Heute findet im Rocas in Luxemburg Stadt das „Post Math Mini-Fest“ statt, ein Abend für alle Fans der progressiven Musik zwischen Math-Rock und Post-Core – „whatever that means“, wie es so schön in der Einleitung des Musikvideos „MLK JKSN“ von Mutiny on the Bounty heißt.
Dieses Genre, das in vielen Ländern nur eine kleine Nische der Undergroundszene ausmacht, ist durch die erfolgreiche Arbeit lokaler Bands, wie eben Mutiny on the Bounty, Heartbeat Parade oder Antifragile, in Luxemburg sehr populär geworden. Letztere bilden auch einen Teil des Line-ups am Freitag mit drei weiteren Bands: Poly-Math aus England, Vasa aus Schottland und Fall of Messiah aus Frankreich.
Antifragile haben anfangs des Jahres ihre erste Platte veröffentlicht, eine EP gespickt mit verschachtelten Gitarrenriffs und versetzten Grooves. Überraschend ist dabei der cleane Gesang, der gerade durch seine Poppigkeit in Kombination mit dem Rest der Musik schon wieder unkonventiell ist. Die Gruppe wird die einzige Band des Abends mit einem klassischen Sänger sein, eine erfrischende Abwechslung in dieser Stilrichtung.
Bei der zweiten Band Fall of Messiah wechseln sich die sphärischen Schlafliedklänge, die an die Post-Rocker von Explosions in the Sky erinnern, mit Metal-Teilen ab, in denen die verzerrten Gitarren einen aus dem Schlummer reißen. Die letzte CD dieser Band, vor zwei Jahren erschienen, trägt den Namen „Empty Colors“. Durchaus passend, denn sie ist durchzogen von einer melancholischen Grundstimmung, einer Leere, die einen berührt.
Es stellt sich die Frage, ob Fall of Messiah und die Instrumentalisten von Vasa sich abgesprochen haben, denn hier erwartet die Zuhörenden das Kontrastprogramm. Vasas letztes Album „Colors“ ist Math-Rock im klassischen Sinne – verspielte Gitarrenriffs ziehen sich durch die Musik, ein melodischer Sechsseitenbass und hektische Drumbeats legen die Basis dazu. Kein Hauch von Traurigkeit, denn die Musik birst geradezu vor Lebensfreude und Energie. Auch die Songtitel lassen vermuten, dass die Band sich nicht zu ernst nimmt – beispielsweise der Song „Fat Ronaldo“.
Poly-Math scheint einen nachhaltigen Eindruck bei den Organisatoren des Grape Sound Collectives hinterlassen zu haben, sodass die Band bereits wenige Monate nach ihrem letzten Konzert wieder zurück im Rocas ist. Die Klänge des Headliners sind düster, die Melodien nervös, und es wird eine Stimmung des Unbehagens kreiert. Eine wiederkehrende Struktur findet man in diesen Liedern eigentlich nie. Vielmehr handelt es sich um eine Reise, die auf einen Zenit hinführt und das Publikum auf die Auflösung der spannungsgeladenen Harmonien und Rhythmen hoffen lässt. Die Atmosphäre, die während der Lieder über Minuten aufgebaut wird, ist dicht, phasenweise sogar leidend und schwermütig. Doch genau diese Eigenschaft von Musik verdient sich das Prädikat progressiv, weil sie Disharmonien, Widersprüche und deren Auflösung erfahrbar macht.
Das Grape Sound Collective lädt einmal mehr zu einem besonderen Fest der Musik ein, das es nicht zu verpassen gilt. Ärgerlich ist für die Fans des Genres wohl nur die unglückliche Überschneidung zweier Events, denn parallel zum „Post Math Mini-Fest“ treten Muntiny on the Bounty und Mouse on the Keys in den Rotunden auf. Luxemburg, Land der Banken und der progressiven Musik, macht sich auf jeden Fall an diesem Freitag als eine Hochburg des Math-Rocks alle Ehre. Bei so viel Progressivität an einem Abend bleibt zu hoffen, dass die Musik vielleicht auch auf gesellschaftliche Strukturen abfärbt.