische Ikone: Mit diesen beiden Etiketten war die 1897 im US-Bundesstaat Kansas geborene Amelia Earhart schon zu Lebzeiten versehen. Sie stellte mit dem Flugzeug Geschwindigkeitsrekorde auf, schwang sich höher in die Lüfte als jede andere Frau vor ihr und überflog als erster Mensch zweimal den Atlantik. Ruhm bescherten ihr aber nicht nur diese Glanzleistungen und ihr Engagement als Frauenrechtlerin, sondern auch ihr tragisches Ende: Die US-Amerikanerin verschwand zusammen mit ihrem Navigator Fred Noonan am 2. Juli 1937 während ihres Versuchs, die Erde am Äquator zu umrunden.

Das Vermächtnis der Rekordhalterin lebt weiter, unter anderem war sie Mitbegründerin der „Ninety Nines“, einer noch immer existierenden internationalen Organisation für Pilotinnen. Ihr zu Ehren wurden Statuen errichtet und ein Museum gegründet – und Künstler*innen setzen sich bis heute mit ihrem Schicksal auseinander. Vergangenes Jahr erst erschien der Roman „Die Himmelsrichtungen“ von Jo Lendle, in dem Earharts Leben rückwärts und in Episoden erzählt wird.

Im Großherzogtum holt die Oper „Queen of the Air“ die Fluglegende bald wieder ins gesellschaftliche Bewusstsein zurück. Bei dem Bühnenwerk, das Anfang März im Kapuzinertheater aufgeführt wird, handelt es sich um eine Koproduktion der hauptstädtischen Theater und des Ensembles „United Instruments of Lucilin“. Mit der Vertonung der Oper wurde die luxemburgische Komponistin Albena Petrovic betraut. Es sei das erste Mal, dass ein solcher Auftrag hierzulande an eine Frau gehe, verrät Petrovic der woxx.

Pilotin – und Poetin

Die Kreation zeichnet sich vor allem durch ihren einzigartigen Fokus auf einen weitgehend unbekannten Aspekt der verschollenen Abenteurerin aus: ihr dichterisches Schaffen. Tatsächlich war Earhart nicht nur eine begnadete Pilotin, sondern auch eine leidenschaftliche Lyrikerin. „Sie fühlte sich allgemein sehr zur Kunst hingezogen, war eine kultivierte Frau und hatte in ihrer Jugend gehofft, sich in der Poesie einen Namen machen zu können“, erzählt Petrovic der woxx. Fast alle ihre Texte seien aber mit der Zeit verloren gegangen. Auf der Grundlage der noch vorhandenen Originaltexte verfasste Matthias Theodor Vogt das Libretto.

Die Oper verzichtet dementsprechend bewusst auf eine lineare Handlungsstruktur und widmet sich stattdessen der Erkundung von Earharts seelischen Zuständen – eine Herangehensweise, welche die Stärke des Monodramas voll zur Geltung bringt. Denn, wie Petrovic unterstreicht, bietet ein Solospiel wie „Queen of the Air“ die einzigartige Möglichkeit, Detailarbeit zu leisten und tief in die Psyche der Protagonist*innen einzutauchen. Eine Figur wie Earhart kann so in ihrer ganzen Komplexität dargestellt werden.

Ihren Einsatz für mehr Geschlechtergerechtigkeit thematisiere die Pilotin interessanterweise nicht in ihren Werken, bemerkt Petrovic. Stilistisch lehnten sich die Poeme an die literarischen Strömungen des beginnenden 20. Jahrhunderts an, enthielten typisch expressionistische, aber auch symbolistische Elemente. „Earharts Dichtung erinnert punktuell an jene von Egon Schiele“, sagt Petrovic. „Wenn man ihre genialsten Werke hundert Jahre nach ihrer Entstehung liest, erkennt man alle Elemente der damaligen Epoche, die in ihnen kristallisiert sind.“

Ein moderner Ikarus

Obwohl Earharts emanzipierte Lebensgestaltung in ihrer Lyrik nicht zum Ausdruck kommt, bleibt sie, die sogar als Gastdozentin an einer Universität lehrte, ein Sinnbild des Feminismus der 1930er-Jahre. „Sie war die Inkarnation der ,starken Frau‘“, sagt Petrovic. Für das Kapuzinertheater in Luxemburg-Stadt war das ein hinreichender Grund, die Premiere der Oper am Weltfrauentag (am morgigen Samstag, 8. März) stattfinden zu lassen. Dieser Entscheidung steht die Komponistin jedoch mit gemischten Gefühlen gegenüber. „Ich mag es nicht, Dinge mit einem Label zu versehen, denn man riskiert so, die Arbeit einer Frau abzuwerten.“ Sie führt aus: „Ein Spektakel, das aus der Feder einer Frau stammt, führt man am Weltfrauentag auf und zeigt damit ungewollt, dass alle anderen Tage noch immer eher Männern vorbehalten sind.“

Dabei verdient die US-amerikanische Vorkämpferin ihre musikalische Hommage ganz losgelöst von einem spezifischen Kontext. Die Oper „Queen of the Air“ versteht Petrovic dann auch als Erinnerung an „eine mythische Figur, die mit ihrem Tod in die Ewigkeit einging“ und wie Ikarus mit ihrem Flugversuch um den Äquator die Grenzen des damals Möglichen überschreiten wollte. Earhart hätte etwas Außerordentliches vollbringen und sich über die menschlichen Beschränkungen erheben wollen, unterstreicht sie.

Erster Teil einer Episode

Tatsächlich ist „Queen of the Air“ kein einzelnes Spektakel, sondern bildet den Auftakt für eine Opernreihe mit sechs unterschiedlichen Frauenfiguren. Das von Petrovic konzipierte Projekt orientiert sich am mehrteiligen Format einer Fernsehserie, wobei die einzelnen Aufführungen dann auch nur eine Dauer von rund 40 Minuten haben. Dass Earhart die Reihe eröffnet, ist kein Zufall: Sie sei zu einem Leitbild geworden, obwohl sie von den ausgewählten weiblichen Persönlichkeiten die am wenigsten erforschte sei, betont Petrovic. „Das ist so tragisch und so besonders, dass ich keine andere Wahl hatte, als mit ihr zu beginnen.“

Wer die anderen Frauen sind, deren Schicksal noch beleuchtet werden soll, möchte die Komponistin noch nicht verraten. Und auch in welchem Rhythmus die Opern aufgeführt werden, steht nicht fest – womöglich bestimmen die Frauenporträts also das Opernprogramm der kommenden Jahre rund um den Weltfrauentag am 8. März.

Die Aufführung von „Queen of the Air“ findet am morgigen Samstag, dem 8. März, um 18 Uhr in englischer Sprache im Kapuzinertheater statt. An die Aufführung schließt sich eine Diskussionsrunde an, bei der die Künstler*innen sowie die Cargolux-Pilotin Christine Leick über die Figur von Amelia Earhart und feministische Themen sprechen werden. Die Moderation wird Elisabeth Schilling übernehmen.

Musik: Albena Petrovic
Libretto: Matthias Theodor Vogt
Musikalische Leitung: Pit Brosius
Szenische Umsetzung: Renelde Pierlot, Francesco Mormino
Solistin: Luisa Mauro
Orchester: United Instruments of Lucilin


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