Trotz zunehmender Sensibilisierung und Enttabuisierung gibt es in puncto Suizidprävention hierzulande noch viel Nachholbedarf. Dies vor allem bezüglich konkreten Anlaufstellen und interministerieller Koordination.

Foto: Malgorzata Tomczak/Pixabay
Bereits im März 2020 lag sie vor, wegen der Pandemie verzögerte sich die Vorstellung, am heutigen Dienstag war es dann endlich so weit: Die 110-seitige Evaluation des Nationalen Aktionsplans für Suizidprävention (2015-2019) wurde veröffentlicht. Durchgeführt wurde die Evaluation von Véronique Louazel, chargée d’études en santé publique beim Unternehmen Itinere conseil. Als Basis für die Evaluation dienten unter anderem Umfragen, Gespräche oder die Analyse von Aktivitätsberichten und Internetseiten wie prevention-suicide.lu. Im Rahmen der Evaluation wurde der Einfluss des Aktionsplans auf die Suizidprävention, die Hilfsangebote, sowie die Anzahl an Suiziden und Suizidalität untersucht.
„Ech si frou de Rapport lo kënne mat der Ëffentlechkeet ze deele, well et eng gutt Basis ass, fir eis Aktiounen ze guidéieren an der Zukunft an och déi gesellschaftspolitesch Froen, déi Hand an Hand ginn mat dësem Thema vun alle Säite beliicht ze kréien“, erklärte Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) der Presse gegenüber. Konkret soll die Evaluation dazu dienen, die Prävention auszubauen, die Kompetenzen der Professionellen zu erhöhen und die Qualität des Hilfsgebots zu erhöhen.
Die Anzahl an Todesfällen aufgrund von Suizid ist in den letzten Jahren zwar gesunken, besorgniserregend ist allerdings die Tendenz zu Suizidgedanken bei 12- bis 18-Jährigen: Rund 15 Prozent dieser Gruppe haben in den letzten 12 Monaten ernsthaft darüber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen. Auch die Über-50-Jährigen sind eine Risikogruppe, hier hatten 10 Prozent Suizidgedanken. Der Evaluationsbericht verweist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit epidemiologische Daten als Grundlage für Präventionsmaßnahmen zu nutzen, sowie diejenige, das Angebot an niedrigschwelligen Anlaufstellen auszubauen.
Informationen über Suizid sind hierzulande durch einige Präventionskampagnen zugänglicher und sichtbarer denn je, wird im Bericht lobend hervorgehoben. Es sei jedoch wichtig, sowohl Sensibilisierungsmaßnahmen als auch Weiterbildungen zusätzlich auszubauen. Vor allem an Workshops für Bildungs- und Gesundheitspersonal mangele es. Auch sei eine zusätzliche Sensibilisierung des direkten Umfelds von Suizidgefährdeten nötig.
Während generell eine zunehmende Entstigmatisierung festgestellt wird, ist Suizid laut Bericht vor allem in Unternehmen und in der Schule immer noch ein Tabu. Zwar gäbe es vereinzelte Best Practice-Beispiele, aufgrund eines Mangels an Sichtbarkeit würden diese jedoch nicht großflächig implementiert. „Globalement, les facteurs de risque restent abordés de manière juxtaposée sans inscription dans une politique de développement d’environnements favorables à la santé mentale“, wird im Bericht bemängelt.
Der größte Verbesserungsbedarf liegt laut Bericht beim konkreten Hilfsangebot für Betroffene. In diesem Zusammenhang wird auf den Mangel an Expertise von Allgemeinmediziner*innen, die hohen Kosten für Psychotherapien, sowie die Notwendigkeit, Ziele für Unterstützungsangebote innerhalb und außerhalb von Krankenhäusern zu definieren, hingewiesen.
Die interministerielle Zusammenarbeit, die für die Umsetzung des Aktionsplans erforderlich gewesen wäre, habe nicht stattgefunden. Um der Thematik eine ausreichende Priorisierung zu geben, bedürfe es eines interministeriellen Überwachungskomitees.
Im Anschluss an die Vorstellung von Louazel betonte die Gesundheitsministerin, dass keine Hierarchie zwischen psychischer und psychischer Gesundheit bestehen dürfe. Aus dem Grund müsse mentale Gesundheit zu einem selbstverständlichen Teil des Nationalen Gesundheitsplans werden.
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