Stephan Rick
: Pilzpfanne all’arrabiata

„Die dunkle Seite des Mondes“, nach dem Bestseller von Martin Suter, seziert den Wandel eines skrupellosen Wirtschaftsanwalts zum Killer – ein netter, aber leider ziemlich etwas durchsichtiger Film.

Gespaltene Persönlichkeit: Doktor Urs und Herr Blank.

Gespaltene Persönlichkeit: Doktor Urs und Herr Blank.

Urs Blank ist ein Biest. Im Dschungel der Frankfurter Geschäfts- und Bankenwelt wütet der Wirtschaftsanwalt ohne Rücksicht auf Verluste und peitscht eine Fusion nach der anderen durch. Als sein Meisterstück sieht er seinen letzten „Merger“ an, eine kaum kaschierte feindliche Übernahme: Durch den Zusammenschluss zweier Pharmaunternehmen ist der größte Konzern Europas entstanden. Als sich der geprellte Konkurrent aber vor Blanks Augen in seinem Büro erschießt, ist das selbst dem hartgesottenen Umkrempler zu viel. Er nimmt eine Auszeit vom Beruf und auch von seinem Leben und lässt Künstlergattin, 5-Sterne-Restaurants und Vernissagen hinter sich, um mit seiner neuen Bekannten Lucille unbekannte Horizonte zu erobern.

Lucille, die als eine Art Zwischenwesen – halb Hippie, halb verlorenes Kind der Bourgeoisie – in Blanks Leben tritt, verleitet diesen mittels halluzinogener Pilze zu einer Reise in sein inneres Ich. Dumm nur, dass sich die Türen der Erkenntnis für den Ultrakapitalisten nicht öffnen wollen – statt der Reise ins Ich erlebt er einen Horrortrip, von dem er sich nicht mehr erholen wird. Schlimmer noch: Nach dem Verzehr der psylocibinhaltigen Pilze verliert er jegliche Kontrolle über seine Impulse und verwandelt sich in eine Mordmaschine.

Der Genuss dieser Pilze kann zwar tatsächlich latent vorhandene Psychosen auslösen, aber nur im allerschlimmsten Fall – und nur bei ausgiebigem Konsum in Kombination mit Cannabis – führt er zu einer schizophrenieartigen Psychose. Der geschilderte Fall des Urs Blank ist also ziemlich unwahrscheinlich. Mit dieser Einschränkung kann man den Film aber akzeptieren – man muss ihn eben als eine Art Gleichnis verstehen.

„Die Pilze nehmen nur das aus dir raus, was sowieso schon in dir steckt“, wird Blank von seiner Hippie-Liebhaberin belehrt, als er unter der Wirkung der unwiderstehlichen Aggressionen, die sein gewohntes Berufs- und Sozialleben immer unmöglicher machen, durchzudrehen beginnt. Ergo steckt, so darf der Zuschauer folgern, in jedem Banker und Wirtschaftsanwalt ein Psychokiller, den man am besten nicht auf die Menschheit loslässt. Ist es weniger gefährlich, solche Menschen mit Zahlen jonglieren zu lassen statt mit Motorsägen? Eine Frage, die „Die dunkle Seite des Mondes“ nicht beantwortet, auch wenn sich Blank im Laufe des Geschehens auf seine Weise vom Saulus zum Paulus zu wandeln versucht.

Irgendwie wirkt der Film wie aus der Zeit gefallen. In einer Epoche, in der die Vorherrschaft des Neoliberalismus immer mehr Risse bekommt, ist die moralische Verdammung des unaufhörlichen Wachstums und der Gewinnsucht längst überholt. So wirkt die deutsch-luxemburgische Koproduktion auf der Grundlage eines Schweizer Bestsellers manchmal unfreiwillig komisch – auch wenn die Schauspieler, die großherzoglichen eingeschlossen, zweifellos ihr Bestes geben. Sie kommen aber nicht gegen die Vorhersehbarkeit eines von Einfallslosigkeit geprägten Erzählstrangs an.

So ist „Die dunkle Seite des Mondes“ ein höchstens mittelmäßiger, für die große Leinwand zu klein geratener Fernsehfilm – was auch nicht wirklich verwundern kann, ist Regisseur Stephan Rick ja vornehmlich in dieser Domäne zu Hause.

Im Utopolis Kirchberg.

Bewertung der woxx: X


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