Wie viele Frauen wurden an ihrem Arbeitsplatz bereits Opfer von Sexismus oder sexueller Belästigung? Die entsprechende Datenlage in Luxemburg ist dürftig. Mit einer Studie versucht der OGBL nun Licht ins Dunkel zu bringen.
Wenn es um Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz geht, stehen meist Aspekte wie Einstellungs- und Aufstiegschancen sowie Lohnunterschiede im Fokus. Weniger Aufmerksamkeit erhält dagegen der Arbeitsalltag. Das Thema ist in der Tat heikler, beruhen Statistiken doch auf dem subjektiven Empfinden von Betroffenen.
Vor Kurzem ist die entsprechende Datenlücke in Luxemburg jedoch etwas kleiner geworden: Um sich einen Überblick über das Ausmaß von Sexismus am Arbeitsplatz zu verschaffen, hat OGBL Equality, die Untergruppe der Gewerkschaft, die sich mit Geschlechtergerechtigkeit befasst, nämlich Ende 2021 bei ihren weiblichen Mitgliedern eine Umfrage durchgeführt. Insgesamt 684 Personen aus unterschiedlichen Berufsfeldern, die meisten davon zwischen 26 und 55, nahmen an der Befragung teil.
Das Ergebnis, das am vergangenen Dienstag der Presse vorgestellt wurde, zeigt den dringenden Handlungsbedarf: Fast die Hälfte der Befragten ist am Arbeitsplatz bereits Opfer von Sexismus geworden, knapp ein Fünftel wurde sexuell belästigt. 69 Prozent der Befragten haben bereits darüber nachgedacht, aufgrund ihrer Seximus- erfahrungen zu kündigen.
In 62 Prozent der Fälle ging die Tat vom Vorgesetzten aus, nur drei Prozent der Befragten gaben an, von einem Untergebenen belästigt worden zu sein. „Ce résultat confirme que le lien de subordination entre la victime et l’auteur/trice joue un rôle capital dans ces situations délicates“, kommentieren die Autor*innen der Studie diese Diskrepanz. Auch indirekte Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt waren unter den Befragten verbreitet: 44 Prozent gaben an, an ihrem Arbeitsplatz Zeuginnen von Sexismus geworden zu sein. 13 Prozent hatten einen Fall sexueller Belästigung mitbekommen.
Unzureichende Maßnahmen
OGBL Equality interessierte sich aber nicht nur für die Taten an sich, sondern auch für den internen Umgang mit solchen. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, den Vorfall nie bei ihrem Arbeitgeber gemeldet zu haben. Ein Drittel hatte das zwar getan, ohne dass daraufhin jedoch eine Maßnahme ergriffen worden wäre.
Fast alle Sexismusopfer, nämlich 92 Prozent, empfanden die Unterstützung, die sie infolge ihrer Erfahrungen erhalten hatten, als unzureichend. Die anderen 8 Prozent gaben als Quelle der Unterstützung vor allem Freund*innen, Familienangehörige und Arbeitskolleg*innen an. Nur in seltenen Fällen wurden Instanzen wie die Personaldelegation, die Gewerkschaft oder die ITM genannt. „Cependant ce sondage nous démontre que les femmes ne sont pas prêtes à suffisamment faire confiance aux structures existantes“, stellen die Autor*innen der Studie fest. Ihre Interpretation: Betroffene Frauen fühlen sich von ihrem Arbeitgeber nicht in ausreichendem Maße geschützt.
Der Presse gegenüber betonten die Vertreter*innen von OGBL Equality, dass die Einstufung einer Handlung oder Aussage als sexistisch sehr subjektiv sei. So seien auch augenscheinliche Widersprüche in den Umfrageergebnissen zu erklären: Manche Umfrageteilnehmerinnen, die sich ausdrücklich nicht als Opfer von Sexismus empfanden, gaben gleichzeitig an, öfter unterbrochen oder weniger ernst genommen zu werden als ihre männlichen Arbeitskollegen.
OGBL Equality kommt zur Konklusion, dass der Kampf gegen Sexismus am Arbeitsplatz nicht vorbei ist und es weiterhin Sensibilisierungs- und Präventionsmaßnahmen bedarf.