Seltene Metalle: Schatzsuche mit Mikroorganismen

Mehr erneuerbare Energien könnten mehr Bergbau bedeuten, um seltene Metalle zu fördern. Die Alternative, solche Metalle aus Abfällen zu gewinnen, verspricht geostrategische, ökonomische und ökologische Vorteile.

Energiesparlampen: Fein zermahlen, an Bakterien verfüttert, kann man aus ihnen seltene Metalle gewinnen.

Europa hat ein Rohstoff-Problem. Es geht um seltene Metalle wie Cer, Yttrium, Scandium, Praseodym oder Neodym, die für wichtige Technologien unersetzlich sind. Sie müssen alle aus China, Brasilien, Russland oder Australien importiert werden – in Zukunft voraussichtlich zu stark steigenden Preisen (siehe Kasten). Da wäre es besser, die Metalle selbst zu haben. Das würde die Importabhängigkeit verringern und Versorgungsengpässe vermeiden helfen. Zudem wäre es viel nachhaltiger, wie das Beispiel Neodym zeigt. Der Abbau in China geht mit enormer Umweltzerstörung einher. Eine eigene Seltene-Metalle-Industrie ließe sich tatsächlich errichten, und zwar durch Recycling. Die Forschung ist momentan dabei, die technologischen Grundlagen dafür zu schaffen.

Beim europäischen Projekt „Scale“ zum Beispiel geht es um Scandium. Die Luftfahrtbranche braucht dieses Metall, denn Aluminium-Scandium-Legierungen sind leichter und fester, was Flugzeuge treibstoffsparender und damit klimaverträglicher macht. Gäbe es europäisches Scandium, wäre die europäische Indus-
trie nicht mehr so stark auf russische oder chinesische Importe angewiesen (woxx 1145: Seltene-Erden-Versorgung sichern).

Flugzeuge aus Abwasser

Die Forscher Markus Lenz und Sebastian Hedwig von der Schweizer Hochschule für Life Sciences FHNW sind an „Scale“ beteiligt. Sie haben eine bestimmte Sekundärquelle im Visier: Scandium, das bei der Herstellung des Weißpigments Titanoxid anfällt. Das Scandium befindet sich dabei in den industriellen Abwässern. „Die Konzentration ist gering und liegt im ppm-Bereich, also parts per million“, sagt Markus Lenz. Das Verfahren zum Herauslösen wurde in der Schweiz getestet. Die beiden Forscher haben den Ausgangsstoff, eine saure Abwasserbrühe, dabei mehrmals filtriert. Zuerst die Mikrofiltration zum Aussieben von Partikeln, die größer als ein Mikrometer sind. Dann die Ultrafiltration, die alle Teilchen unter einem Mikrometer entfernen. Schließlich der wichtigste Schritt, die Nanofiltration. Hier wird das Metall aufkonzentriert und von Unreinheiten befreit, also von anderen gelösten Metallen im Abwasser. Zurück bleibt ein Konzentrat, welches dann weiterverarbeitet werden kann. Lenz ist mit dem Ergebnis des abgeschlossenen Projekts zufrieden: „Am Ende der Prozesskette haben wir reines Scandium oder Aluminium-Scandium-Legierungen. Die prinzipielle Machbarkeit wurde also gezeigt.“

Was in Zukunft sehr nützlich sein kann. Zurzeit werden global nur 10 bis 15 Tonnen Scandium jährlich produziert, der Jahresbedarf dürfte aber künftig bei 350 Tonnen liegen, sagt Lenz. Fragt sich, wie viel wiederverwertbares Scandium sich aus den Abwässern gewinnen lässt. Der Forscher ist zuversichtlich, dass die Mehrfach-Filtration der europäischen Luftfahrtbranche zumindest eine gewisse Unabhängigkeit von Importen bringt: „Die Produktion von Weißpigment beträgt aktuell 4,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Das globale Abwasservolumen ist zwar unbekannt, aber wir gehen davon aus, dass prinzipiell genug Scandium daraus extrahiert werden kann, um den jetzigen und auch Teile des zukünftigen Bedarfs zu decken.“

Energiesparlampen, lecker!

Nicht nur in Industrieabwasser, auch in weggeworfenen Monitoren, Handys, Laptops, Lampen oder Windradteilen verbergen sich lauter metallene Schätze. Diese aus dem Elektroschrott herauszulösen, ist Ziel des österreichisch-tschechischen Projekts „REEgain“, das im Rahmen des EU-Programms Interreg V-A Österreich-Tschechische Republik gefördert wird. Dabei geht es chemikalienfrei und damit umweltfreundlich zu, denn Mikroorganismen erledigen den Job. Es sind Algen, Kolibakterien und Cyanobakterien, die in einem flüssigen Medium zusammenleben. Für ihr Wachstum ist dieses Zuhause genau richtig, erklärt Projektleiter Dominik Schild vom Institut für Biotechnologie der Fachhochschule Krems: „Die Mikroorganismen brauchen Nahrung, die Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor, Schwefel und Sauerstoff enthält.“

Das Versuchsmaterial bei „REEgain“ sind zu Staub zerbröselte Energiesparlampen. „Ihre Konsistenz ist vergleichbar mit Mehl“, so Schild. Er sucht darin nach Lanthan, Gadolinium, Yttrium und Neodym. Neodym zum Beispiel kommt in den starken Dauermagneten in Windrädern und Elektroautos zum Einsatz. Die Herauslösung der Metalle funktioniert so: Zuerst kommt der Energiesparlampen-Staub in Salpetersäure. Stark verdünnt landet er dann direkt in der Algen-Bakterien-Flüssigkeit. Die Mikroorganismen darin stürzen sich gleich auf die Mahlzeit, wobei jeder Bewohner seine eigene Verarbeitungstechnik hat. „Bei manchen bleiben die Metalle außen an der Oberfläche der Zelle. Manche nehmen sie aber auch in die Zelle auf und bauen sie sogar in die eigenen Proteine ein.“ Dieser Verfahrensschritt, bei dem eine Biomasse bestehend aus den Mikroorganismen herauskommt, klappt schon.

Momentan arbeitet Schild am nächsten Schritt, der Fraktionierung. Dabei werden die Zellen der Mikroorganismen aufgetrennt – eine knifflige Angelegenheit. Für den letzten Schritt, das endgültige Abtrennen des Metalls, gibt es vorerst nur Ideen. „Wahrscheinlich holen wir die Metalle nicht in gebundener Form, sondern in ionischer Form aus dem biologischen Material.“ Ionisch heißt, das Metall ist in der Flüssigkeit gelöst. Gebunden heißt, es ist ein Salz und damit ein fester Stoff in der Flüssigkeit. Ionische Metalle lassen sich aber auch leicht in gebundene Metalle überführen, also in ein Salz verwandeln.

Das Projekt ist das erste, das Mikro-
organismen zum Recycling seltener Metalle einsetzt. Fragt sich, wie groß die Chancen Europas sind, sich so unabhängiger von Importen zu machen. Elektroschrott gibt es ja genug, laut E-Waste Monitor fielen in Europa 12 Millionen Tonnen allein im Jahr 2020 an. Schild: „Die Technologie soll schon in der Entwicklung skalierbar sein. Wir achten darauf, dass sich die Fermentation, also die Umwandlung der organischen Stoffe durch die Mikroorganismen, und die Aufreinigung, also das Abtrennen und Aufbrechen der Zellen sowie die Fraktionierung, im großen Maßstab umsetzen lassen.“ Für eine wirtschaftliche Einordnung ist es noch zu früh, aber Schild zeigt sich zuversichtlich. „Unsere besten Mikroorganismen-Kandidaten binden aktuell zwischen 75 und 85 Prozent der gelösten seltenen Metalle. Und die Fermentation stellt keine besonders hohen Ansprüche ans Equipment. Daher kann ich mir sehr große Anlagen vorstellen – und damit auch einen hohen Durchsatz.“

Industrie und Klima retten

Die Mikroorganismen-Methode hinterlässt keine umweltbedenklichen Stoffe – das wichtigste Ziel des Forschungsprojekts. In Sachen Klimaverträglichkeit gibt es sogar noch Luft nach oben. Dabei spielt die Ernährungsweise der Mikroorganismen eine Rolle. Es geht hier um Begriffe wie heterotroph und photoautotroph. Photoautotroph bedeutet, dass sich Lebewesen von Licht „ernähren“. Sie wandeln energiearme anorganische Stoffe in energiereiche organische Stoffe um – in Kohlenhydrate, Proteine, Fette. Die Lebewesen betreiben also Photosynthese. Bekanntestes Beispiel sind die Pflanzen, aber auch Cyanobakterien beherrschen diese Kunst. Heterotroph bedeutet dagegen, dass Lebewesen die Energie anderer Lebewesen aufnehmen müssen.

Bei den aktuell erprobten Mikroorganismen gibt es eine Mischung: Die Kolibakterien sind heterotroph, Algen und Cyanobakterien photoautotroph. Bei einer solchen Kombination ist die Methode CO2-neutral, aber Schild will mehr erreichen: „Wenn es uns gelänge, nur mit photoautotrophen Organismen zu recyceln, hätte die Technologie sogar einen negativen CO2-Fußabdruck. Das heißt, es würde zusätzliches Kohlendioxid gebunden.“ Dann würde die sanfte Metall-Recycling-Methode sogar beim Klimaschutz helfen.

La transition, dévoreuse de minéraux

(lm) – « De quoi interroger le modèle de croissance verte promu par nos dirigeants », c’est la conclusion tirée par le journal en ligne Reporterre d’un rapport de l’Agence internationale de l’énergie (AIE). Cette dernière avait publié en mai le document « The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions », mettant en lumière les besoins en minéraux liés à la transition énergétique. Le recours accru aux « technologies énergétiques propres », afin de limiter le changement climatique, impliquerait un quadruplement des besoins en « minéraux critiques ». Il s’agit aussi bien de métaux classiques comme le cuivre, le cobalt et le nickel, que du lithium et des « terres rares » (voir article ci-dessus).
Une explosion de la demande pour ces minéraux, utilisés notamment dans les éoliennes et les voitures électriques, pourrait conduire à des pénuries, des flambées des prix, voire une « guerre des minerais », écrit Reporterre. L’extraction de ces minéraux est souvent limitée à quelques pays seulement et se fait dans des conditions discutables. Même l’AIE, proche des lobbys industriels, rappelle que l’extraction donne lieu à « une variété de problèmes environnementaux et sociaux qui, s’ils sont mal gérés, peuvent nuire aux communautés locales et perturber l’approvisionnement ». 
Clairement, en tentant de sauver la planète de cette manière, on risque de la détruire. Reporterre renvoie au plan d’action de la Commission européenne en la matière, qui selon des ONG conduirait « à intensifier l’extraction des ressources et à développer des projets miniers en Europe et dans l’hémisphère Sud ». Et de citer Jean François de l’ONG Sherpa : « La transition énergétique ne doit pas se faire en suivant les logiques actuelles. » Les alternatives envisagées dans l’article sont notamment un changement de style de vie et de consommation, mais aussi un recours accru au recyclage des minéraux critiques.


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