Strukturelle Mangel: Aufnahmepolitik verschärft Prekarität

Heime, die schließen, abgelaufene Fristen und rechtlich unzulässige Verträge erhöhen das Risiko der Obdachlosigkeit für Flüchtlinge in Luxemburg.

Die Flüchtlingsunterkunft in Eich sollte ursprünglich im November den Betrieb einstellen. „Mit Blick auf die kommenden Wintermonate“ wurde die Schließung nun auf das Frühjahr 2025 hinausgezögert, teilt das Familienministerium der woxx mit. Schon am Montag, dem 23. September, hatte die Commission consultative des droits de l’homme (CCDH) in einer Mitteilung warnend reagiert: Das Ministerium komme seiner Verantwortung, Personen mit internationalem Schutzstatus bei der Wohnungssuche zu unterstützen, nicht nach. Die Aufnahmepolitik, die sich in den letzten Jahren zunehmend verschärft, beeinträchtige das Selbständigwerden der Flüchtlinge. Daran ändere auch die Verschiebung der Schließung nichts, so die Juristin Charlotte Brouxel. Die sei bloß eine „provisorische Lösung“.

Beantragt eine Person in Luxemburg Asyl, kommt sie in eine Unterkunft wie jener in Eich unter. Sobald ihr Schutzantrag jedoch bewilligt worden ist, muss sie als „Bénéficiaire d’une protection internationale“ (BPI) eine sogenannte „indemnité d’occupation“ bezahlen, um in den seit Jahren überlasteten Strukturen wohnen bleiben zu dürfen. Das Problem: Ohne die nötige Unterstützung ist die Wohnungssuche auf dem hiesigen Markt schwierig, BPIs bleiben weiterhin in den Unterkünften. Dafür müssen sie jedoch einen Vertrag mit dem Office national d’accueil (ONA) unterschreiben. Dieser sei alles andere als ordnungsgemäß, kritisiert die CCDH. Die monatliche Gebühr etwa erhöhe sich für alleinstehende Personen schrittweise. Auf die Nachfrage der woxx, wie viel sie beträgt, gibt das Ministerium keine genaue Antwort. Aus einer parlamentarischen Frage des Abgeordneten Sven Clement vom Februar 2019 geht hervor, dass damals der Betrag im Durchschnitt zwischen 250 und 450 Euro im Monat lag.

Zudem beinhaltet der Vertrag eine festgelegte Ablauffrist und keinerlei Garantien, die ein normgerechter Mietvertrag umfasst. Sollte es zu einem Rechtsstreit kommen, schreibt die CCHD, „könnte die einseitige Verpflichtung des ONA zu einer Rechtsunsicherheit führen“. Dies sei umso besorgniserregender, als das ONA in den letzten Jahren zunehmend Gerichtsverfahren gegen Flüchtlinge, deren Unterkunftsfrist abgelaufen ist, einleitet. „Darüber hinaus siedelt das ONA im Falle der Schließung eines Heims die BPIs, die die ursprünglich vorgesehene Frist überschritten haben, nicht um“, kritisiert die CCDH.

Keine Wohnalternativen

In Reaktion auf die Kritik erklärt das Familienministerium, BPIs hätten die gleichen sozialen Rechte wie luxemburgische Bürger*innen. Dies ist jedoch nicht ganz richtig. Im Ausland etwa dürfen Personen mit Schutzstatus nicht leben, der oft erschwinglichere Wohnungsmarkt der Grenzregion steht ihnen also nicht zur Verfügung. Leben die Personen in den Unterkünften, berechtigt der Vertrag sie nicht zu den staatlichen finanziellen Miethilfen ‒ dies, obwohl die Höhe des Betrags (ein Drittel des Einkommens) den Personen Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung geben müsste, wendet Brouxel ein.

Dadurch setze die „zunehmend strengere“ Politik des ONA die finanzielle Abhängigkeit der Flüchtlinge nicht nur fort, sondern verschlimmere ihre soziale Prekarität nur noch weiter. Dabei liegt es in der Verantwortung des Staates, BPIs zu schützen. Dazu zählt auch der Schutz des Rechts auf eine geeignete Unterkunft, wie im Artikel 40 der Verfassung vorgesehen. Die Unterstützung bei der Wohnungssuche ist deshalb „ein wesentlicher Schritt in ihrer Integration“, der ab Erlangung des Schutzstatus geschehen muss, so die CCDH. Zudem sollen dem ONA und dem Office Social, unter deren Verantwortung BPIs fallen, mehr Mittel bereitgestellt werden, um deren Zusammenarbeit zu verbessern.

Über die Schließung der einem Privateigentümer gehörenden Unterkunft in Eich ‒ die eine Kapazität von 70 Betten hat und in der rund die Hälfte der Personen einen Schutzstatus haben ‒ informierte das Ministerium die Bewohner*innen nach einer Sitzung im Februar 2024. Bis heute habe das Ministerium den BPIs jedoch keine Wohnalternativen angeboten, so die CCDH. Sie fordert „eine umfassende Politik für den Zugang zu Wohnraum auf dem privaten oder sozialen Markt, die eine effektive Beteiligung der Gemeinden stärkt, insbesondere durch die Schaffung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum.“


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