Überlandbusse
: Umstieg oder Abstieg?


Moderne Umsteigepole sind das A und O des zukünftigen Mobilitätssystems. Die Modelle, wie hier auf Howald, erstrahlen im schönsten Sonnenschein. Wie gut das Umsteigen tatsächlich klappt, hängt aber nicht nur vom Wetter, sondern auch von einem reibungslos funktionierenden Regionalbussystem ab. (ILLUSTRATION: MDDI)

Der Sonderbericht des Rechnungshofes zur Organisation der regionalen Busse findet wenig Lob für das RGTR-Netz, das allerdings in der Mobilitätsplanung der Regierung ein wichtige Rolle spielt.

Langstrecke oder Kurzstrecke? Das öffentliche Verkehrsnetz in Luxemburg ist auf den ersten Blick sehr einfach gestrickt. Ein einheitlicher Tarif, der eigentlich nur zwei Optionen vorsieht: Für schlappe vier Euro einen Tag lang unbegrenzt Busse und Bahnen nutzen, oder für die Hälfte davon von A nach B fahren – aber innerhalb von zwei Stunden. Zusätzlich gibt es verbilligte Abos für die, die regelmäßig unterwegs sind, und für einige gibt es sogar Gratisangebote.

Trotzdem scheint sich der „Régime général des transports routiers“ (RGTR) in der Krise zu befinden: Spätestens, seit der Sonderbericht des Rechnungshofes über die Organisation der regionalen Busdienste am 30. Januar der zuständigen Chamberkommission vorgestellt wurde, ist offenkundig, dass die derzeitige Organisationsform den Ansprüchen, die an sie gestellt werden, nicht gerecht wird.

Nach dem Abschluss der zweiten Ausbauphase der im Bau befindlichen Trambahn wird der RGTR komplett umgekrempelt werden: Die regionalen Buslinien sollen dann nicht mehr von jedem Kuhdorf in die urbanen Zentren und vor allem in die Stadt Luxemburg führen. Vielmehr wird die mobile Kundschaft vorrangig zum nächstgelegenen Umsteigepol gebracht, von wo aus es dann mit einer direkten und schnellen Verbindung zu einem weiteren Pol in der Nähe des Arbeits- oder Ausbildungsplatzes weitergeht. Nachdem der Fahrgast dort ein eventuell weiteres Mal umgestiegen ist, erreicht er schließlich sein Ziel.

Weil das eine tiefgreifende Änderung des Altvertrauten darstellt, hatte das Infrastrukturministerium Mitte November und Mitte Januar eine große Roadshow veranstaltet. In neun regionalen Hauptorten zwischen Belval und Clervaux, zwischen Steinfort und Echternach wurden mit dem Publikum die neuen Perspektiven diskutiert.

Parallel dazu lief eine Internetumfrage, bei der Interessierte Vorschläge und Fragen einbringen konnten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Auswertung noch nicht abgeschlossen, und es ist auch nicht mehr möglich, sich an der Umfrage zu beteiligen oder generelle Trends in Erfahrung zu bringen. Der entsprechende Link speist interessierte Internetuser mit dem englischsprachigen Hinweis ab, dass die Umfrage keine Eingaben mehr akzeptiert.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, heißt es, und eines der hauptsächlichen Bedenken bei der Einführung der Trambahn und der Umstrukturierung des Busnetzes betrifft genau das Umsteigen von den regionalen Linien auf die Hauptstrecken. Eine ähnliche Sorge gibt es auch in der Hauptstadt, wo die Busse nach Einführung der Tram nicht mehr die einzelnen Viertel mit den Zentren Bahnhof-, Oberstadt und eventuell sogar Kirchberg verbinden sollen; ihre eigentlich Funktion ist dann, die Leute der Trambahn zuzuführen, die dann diese drei Zentren miteinander verbindet (wobei die Cloche d’Or noch als viertes Zentrum hinzukommt).

Die große Sorge dabei: Die Busdienste sind nicht sonderlich gut aufeinander abgestimmt, weshalb das Umsteigen bisher oft eher einem Spießrutenlauf gleichkommt, wenn es etwa gilt, an hunderten von anderen ÖPNV-NutzerInnen vorbei zwischen zwei, noch dazu auf gegenüberliegenden Straßenseiten liegenden Bushaltestellen zu wechseln. Wer sich da strikt an die Regeln der Straßenverkehrsordnung hält, hat oft das Nachsehen und kann dem Anschlussbus allenfalls noch hinterherwinken.

So soll das Umsteigen im 21. Jahrhundert natürlich nicht aussehen, doch außer schönen 3D-Plänen für die zukünftige Gestaltung der Umsteigepole gibt es für die NutzerInnen derzeit wenig Greifbares.

Echtzeitinformation erst 2019?

Viel verspricht man sich von offizieller Seite von der „Telematik“, womit die umfassende akustische, aber vor allem visuelle Information der KundInnen über Verspätungen und Anschlussmöglichkeiten gemeint ist. Sogar in der Hauptstadt, wo eine entsprechendes System bereits vor sieben Jahren eingeführt wurde (woxx 1049), klappt dieses nur ansatzweise: Noch immer sind nicht alle im System mitfahrenden Busse soweit ausgestattet, dass sie sich an den Haltestellen an- und abmelden und damit ihre reale Durchfahrtzeit, und nicht die im Fahrplan angegebene, kenntlich machen. Außerdem sind die vier Zeilen, die über die als nächste eintreffenden Busse informieren, an Haltestellen mit mehr Durchfahrten unzureichend. Wenn dann auch noch samstags eine Zeile verschenkt wird, um die NutzerInnen zu informieren, dass an diesem Tag die Busse grundsätzlich gratis sind, wird der Informationsgehalt der Anzeigetafeln noch weiter beschränkt. In anderen Städten bleibt in der Regel nur die erste Zeile für den als nächstes eintreffenden Bus reserviert, während die weiteren Zeilen abwechselnd für die nachfolgenden Busse bereitgestellt werden.

Aber ganz gleichgültig, wie sie gestaltet wird: Die Abfrage muss kohärent und nachvollziehbar sein. Solange aber reelle Durchfahrtzeiten mit vorgegebenen Fahrplanzeiten vermischt werden, sind für viele BusnutzerInnen die elektronischen Hinweistafeln eher eine Quelle der Desinformation und werden folgerichtig irgendwann einfach ignoriert.

Eine Abfuhr erhielt die auf ÖPNV-Fragen spezialisierte grüne Angeordnete Josée Lorschée dieser Tage von Infrastrukturminister Bausch: Die CFL, so seine Auskunft, „testen“ derzeit noch den Einsatz elektronischer Hinweise in den Zügen und den Bahnhöfen und werden wohl erst 2019 ein durchgängig gestaltetes System auf dem ganzen Netz anbieten können.

Irgendwie scheint alles im Jahr 2019 zu kulminieren: Denn wenn die zweite Ausbaustufe der Tram realisiert sein wird – und erstmals keine Busse mehr im großen Umfang zwischen Bahnhof und Kirchberg verkehren – soll auch der regionale Busdienst nicht nur neu strukturiert, sondern auch nach neuen Vergabekriterien unter den privaten Busanbietern verteilt werden.

Wie der eingangs erwähnte Bericht des Rechnungshofes festhält, laufen die derzeitigen Konzessionsverträge mit den etwa 40 Unternehmen 2018 aus. 2009 wurden sie ein letztes Mal ohne internationale Ausschreibung auf zehn Jahre mit den Luxemburger Busunternehmen ausgehandelt. Teilweise auf der Basis von seit über zehn Jahren befahrenen Routen, die inzwischen nicht mehr unbedingt den Alltagsbedürfnissen entsprechen.

Der Rechnungshof zeigt sich nicht besonders optimistisch, dass die Voraussetzungen für eine reibungslose Vergabe 2018 gegeben sind. Denn die öffentliche Hand habe offenbar keine genau Vorstellung, welches die Bedürfnisse für 2019 und die Folgejahre tatsächlich sind.

Nach dem Fiasko des elektronischen Fahrkahrtensystems eGO, mit dem auch Fahrgastzählungen durchgeführt werden sollten, und der Einführung des neuen Systems auf Basis der M-Kaart, bei der die als Option vorgesehenen Fahrgastzählungen noch nicht implementiert wurden, hat es faktisch keine Fahrgastzählungen mehr gegeben. Die früher per direkten Umfragen in den Bussen durchgeführten Zählungen haben sich als zu umständlich und zu teuer erwiesen. Weil der elektronische Fahrschein aber nur beim Einsteigen gezählt wird, gibt es keine Erkenntnisse, welche Strecken von wievielen Menschen tatsächlich genutzt werden. Leerfahrten sind sicher ärgerlich – siehe die nicht selten seitenlangen Leserbriefe wegen vergeudeter Steuergelder –, aber übervolle Busse, die so manche Umsteigeoption von vornherein ausschließen, machen das System auch nicht attraktiver.

Auch auf Seiten der Fahrergewerkschaften kündigen sich die kommenden Monate als eher konfliktträchtig an. Von einer einheitlichen Entlohnung im Transportsektor sind die Tarifparteien weiterhin weit entfernt. Für die Luxemburger Unternehmen besteht die Gefahr, dass die Konkurrenz aus der Großregion bei der demnächst anstehenden Ausschreibung entschlossen mitmischt, vor allem wenn die Zahl der grenzübergreifenden Linien noch zunehmen wird. Das Lohngefälle zwischen privaten BusfahrerInnen und den öffentlich angestellten dürfte ob dieser Konkurrenz aus den Nachbarregionen eher zu- als abnehmen.

Leidtragende sind aber auch die BusnutzerInnen, die die aktuellen Kommunikationspannen fast schon stoisch ertragen. In Spitzenstunden verharren sie bei Wind und Wetter in viel zu kleinen, nach alle Seiten offenen Unterständen und witzeln darüber, ob der nächste Bus weiß, blau oder grün sein wird, ob er zwei, drei oder vier Türen hat, und ob die Eltern mit Kinderwagen besser vorne, in der Mitte oder hinten zusteigen sollten. Dass dann auch noch Großbaustellen wie der Pont Adolphe und die Umgestaltung des Centre Aldringen dazu zwingen, einen bislang einigermaßen funktionierenden Umsteigepol auf Jahre hinaus auseinanderzureißen, fördert nicht gerade das Vertrauen in diejenigen, die für die Umgestaltung des öffentlichen Transportsystems verantwortlich sind.


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